Gesellschaft | Transplantationen

Eine Spende fürs Leben

Mit dem Nationalen Tag der Organspende wurde am heutigen Sonntag italienweit für eine besondere Art der Spende sensibilisiert. Gerade in Südtirol ist der Bedarf dafür noch groß.

Für Kilian Bedin besteht das Jahr derzeit aus nur elf Monaten. Der zwölfte Monat geht für die Dialyse drauf. Drei Vormittage in der Woche hängt der 43-jährige Bozner je vier Stunden an einer Maschine, die jene Aufgaben übernimmt, die seine eigenen Nieren nicht mehr bewältigen: sein Blut zu reinigen und mit Vitaminen und Mineralstoffen anzureichern. Seit Herbst 2010 wird sein Leben von dieser zeitraubenden wie ermüdenden Prozedur bestimmt. Ebenso lange wartet er auf den befreienden Anruf vom Transplantationszentrum der Universitätsklinik Innsbruck, der ihm ein Spenderorgan bringt. „Vor allem am Beginn der Dialyse hofft man jeden Tag, dass das Telefon endlich läutet“, sagt er. „Doch irgendwann beginnt man den Gedanken zu verdrängen, denn man kann sich schließlich nicht verrückt machen“.

Ob Nieren, Leber, Herz oder Lunge: Europaweit stehen rund 50.000 Menschen auf Wartelisten für ein Transplantat. Doch trotz aller medizinischen Fortschritte, dank der viele Organtransplantationen mittlerweile Routineeingriffe sind, sterben täglich geschätzte zwölf Patienten, weil nicht ausreichend Organe zur Verfügung stehen. Das gilt auch für Italien, wo am heutigen Sonntag im Rahmen des „Nationale Tages der Organspende“ für die Bedeutung und den sozialen und ethischen Wert dieser besonderen Form der Spende sensibilisiert wurde. Im Gegensatz zu anderen Staaten wie Österreich, in denen jemand als potentieller Organspender gilt, sofern er sich zu Lebzeiten nicht ausdrücklich dagegen ausgesprochen hat, gilt in Italien noch das umgekehrte Prinzip. Das heißt, entweder die Angehörigen müssen einer Organspende nach dem Ableben zustimmen – oder die Zustimmung wird bereits zu Lebzeiten mittels einer Willenserklärung des Spenders selbst beim Sanitätsbetrieb, dem Hausarzt oder einschlägigen Vereinigungen wie der Italienischen Organisation für Organspenden A.I.D.O gegeben.

Doch gerade in Südtirol ist das mögliche Potential bei weitem nicht ausgeschöpft. Nur 11.000 Südtirolerinnen und Südtiroler, also knapp über zwei Prozent der Bevölkerung haben eine Willensbekundung für eine Organspende hinterlegt. Laut den Zahlen des Nationalen Zentrums für Transplantationen zählt die Provinz zu den Schlusslichtern Italiens in Sachen Organspenden: Kommen italienweit auf eine Million Einwohner durchschnittlich 21,7 Organspender, sind es in Südtirol nur 7,9.  „Ich bin überzeugt, dass mehr Südtiroler bereit wären, eine Willenserklärung abzugeben, wenn sie wenn es mehr Informationen zu dem Thema geben würde“, ist auch Kilian Bedin überzeugt.

Gemeinsam mit ihm warten derzeit in Südtirol rund 70 Patienten auf eine  Organspende. Die meisten davon brauchen eine neue Niere, für die derzeit mit einer durchschnittlichen Wartezeit von drei bis vier Jahren zu rechnen ist.  „Und die Tendenz ist steigend“, sagt Bedin. Bei dem passionierten Sportler wurden erstmals bei seiner Musterung für das Militär abweichende Urinwerte festgestellt. Erst 1998 wurde dann bei einer Sportuntersuchung die wahre Ursache dafür festgestellt. Damals funktionierten seine Nieren schon nur mehr zu 50 Prozent. Vier Jahre später folgte die erste Transplantation – allerdings über eine Vorzugsschiene: Seine Mutter schenkte ihm eine ihrer Nieren. Doch nach acht Jahren versagte auch diese ihren Dienst. Ein Wert, der leicht unter dem Durchschnitt von zehn Jahren liegt, mit dem bei transplantierten Nieren gerechnet wird. „Manche Leute leben aber auch 20 Jahre oder mehr damit, bei anderen wird sie bereit nach einem Monat abgestoßen“, erklärt Bedin.​

Umso dringender ist der Bedarf an Menschen, die bereit sind, nach ihrem Tod mit ihren Organen das Leben anderer Menschen zu verlängern. Oder die Lebensqualität zumindest beträchtlich zu steigern. Denn die ist nach einer Transplantation eine völlig andere, weiß Kilian Bedin aus Erfahrung. In der Zwischenzeit versucht er, dank Dialyse ein halbwegs normales Arbeits- und Familienleben zu führen und „nicht den Kranken zu spielen“, wie er selbst meint. Sein Handy bleibt jedoch 24 Stunden eingeschalten – und damit die Hoffnung, bald wieder ein ganz normales Leben führen zu können.