Kultur | SALTO WEEKEND

Kochbuch anno 1770

Erlaubt Gertraud Stolzins Kochbuch Einblicke in den Speiseplan der Bergwerksknappen vom Schneeberg? Historikerin Barbara Denicolò hat sich auf eine Spurensuche begeben.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
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Foto: Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum

Das Deckblatt der Handschrift lässt keinen Zweifel zu. „Koch-Buech für Gerdrauth Stolzin, Koechin unter den Schneberg, anno 1770“ heißt es. Wer war Getraud Stolzin? Und was verrät uns ihr Buch über die Ess- und Kochgewohnheiten aus jener Zeit? Am Schneeberg im Passeiertal, auf 2.355 Metern Meereshöhe wurde bis ins 20. Jahrhundert hinein Bergbau betrieben. In Spitzenzeiten waren bis zu 1.000 Knappen im Berg aktiv, 200 waren es immerhin noch im 18. Jahrhundert. War Gertraud Stolzin ihre Köchin? Oder was hatte sie sonst an den abgelegenen Schneeberg verschlagen? Über die Besitzerin des handgeschriebenen Kochbuchs ist bis heute nichts weiter bekannt. Außer dem Kochbuch tritt sie in anderen Quellen nicht in Erscheinung. 


Die Handschrift aus dem Jahr 1770 wurde vom Tiroler Landesmuseum Ferdinandeum im Antiquitätenhandel erworben. Die Südtiroler Historikerin und wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Salzburg mit Schwerpunkt Ernährungsgeschichte Barbara Denicolò hat sich zuletzt eingehend mit dem Kochbuch beschäftigt und wird die Ergebnisse ihrer Spurensuche am 2. August um 19 Uhr im Rahmen eines Vortrages im Bunker Mooseum im Passeier vorstellen.  

Frau Denicolò, Sie haben das Kochbuch der Gertraud Stolzin studiert. Was zeichnet das Buch und die Rezepte darin aus?

Das von Hand geschriebene Buch ist vermutlich eine einmalige Abschrift eines bestehenden Kochbuches oder eine Sammlung von Rezepten aus verschiedenen Büchern. Die Handschriftlichkeit macht den privaten Charakter dieses Buches aus. Die einzelnen Rezepte sind, wie für die Zeit üblich, in einem Fließtext abgefasst. Das besondere daran aber ist, dass sehr genau und detailreich die einzelnen Zubereitungsschritte beschrieben werden. Es gibt auch Hinweise zu den Geräten, die für die Zubereitung verwendet werden sollten und es treten, wie auch in anderen Kochbüchern aus dieser Zeit, erste Maßangaben auf.  

Das Kochbuch der Getraud Stolzin ist also typisch für die Zeit?

Ja, auf jeden Fall. Sowohl was die verwendeten Zutaten als auch die Rezepte selbst betrifft. So kommen darin Eintöpfe, Teige, Tirtln, Gebäck aus Blätterteig oder auch die Schneemilch vor, die seit dem 16. Jahrhundert in verschiedenen Kochbüchern zu finden ist. Allerdings gibt es auch einige Rezepte für gehobene Speisen und Süßspeisen. Diese wurden im Tiroler Alltag so wohl nicht zubereitet. Einerseits weil die Zutaten zu kostbar waren, wie zum Beispiel Schokolade, aber auch, weil die Zubereitung mehrere Stunden in Anspruch genommen hätte. In einem Rezept heißt es etwa, man solle eine Stunde lang rühren.

Welche Herausforderungen begegnen bei der wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit Kochbüchern?

Leider geben Kochbücher ja keinen Aufschluss darüber, was zu einer Zeit tatsächlich auf den Tisch kam. Hier muss man nur an sich selbst denken. Von den vielen Rezepten in den Kochbüchern, die in unseren Regalen zu Hause stehen, hat man sehr wahrscheinlich nur einen kleinen Bruchteil nachgekocht. Gleichzeitig verraten Kochbücher aber sehr wohl, welche Zutaten und Gerichte zu einer bestimmten Zeit en vogue waren. Wer sich, so wie ich, mit Ernährungsgeschichte befasst, studiert deshalb auch historische Rechnungen und Transportbücher. Sie erlauben es, ein umfassenderes Bild über die Ernährungszustände einer Zeit zu gewinnen. 

 

Der Vortrag von Frau Denicolò findet im Rahmen einer vom Landesmuseum Bergbau organisierten Vortragsreihe am 2. August um 19 Uhr im Bunker Mooseum in Moos in Passeier statt. Wer auf den Geschmack der alten Gerichte gekommen ist, kann am 8., 22., und 20. August jeweils um 15 Uhr im Bunker Mooseum seine Kochkünste auf einem Holzherd unter Beweis stellen. Wohl bekomm’s!