Kultur | Salto Afternoon

Sagenhafte Dolomiten-Sägen

Mit viel Holz, Stein und Worten wurde die Biennale Gherdëina VI eröffnet. Kurator ist zum wiederholten Mal Adam Budak, der sich poetisch in die Dolomitenberge schreibt.
Claudia Comte
Foto: Biennale Gherdëina

Ein begehbares Fass im Wald am Col de Flam in St. Ulrich steht einsam in der Landschaft: Es stammt vom Künstler Jiří Příhoda aus Prag und er hat es im Sinne des griechischen Denkers und Einzelgängers Diogenes gebaut. Die Besucher werden in das Fass geladen, um sich dort mit Poesie zu beschäftigen, oder dort selbst Poesie entstehen zu lassen. Dazu braucht es neben dem geistigen Einfall, auch den Einfall der Sonne. Die spezielle Architektur ermöglicht diesen und verdreht den Diogenes zugeschriebenen Satz: „Geh mir ein bisschen aus der Sonne“ zu „Komm doch ein bisschen in die Sonne“

Eine Treppe führt aus dem Fass auf die Plattform, auf der auch die Biennale Gherdëina VI von Adam Budak am Samstag eröffnet wurde. Die Fäden im Hintergrund der Kunstschau zieht erneut die Galeristin Doris Ghetta, samt Team.

Budak war bereits Kurator der Manifesta 7, welche 2008 in Südtirol und im Trentino ausgetragen wurde. Auch die Biennale Gherdëina V hat der bekannte Kurator kuratiert. Für die aktuelle Ausgabe hat Budak den Zugang über Poesie gewählt und unter dem Titel Writing the Mountains eine Schar internationaler und lokaler Künstler ins Grödnertal geladen.

Ausgangspoesie: Im vergangenen Jahr weilte Alessandro De Francesco aus der Toscana in St. Ulrich, um während einer Künstlerresidenz Gedichte entstehen lassen. Budak hat sie im Anschluss an die eingeladenen Künstler geschickt: Sie sollten sich damit auseinandersetzen und aus dem poetischen Geist Kunstwerke fertigen.

Auch wenn Budak den Gedichten in den Kunstwerken mehr Gewicht geben wollte, war es am Ende vielfach der 268. Geburtstag von Déodat Dolomieu, den einige Künstler in ihren Arbeiten huldigten. Durchaus auf poetische Weise.

Am Dorfplatz von St. Ulrich stehen bis zum Ende der Schau zwei großen Skulpturen von Nico Vascellari und Claudia Comte. Dort fand auch ein performatives Abendessen am Eröffnungstag statt. Zuvor hatte Sissa Micheli ihre Oper über Dolomieu entlang der Balkone der Fußgängerzobe von St. Ulrich aufgeführt. Die Musik stammte aus der Feder von Georg Malfertheiner, der die Noten zur Reenactment-Perfromance in wenigen Wochen Vorbereitung entstehen hat lassen.

Die Videoarbeit der Künstlerin dazu ist im Circolo am Antoniusplatz zu sehen. Ausgestellt ist dort neben vielen weiteren Arbeiten auch eine Dolomieu-Skulptur von Gregor Prugger. Zu dieser hat der Künstler ein Titelblatt des Tagblatts Dolomiten gehängt. Auch wenn sich die Zeitung in der Ausstellung in leichter Abwandlung Dolomieu nennt, Athesia ist werbeträchtiger Medienpartner.

Der Künstler Gianni Pettena bringt hingegen mit seiner Installation die Architektur des alten Hotel Ladinia „zum atmen“. Im aufgelassenen Barbereich toben sich dagegen die Steine des isländischen Videokünstlers Egill Sæbjörnsson, indem sie wie Trolle auf den alten, weich gepolsterten Hotelbänken sitzen und vom Beamer beleuchtet, künstlerisch „einen drauf machen“

Simon Perathoner bringt in seiner Arbeit das Gestein in eine lyrisch-chemische Formel und lässt im Hintergrund den Langkofel leuchten. Ähnlich wie bei der Arbeit WOOOW von Claudia Comte am Col de Flam. Ihre riesigen Schriftzeichen haben den Wald im Rücken und blicken in die Berge.
Oder umgekehrt - wie man eben zur Kunst stehen möchte.