Chronik | Fastenkur

Kein Platz fürs Nachtleben

Bozen startet ein Experiment: Am extra langen Pfingstwochenende gilt ein Ess- und Trinkverbot rund um Restaurants, Bars und andere Gastronomielokale.
Bozen Phase 2
Foto: Othmar Seehauser

Dass er durchgreifen wird, war klar. Nur wie er es anstellen würde, wusste Renzo Caramaschi Anfang der Woche noch nicht. Fest stand für den Bozner Bürgermeister nur: Szenen wie am Wochenende zuvor will er in seiner Stadt so schnell keine mehr haben. Nachtschwärmer, die die teilweise wiedergewonnene Freiheit in vollen Zügen auskosten – und dabei zum Teil auf die Vorsichtsmaßnahmen vergessen, die weiterhin gelten, um die Gefahr einer Ansteckung mit dem Coronavirus zu mindern. Menschengruppen, ohne Abstand, ohne Mund-Nasen-Schutz: Solche Bilder gab es in den Abendstunden in der gesamten Landeshauptstadt zu sehen. Im Zentrum der Aufmerksamkeit aber stand – nicht zum ersten Mal – das Nachtleben am Obstmarkt.

Die Sperrstunde für die Lokale auf 22 Uhr vorverlegen, eine Besucher-Obergrenze für den Platz festlegen oder gar das gesamte Areal schließen – diese Vorschläge lagen im Bozner Stadtrat auf dem Tisch. Und sorgten für zum Teil heftige Kritik. Nach einem Treffen mit dem Komitee für die Öffentliche Ordnung und Sicherheit, bei dem auch Regierungskommissar und Quästor sowie die Berufsverbände anwesend waren, fällte Bürgermeister Caramaschi am Mittwoch Nachmittag schließlich seine Entscheidung. Ein Ess- und Trinkverbot im Freien kommt. Und zwar nicht nur auf dem Obstmarkt, sondern in der gesamten Stadt.

 

Probeweise verbieten

 

Es soll zunächst ein Experiment sein, das versuchsweise am Pfingstwochenende bis einschließlich dem Staatsfeiertag am Dienstag erprobt wird, erklärt der Bozner Bürgermeister. Konkret hat er in seiner Verordnung folgendes festgelegt:

Auf öffentlichen und öffentlich zugänglichen Flächen im Umkreis von Restaurants, Bars und anderen Gastronomielokalen dürfen weder Speisen noch Getränke konsumiert werden. Das Verbot gilt auf dem gesamten Stadtgebiet vom 29. Mai bis 2. Juni, jeweils von 20 Uhr bis um 2 Uhr des Folgetages. Ausdrücklich ausgenommen sind jene Flächen, die von den Lokalbetreibern laut Konzession genutzt werden. Wer also einen Außenbereich mit Sitzgelegenheiten wie zum Beispiel einen Gastgarten hat, dessen Gäste dürfen dort auch ihre Getränke und Speisen verzehren – unter Einhaltung der Sicherheitsvorschriften. Stadtpolizei und Ordnungskräfte werden kontrollieren und bei Verstößen Geldbußen verhängen.

Dieses Verbot sei nicht nur notwendig, um Menschenansammlungen zu unterbinden und damit das Ansteckungsrisiko zu reduzieren, sondern in Folge auch, um zu vermeiden, “dass für die gesamte Stadt erneut Ausgangsbeschränkungen verhängt werden müssten”, hält Caramaschi in der Verordnung fest.

 

Ganz und gar nicht entspannt

 

Den Bozner Lokalbetreibern hingegen steht nun ein alles andere als entspanntes Pfingstwochenende bevor. Während etwa die Gemeinde Meran der Gastronomie mehr öffentliche Flächen zugesteht, um Einbußen durch die aufgrund der Abstandsregeln reduzierten Anzahl an Tischen abzufedern, nimmt Bozen Platz weg. Dadurch werden sich allerdings nicht automatisch weniger Menschen zum Aperitiv, Abendessen oder Feiern ins Freie begeben. Daher müssen die Gastwirte streng darauf achten, dass sich in ihrem Lokalbereich nicht zu viele Leute aufhalten. Wird dort nämlich gegen den Mindestabstand oder die Maskenpflicht verstoßen, droht die vorübergehende Schließung des Lokals. Dazu kommen – vor allem für Bars und Pubs – Einnahmensverluste, weil weniger Menschen im bzw. um das Lokal Platz finden werden.

Indes verwehrt sich die SVP-Landtagsabgeordnete Jasmin Ladurner gegen “die pauschale Verurteilung der Jugend” im Zusammenhang mit den missachteten Corona-Vorschriften im Nachtleben. “Der Drang ins Freie und zur mehr Bewegung nach dem Winter und nach wochenlangem Lockdown ist verständlich und ein gutes Zeichen. Dass es hier zu manchen Übertretungen kommt ist zwar bedauerlich, aber menschlich”, findet Ladurner. Es sei aber “unfair, dass wegen einigen Unverbesserlichen die Jugend allgemein als disziplinlos dargestellt wird – es gibt über alle Generationen hinweg Menschen, die persönliche Einschränkungen ablehnen und sinnvolle Regeln ignorieren”.

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Franz Oberhofer Do., 28.05.2020 - 11:49

Ich finde diese Maßnahme schändlich. Diese Maßnahmen haben genau jene gefordert, die das Nachtleben auch aufgrund des Lärms abwürgen wollen, nur jetzt tut man es unter dem Deckmantel des vermeintlichen Gesundheitsschutzes.
Die Betriebe im Zentrum leben davon und haben bereits genügend finanzielle Einbußen hinnehmen müssen. Und dass diese Maßnahme als "probeweise" etikettiert wird, macht mir am meisten Sorgen. Wo führt das hin?! Einfach nur schändlich!

Do., 28.05.2020 - 11:49 Permalink
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Lorenz Pichler Do., 28.05.2020 - 12:50

Es ist traurig zu lesen, dass eine Stadt wie Bozen die eh schon ein dürftiges Nachtleben anbietet, jetzt hergeht und der Jugend die Schuld in die Schuhe schiebt. Wo sollen die bitte hin? Die Höhe dabei ist, dass es nicht mal eine Alternative gibt, vielleicht hat man sich dazu auch nicht die Zeit genommen an eine solche nachzudenken. Man kann Junge Menschen nicht einfach aus-/einsperren, ihnen das verbieten was ihnen als Junge Menschen eben genau jetzt am wichtigsten wäre, der soziale Kontakt zu gleichgesinnten. Bozen sollte sich wirklich Gedanken machen, wie wir mit unserer Jungend in Zukunft umgehen wollen, es gibt genügend Nachbarn die das ganz gut hinbekommen. Man kann sich auch mal was abschauen, man muss nicht immer das Rad neu erfinden...

Do., 28.05.2020 - 12:50 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Do., 28.05.2020 - 15:50

Ja genau Frau Ladurner, Bewegung vor den Lokalen in der Bozner Innenstadt, da wird unsere Jugend mal richtig Kilometer schrubben, beim Bier holen. Gibt's was besseres für die Gesundheit?

Do., 28.05.2020 - 15:50 Permalink