Gesellschaft | Integration

„Ich fühle mich als Südtiroler“

Bringt Migration tatsächlich vor allem Probleme mit sich? Zauheb Sardar, Kalterer mit pakistanischen Wurzeln, ist eines der vielen Beispiele für gelungene Integration.

Gujrat, Pakistan. Zauheb Sardar packt sein Köfferchen. Er ist neun Jahre alt und ging bisher wie alle seine Freunde zur Schule. Sein Vater und seine älteren Brüder sind nicht mehr im Land. Sie sind in Italien und haben auch für die Mutter und den jüngsten Sohn Papiere geschickt. Zauheb soll nun gehen, in ein fremdes Land mit fremden Leuten und einer fremden Kultur.

Ich fühle mich als Südtiroler.

Dreizehn Jahre später sitzt Zauheb in einem Kalterer Fitnessstudio, gönnt sich zehn Minuten Trainingspause und sagt in feinstem Dialekt: „Ich fühle mich als Südtiroler“. Den Großteil seines Lebens hat er hier verbracht, Familie und Freunde leben allesamt in Südtirol. „Am Anfang war es nicht einfach“, erinnert er sich.

Italien war für mich Super Mario und Pizza.

 „Italien war für mich Super Mario und Pizza, mehr kannte ich nicht.“ Zauheb wird in Kaltern gut aufgenommen, er geht in die Grundschule, spielt mit den einheimischen Kindern und lernt von ihnen. Zunächst stößt er mit seiner offenen Art noch viele vor den Kopf: „In Pakistan ist es so üblich, dass man geradeheraus sagt, was man denkt.“ Dass das in Südtirol nicht ganz so ist, muss Zauheb erst lernen. Auch die Sprache macht zunächst Schwierigkeiten. Heute noch wird er von Leuten, die ihn nicht kennen auf Italienisch angesprochen. „Wenn ich dann auf Dialekt antworte, sind die meisten positiv überrascht und lachen. Viele fragen dann, ob ich hier geboren oder gar adoptiert bin.“, schmunzelt Zauheb.

Nach Abschluss von Mittel- und Berufsschule arbeitet er nun als Buchhalter in einer Bozner Firma. Die Menschen in der Südtiroler Hauptstadt empfindet er seit jeher als tendenziell verschlossener. „Es ist ihr Instinkt, sich schützen zu wollen“, sagt der Kalterer. Besonders durch die negativen Schlagzeilen, die in den Medien vorwiegend die Runde machen, hätten die Leute immer mehr Angst vor Immigranten. „Es gibt ja auch viele, die Scheiße bauen, kein Wunder, dass viele Leute eine innere Barrikade errichten“. Integration und Hilfe von den Mitmenschen sei wichtig, aber „wenn man sich gut benimmt, wird man automatisch akzeptiert. Integration heißt auch, das Beste von sich geben und sich in eine Gemeinschaft einbringen.“

Integration heißt auch, das Beste von sich geben.

Als Ausländer muss man sich wohl immer wieder blöde Sprüche anhören. Zauheb ist unter seinen Freunden jedoch für seinen ausgeprägten Sinn für Humor bekannt und beliebt. Damit kann er auch auf Pöbeleien gut reagieren. „Nicht alle sind so“, sagt er nachdenklich. „Ich wünsche mir, dass besonders Kinder und Jugendliche dieselbe Chance erhalten wie ich. Sie sollten nicht nur ständig unter sich sein, sonst entsteht eine abgesonderte Minderheitengesellschaft.“ Zauheb zupft seine schwarze Puma-Sporthose zurecht. Er will weitertrainieren. "Pfiati", sagt er - und geht lächelnd davon.

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Harald Knoflach Mi., 27.08.2014 - 11:28

was ich immer lustig finde, ist, dass von "nicht betroffenen" so liebend gerne das sterotyp von der "weltoffenen, toleranten" stadt und der "xenophoben, rückständigen" provinz strapaziert wird, und dann kommt regelmäßig ein direkt betroffener und zerlegt diese stereotyp.

"Die Menschen in der Südtiroler Hauptstadt empfindet er seit jeher als tendenziell verschlossener."
Zauheb wird in Kaltern gut aufgenommen, er geht in die Grundschule, spielt mit den einheimischen Kindern und lernt von ihnen.

Mi., 27.08.2014 - 11:28 Permalink
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Martin B. Di., 07.10.2014 - 14:59

Guter Artikel, gute Kommentare. Einwanderer mit Familie, die auf dem Land mit nicht allzuwenig Kontaktfreudigkeit leben, sind fast immer die guten schönen Beispiele. Familie gibt den Vätern eine Verantwortung, die sich regelmäßig positiv auswirkt. Hoffentlich gut gehen auch die Immigration von "echten Flüchtlingen" aus, wenn sie von Privaten engagiert aufgenommen werden: siehe http://derstandard.at/2000006376233/Fluechtlingen-sein-Zuhause-geben
Junge Männer ohne Anhang bzw. Verpflichtungen oder bei kriminellen Hintergrund, welche sich vorwiegend in den Städten zu Banden zusammenschlagen, verursachen zumeist alle Probleme, über die diskutiert wird (eben auch im Land - oder Italien Geborene, nur der Deutlichkeit halber). Hier muss angesetzt und diskutiert werden, statt den reflexartigen "Ausländer raus" Parolen.

Di., 07.10.2014 - 14:59 Permalink