Gesellschaft | Sanitätsreform

Martha Stockers langer Atem

Das war's: Martha Stocker hat die Reformpläne für Südtirols Sanität vorgelegt. Und zumindest indirekt klar gemacht, dass sie sich nicht so leicht ausbremsen lässt.

Die Antworten sind gefunden – nun gilt es sie zu verkaufen: Das ist die Botschaft, mit der Gesundheitslandesrätin Martha Stocker am Freitag Vormittag die lang erwarteten Reformvorschläge für Südtirols Sanität vorstellte. Auch wenn wirklich heiße Eisen wie die Bezirkskrankenhäuser dabei nach dem Rückpfiff ihre Partei weitgehend ausgespart wurden, gab Stocker doch einige Richtlinien vor, wohin sich Südtirols Gesundheitswesen bis zum Jahr 2020 weiterentwickeln sollen. Mehr Geld für die territoriale Versorgung, Einsparungen bei allen Krankenhäusern im Land, die bislang zwei Drittel der Kosten für die Gesundheitsversorgung beanspruchen, einheitliche Führung des Südtiroler Sanitätsbetriebs, in dem die Zeit für einzelne Bezirksfürsten tatsächlich abgelaufen scheint. Wie die Landesrätin mehrfach unterstrich, sei die Reduzierung von bisher vier bis fünf auf ein klares Entscheidungszentrum eine der wesentlichen Voraussetzungen für die Reform. „Denn es macht keinen Sinn, wenn die Dinge dann in jedem Bezirk anders umgesetzt werden“, erklärte Stocker. Ebenso klar gezogen soll auch die Linie, für welche Aufgaben im Gesundheitswesen die Provinz bzw. der Sanitätsbetrieb zuständig sind.

60 Millionen Euro Einsparungen pro Jahr 

Der wahre Knoten der Reform ist jedoch die Einbremsung der explodierenden Kosten bei gleichzeitiger Sicherung der Versorgungsqualität. 3,3 Millionen Euro kostet die Südtiroler Gesundheitsversorgung jeden Tag; 1,2 Milliarden Euro  des Südtiroler Landeshaushalts nimmt sie in Anspruch. Und: alljährlich kommen schon allein aufgrund der Kostensteigerungen mindestens 20 Millionen Euro dazu. Das Einsparungspotential, das die technischen Arbeitsgruppen im Zeitraum bis 2020 ausgemacht haben: 60 Millionen Euro pro Jahr. Wie konkret man nun dorthin kommen will, verriet Stocker am Freitag nicht. Doch: „Wir haben alles durchgerechnet und sind zu einem klaren und logischen Ergebnis gekommen“, sagt sie. Dieses soll nun in den kommenden Wochen zuerst bei einer Tour durch die Bezirke vorgestellt werden. Ein immer schon geplanter Schritt, wie Stocker versicherte, bei dem Raum für Diskussionen und vor Ort entwickelte Vorschläge sei. Allerdings machte die Gesundheitslandesrätin auch wenig Hoffnung, dass der Raum für Änderungen der geplanten Maßnahmen groß sei. „Ich werde eine klare Position ergreifen, und all das einbringen, von dem ich überzeugt bin, dass es überlegt und stimmig ist“, so Martha Stocker.

Wie viel kosten die Bezirkskrankenhäuser? 

Welche Zukunft Südtirols Bezirkskrankenhäuser in Sterzing, Innichen und Schlanders haben, wurde bei Präsentation am Freitag ebenso wenig beantwortet, wie bei der Parteileitung am Vorabend. Zumindest indirekt bestätigte die Landesrätin jedoch bereits durchgesicherte Maßnahmen wie die Schließung der Geburtenstationen in Innichen und Sterzing sowie die Umwandlung mancher Abteilungen in Day Hospitals.  Nicht nur mit dem Hinweis auf rechtliche Rahmenbedingungen, die auch die Bezirke nicht einfach vom Tisch wischen könnten, wie Stocker sagt. Auf Nachfrage nannte sie auch die Zahl, die bei einer solchen Reform der Bezirkskrankenhäuser eingespart werden könnten: 20 Millionen Euro pro Jahr – eine Summe, die sich zur Hälfte aus tatsächlichen Einsparungen und zur anderen Hälfte aus den Mehrkosten ergibt, die sonst aufgrund der gesetzlichen Neuerungen in die Kleinkrankenhäuser investiert werden müssten. Klar stellte Stocker aber auch, dass es hinsichtlich Qualität und Kostenoptimierung in allen sieben Krankenhäusern Handlungsbedarf gibt.

Schluss mit Gratis-Notaufnahme

Gespart werden soll auch bei den Primariaten, wo mit Zusammenlegungen von Abteilungen derzeit ein Sparpotential von etwas mehr als zehn Prozent vorgesehen ist sowie  Zur Kasse gebeten werden sollen künfitg auch Patienten der Flugrettung oder der Bozner Erstaufnahme, die keinen echten Notfälle sind. Als Lösung für die chronische Überfüllung der Bozner „Ersten Hilfe“ kündigte Stocker eine Verlegung des 24-Stunden-Dienstes des medizinischen Bereitschaftsdienste Guardia Medica aus der Gewerbezone in die zentralere Amba Alagi Straße an. „Dort kann dann jeder 24 Stunden lang eine kostenlose Versorgung in Anspruch nehmen“, erklärte Stocker. Wer dann dennoch in die Bozner Notaufnahme komme, müsse außerhalb von Notfällen zahlen – „vor allem für die fachärztlichen Leistungen danach.“

Bedeckt hielt  sich Martha Stocker auch hinsichtlich der Gespräche, die sie in den vergangenen Tagen mit ihren Parteifreunden hatte. Sie unterstrich lediglich, dass der Ansatz, bei der Reform in allen Krankenhäusern eingreifen zu müssen, „auch meiner Partei klar ist“. Ob sie sich tatsächlich von den Sorgen um die Auswirkungen unpopulärer Einschnitte bei den nächsten Gemeinderatswahlen einbremsen lässt? Die nächsten Monate – oder vielleicht auch Jahre werden es zeigen. Derzeit scheint der Kampfeswille in jedem Fall noch nicht erlöscht. Das zeigte auch Stockers Antwort auf die Frage, ob sie sich von ihrer Partei im Stich gelassen fühle. „Ich war schon immer der Meinung, dass man große Reformen nur macht, wenn man einen etwas längeren Atmen hat.“ 

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Willy Pöder Di., 30.09.2014 - 17:25

Das Sanitätswesen klagt immer nur über Kosten. Es wäre nicht uninteressant zu erfahren, welchen Betrag die Versicherten jährlich in den Gesundheitstopf einzahlen und weiters, wieviel außerdem an Ticketleistungen in die Landeskassen fließen. Erst die Differenz zwischen Kosten und Erlösen ist nach meinem Empfinden als tatsächliche haushälterische Belastung zu betrachten.
Nichtsdestotrotz machen Sparmaßnahmen in den meisten Fällen Sinn. Davon kann das Sanitätswesen nicht ausgenommen werden. Wenn weniger Kinder geboren werden, braucht es weniger Kinderbetten. Ist doch logisch. Oder etwa nicht?
Nur: Man sollte vielleicht vorrangig eher dort sparen, wo das Geld in den letzten Jahrzehnten sehr locker gesessen hat. Siehe beispielsweise das Rettungswesen im Zusammenhang mit der Ausübung gefährlicher Sportarten. Ich meine, wer sich einen Skipass samt allem Drumherum leisten kann, könnte sich locker eine entsprechende Versicherung erlauben. Am einfachsten und am wirksamsten wäre ohnehin, dass Skifahrer für den Zeitraum der Gültigkeit ihres Skipasses automatisch für einen etwaigen Rettungseinsatz samt Erstversorgung versichert sind. Umso mehr sollte dies für Kletterer und Alpinisten ganz allgemein gelten. Der AVS bzw. der CAI könnten, je nach Risikostufe, unterschiedliche Mitgliedskarten samt Versicherungsschutz verkaufen. Das Weiße Kreuz bietet dergleichen, in etwas anderer Form, schon seit Jahren an.

Di., 30.09.2014 - 17:25 Permalink