Wirtschaft | Bozner Bauten

Chronik Cadornastraße

Seit Jahren zermürbt ein Rechtsstreit die Anrainer der Ex-Tennisplätze an der Talfer. Nun zieht man wieder vor Gericht und klagt: “Hier sollte sich jemand bereichern.”

Eigentlich hört sich die Sache harmlos an: Auf den ehemaligen Tennisplätzen in der Bozner Cadornastraße sollen zwei Gebäude errichtet werden, neuer Wohnraum für den Mittelstand entstehen. Vor einigen Wochen fuhren die ersten Bagger und Baumaschinen auf, nun wird auf dem seit Jahren brach liegenden Grundstück gebaut, mit Hochdruckgeschwindigkeit. 18 Monate sollen die Arbeiten dauern. “Ja, man hat es sehr eilig bekommen”, meint Rechtsanwalt Manfred Natzler. Er ist allerdings nicht daran interessiert, dass die Bauarbeiten in dem Tempo weiter gehen. Im Gegenteil, geht es nach Natzler, sollen sie so schnell als möglich gestoppt werden.

Der Bozner Anwalt vertritt einige jener Personen, die im Kondominium Verena leben und nun vor Gericht ziehen. Das Kondominium grenzt an die ehemaligen Tennisplätze an, so manch einer seiner Bewohner hat bereits einen jahrelangen zermürbenden Rechtsstreit hinter sich. Doch das, was sich gerade hinter ihrem Heim abspielt und so harmlos scheint, ist für die Kondominiumsbewohner ein Skandal. Sodass man beschlossen hat, beim Verwaltungsgericht Rekurs einzulegen, um die Aussetzung der Baugenehmigung zu erwirken. Am 3. November der erste Termin vor Gericht. “Hier geht alles gegen das Gesetz”, sind sich die Rekurssteller sicher, “und das schon seit Jahren”.


Schon seit Jahren…

Die Geschichte beginnt in den 1980ern. Leopold Larcher hat ein gut 4.000 Quadratmeter großes Grundstück nahe der Talfer von seinem Vater geerbt. Als begeisterter Tennisspieler und -lehrer macht er das Naheliegende und eröffnet eine Tennisanlage. Larcher schließt eine Konvention mit der Gemeinde Bozen ab und führt die Tennisplätze von 1988 bis 2001 als öffentliche Sportzone. Dann wird der Betrieb eingestellt, die Sportstätte den Launen der Natur überlassen. Anfang der 2000er Jahre geht das Grundstück an die private 3L GmbH über. Hinter dem Kürzel verbergen sich die Namen der drei Männer, die die Gesellschaft zu diesem Zweck gegründet haben: Leopold Larcher, Stefan Laimer und Klaus Ladinser. Der Wert des Grundstücks wird damals auf 677.000 Euro geschätzt.
Schon bald wird klar, dass die drei Herren dort, zwischen Talfer und Cadornastraße, Wohnungen errichten wollen. Als Zweck der 3L GmbH scheint im Handelsregister der An- und Verkauf sowie der Bau von Immobilien jeglicher Art auf. 2009 tritt Klaus Ladinser aus der 3L GmbH aus. Seinen Anteil übernimmt der Villanderer Bauunternehmer Alois Rabensteiner, der auch jenen von Stefan Laimer ersteht und somit neben Leopold Larcher nun der einzige Miteigentümer ist.

Rot eingezeichnet das Kondominium Verena. Dahinter, zwischen Kondominium und den Sportplätzen nahe der Talfer sollen 52 Mittelstandswohnungen enstehen.

Die 3L veräußert die Tennisplätze für den stolzen Preis von knapp 7,7 Millionen Euro.

Im Dezember 2011 beschließt der Bozner Gemeinderat, das Grundstück in der Cadornastraße für den Bau von Wohnungen für den Mittelstand heranzuziehen. Gleichzeitig bemächtigt er die Gemeinde Bozen, mit dem Land eine Konvention abzuschließen, die die Ausweisung der Bauzonen für Mittelstandswohnungen beschleunigen soll. Erst nach Abschluss dieser Konvention, die von den gesetzlichen Bestimmungen im Bereich Wohnungsbau vorgesehen ist, hätte dort geförderter Wohnbau stattfinden können. Die Konvention zwischen Gemeinde Bozen und Land Südtirol kommt aber nie zustande. Die Erfüllung der Baupläne der 3L Gmbh hingegen rücken ein Stück näher.
 

Der Verzicht

Denn zwei Jahre später, 2013, löst die Gemeinde schließlich die Konvention für die Führung einer öffentlichen Sportzone mit dem Eigentümer 3L auf. Gleichzeitig verzichtet die Gemeinde auf die Kaufoption, die sich für sie durch die Auflösung der Konvention laut Gesetz ergibt. Art. 16 des Urbanistikgesetzes 13/1997 besagt nämlich, dass die Gemeinde Flächen, auf denen Bauwerke und Anlagen von öffentlichem Belang errichtet und von Privaten mittels Konvention geführt werden, “bei Verfall der Zuweisung” enteignet und zum halben Preis erworben werden können – damit die Fläche weiterhin der Allgemeinheit zugute kommen kann.

Die vorgesehene Baudichte und -höhe sind höher als jene der angrenzenden Gebäude.

Als die Gemeinde auf diese Option verzichtet, beträgt der Schätzpreis des besagten Grundstücks knapp 3,2 Millionen Euro. Sprich, die Gemeinde hätte die ehemaligen Tennisanlagen um rund 1,6 Millionen Euro übernehmen können. Macht sie aber nicht und stützt sich dabei auf ein Gutachten der Rechtsabteilung des Landes. Darin heißt es: “Nachdem die Gemeinde Bozen nicht beabsichtigt, diese Anlage weiter zu betreiben beziehungsweise sie für den Allgemeingebrauch zu bestimmen, sondern die Flächen, auf denen sich die Anlage befindet, für Mittelstandswohnungen zu verwenden, muss die Auffassung vertreten werden, dass die Voraussetzungen für die Anwendung von Art. 16 des Landesgesetzes 13/1997 nicht mehr gegeben sind.”


Die Umwidmung

2013 ist das Grundstück in der Cadornastraße allerdings immer noch als öffentliche Sportzone ausgewiesen. Das ändert sich am 17. Juni 2014, als die Landesregierung die notwendige Bauleitplanänderung beschließt. Der Bozner Gemeinderat hat bereits Anfang Mai sein Ok gegeben. Die öffentliche Sportzone wird in eine Erweiterungszone umgewandelt und damit bebaubar gemacht. Im Bauleitplan fehlt allerdings die Bindung der Fläche an das Wohnprogramm Mittelstand. Nichtsdestotrotz erlässt der Bozner Stadtrat am 22. Oktober 2014 den Durchführungsplan, mit dem die Wohnbauerweiterungszone “Cadornastraße” einstimmig genehmigt wird.

Klaus Ladinser: Alberto Filippi glaubt ihm nicht. Foto: Gemeinde Bozen

Die Gemeinde hat sich ihrer Ansicht nach ein weiteres Versäumnis zu Schulden kommen lassen und das Zuweisungsverfahren für Flächen des geförderten Wohnbaus einfach umgangen.

Den Vorsitz der Sitzung hat an diesem Tag Klaus Ladinser, der den abwesenden Bürgermeister Luigi Spagnolli vertritt. Als ihm später vorgeworfen wird, überhaupt an der Abstimmung teilgenommen und damit seinen ehemaligen Geschäftspartnern in die Hände gespielt zu haben, winkt Ladinser ab. Er sei bereits 2009 “rechtzeitig” aus der 3L GmbH ausgestiegen und sehe daher keinen Interessenkonflikt.


Im Sand verlaufen

Sehr wohl ein Problem mit dem Gebaren des ehemaligen Vize-Bürgermeisters hat der Ex-5-Sterne-Gemeinderat Alberto Filippi. Die Bozner Grillini haben inzwischen in Erfahrung gebracht, dass Klaus Ladinser seinen Anteil an der 3L GmbH damals, 2009, um 5.000 Euro an Alois Rabensteiner abgegeben hat. Filippi glaubt nicht, dass dies die einzigen Gelder sind, die dabei flossen. Denn inzwischen hat sich an der Eigentümersituation bei den ehemaligen Tennisplätzen etwas Entscheidendes getan.

Die Gemeinde hätte die ehemaligen Tennisanlagen um rund 1,6 Millionen Euro übernehmen können, macht sie aber nicht.

Nachdem der Gemeinderat am 8. Mai die Bauleitplanänderung und damit die Umwandlung der Fläche in eine Wohnbauzone gutheißt, wird sie verkauft. Die 3L veräußert die Tennisplätze für den stolzen Preis von knapp 7,7 Millionen Euro, Mehrwertsteuer inklusive. Käufer sind die beiden Wohnbaugenossenschaften Laurino Coop (Confcoop) und Wolke 07 (KVW). Alberto Filippi macht eine Eingabe bei der Staatsanwaltschaft. Er ist überzeugt, dass Klaus Ladinser nicht die ganze Wahrheit sagt. Denn welcher Geschäftsmann gibt seinen Gesellschafteranteil um 5.000 Euro ab, und überlässt dadurch seinen beiden Partnern den Millionengewinn aus dem Verkauf des Grundstücks an die beiden Wohnbaugenossenschaften? Filippis Verdacht: Auf Umwegen, nämlich durch eine Beteiligung an einer Bozner Immobilienfirma, sei Ladinser “sein” Anteil an der Wertsteigerung vergütet worden. “Völlig absurd”, sagt der Verdächtigte selbst. Er ist sich sicher: “Die Ermittlungen werden im Sand verlaufen, weil da gar nichts zu finden sind.”

Gut einsehbar ist die Baustelle nicht. Doch es wird mit Hochdruckgeschwindigkeit gearbeitet: “Ja, man hat es sehr eilig.”

Weg frei (gemacht) für Baubeginn

Im Sand verlaufen sich auch die zahlreichen Rekurse, die Anwohner im Laufe der Jahre gegen die neue Wohnbauzone einreichen. Sowohl der Verzicht auf die Kaufoption 2013 als auch der Beschluss des Gemeinderats von 2014 sowie die Bauleitplanänderung und der Durchführungsplan werden beim Verwaltungsgericht Bozen und vor dem römischen Staatsrat angefochten. Bewegt hat sich bislang nichts. Im Dezember 2014 wird indes der Durchführungsplan für die Wohnbauerweiterungszone “Cadornastraße” erneut bestätigt. Die von den Bewohnern des an die ehemaligen Tennisplätze angrenzenden Kondominiums vorgebrachten Einwände lehnt die Gemeinde ab. Somit ist der Weg frei beziehungsweise “frei gemacht worden”, wie es unter den Bewohnern des Kondominiums Verena heißt.

Hier wurde alles so designt, dass sich jemand bereichert, sind die Kondominiumsbewohner von nebenan überzeugt.

Denn obwohl, wie erwähnt, das Grundstück im Bauleitplan nicht an das Wohnprogramm Mittelstand gebunden ist, erhalten sowohl die Laurino Coop als auch die Wolke 07 im Laufe des Jahres 2015 die nötigen Baukonzessionen, um mit den Bauarbeiten beginnen zu können. Dürften sie allerdings nicht, sind sich die Rekurssteller gegen die Baugenehmigungen einig. Denn die Gemeinde hat sich ihrer Ansicht nach ein weiteres Versäumnis zu Schulden kommen lassen und das Verfahren für die Zuweisung der Flächen des geförderten Wohnbaus einfach umgangen. Gesetzlich wäre vorgeschrieben, diese Zuweisung über eine Rangordnung vorzunehmen.
“Eine grobe Verletzung des Wohnbauförderungsgesetz”, klagen die Kondominiumsbewohner von nebenan. Darüber hinaus hätte aufgrund der fehlenden Konvention zwischen Gemeinde und Land mindestens 60 Prozent der Erweiterungszone dem geförderten Wohnbau vorbehalten werden. “Im vorliegenden Fall erfolgte hingegen eine 100 %ige Zuweisung an Private”, meinen die Anwohner.


Das Kubaturzuckerle

Dass es unter diesen Umständen keine Landesförderung für den Grundstückskauf gibt, darauf weist der Direktor der Landesabteilung Wohnungsbau, Wilhelm Palfrader, die Wohnbaugenossenschaft Wolke 07 Anfang April dieses Jahres hin. Trotzdem beschließt man, mit dem Projekt weiterzumachen. Und hat Grund, sich zu freuen. Denn ausgewiesen als Wohnbauzone C2, dürfen die Gebäude auf den ehemaligen Tennisplätzen höher als die umliegenden Häuser sein – bedeutet mehr Wohnungen. Insgesamt sollen 52 davon in der Nähe der Talfer entstehen, 35 für die Laurinocoop, 17 für die Wolke 07.

Wohnbauzone B: erlaubte Maximalhöhe von 10,5 Metern. Wohnbauzone C2: erlaubte Maximalhöhe von 23 Metern.

Tatsächlich sieht der Durchführungsplan für die Cadornastraße neben einer Gesamtfläche von 4.193 Quadratmetern eine Gesamtkubatur von 14.675 Kubikmeter vor. “Die Wohngebäude können maximal fünf Stockwerke hoch sein und eine Höhe von 16 m erreichen”, heißt es weiter. Die vorgesehene Baudichte und -höhe sind höher als jene der angrenzenden Gebäude, die in einer Wohnbauzone B liegen. “Dies ist aber dadurch gerechtfertigt, dass hier eine gut geeignete Bauzone intensiv genutzt wird”, heißt es aus der Gemeinde.


Eine schwerwiegende Mehrbelastung

Und es könnte sein, dass bald illustre Nachbarn in die Gegend ziehen. Unter den Mitgliedern von Wolke 07 findet sich auch der Name von Anna Pitarelli.

Doch ob es wirklich so weit kommt, hängt auch davon ab, was kommende Woche vor dem Verwaltungsgericht geschieht, ob der Aussetzung der Baugenehmigungen stattgegeben wird. “Wir haben eine ganze Reihe an Einwänden erhoben und alles in einen Rekurs gepackt”, sagt Rechtsanwalt Manfred Natzler, “denn das gesamte Vorhaben stellt für die Gegend eine schwerwiegende Mehrbelastung dar”.
Ganz so diplomatisch drücken sich die Rekurssteller selbst nicht aus. “Hier wurde alles so designt, dass sich jemand bereichert”, sind sie überzeugt. Sie sind des jahrelangen Konflikts Leid, aber aufgeben wollen sie nicht. Die Hoffnung, dass die Bagger und Baumaschinen wieder abziehen werden, ist da. Etwas Zuversicht kommt auch von Anwalt Natzler: “Hätte ich den Fall als aussichtslos angesehen, ich hätte den Rekurs nicht geschrieben.”

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Mensch Ärgerdi… Mi., 28.10.2015 - 12:01

"schwerwiegende Mehrbelastung"
Ja genau! Wer's glaubt wird selig. Hätte es keine Rekurse, Prozesse und Anwälte gegeben wenn alle Wohnungen doch geförderter Wohnbau wären? Wohl kaum. Die Leute im Kondominium wollen sich einfach nicht die Sicht auf die Talferwiesen versperren lassen und dadurch einen empfindlichen Wertverlust ihrer Immobilie. Also bitte, machen wir nicht aus Leuten die ihre eigenen Interessen vertreten gute Samariter. Ist ja nichts falsches daran. Jeder würde in dieser Situation alle Hebel im Bewegung setzen um sein eigenes Hab und Gut zu schützen.
Der restliche Artikel ist ziemlich interessant. Schon lustig wie die Stadtverwaltung so arbeitet, mal sehen was die Staatsanwaltschaft dazu sagt.

Mi., 28.10.2015 - 12:01 Permalink
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Rita Barbieri Mi., 28.10.2015 - 16:48

Die detailliert beschriebene und mit viel Aufwand zusammengetragene Chronik sollte auf Missstände politischer und verwaltungstechnischer Natur hinweisen und eine Lanze für das Kondominium „Verena“ brechen.

Was einem sehr abgeht, ist, dass man nicht wahrhaben will, dass so über 50 Familien in den Schlamassel hineingezogen werden.
Für die entstandenen Umstände können die betroffenen Genossenschaften am allerwenigsten.
Sie bestehen aus Angehörigen des sog. „Mittelstandes“, die endlich die Chance haben, im Rahmen einer Genossenschaft zu einem Eigenheim zu kommen.
Hier geht es eigentlich nur um vermeintlich politische Verfehlungen, um juristische Einwände und um den „verwehrten“ Blick der obersten Stockwerke des Nachbarwohnhauses auf Promenade und Rosengarten.

Herr Filippi beharrt weiterhin auf immer denselben, bereits abgewiesenen Argumenten, und die Nachbarn glauben doch nicht selbst ernsthaft daran, dass sie den freien Blick für immer und ewig gepachtet hätten in der Annahme, das brachliegende Grundstück vor ihnen würde niemals einer Umwidmung als Baugrund zugeführt werden.

Mi., 28.10.2015 - 16:48 Permalink