Kultur | Salto Weekend

Our Mind into a Brezel

Der Künstler Leander Schwazer servierte bei einer Ausstellungseröffnung in Stuttgart „Das Kapital“ von Karl Marx für die Ohren.
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Foto: Kunstverein Neuhausen

Geldkultur (zum Weltspartag am 31.10.)
Teil 1.

»Our mind into a brezel« nennt sich eine Ausstellung zu neuen Sichtweisen auf Tauschmittel, Finanzwelt und Ökonomie in Stuttgart, die vom 15. Oktober bis 4. Dezember in Stuttgart gezeigt wird. Am Eröffnungsabend gab es die Performance »Singing in the Capital« / »Das Kapital singen« nach einem Konzept des Künstlers Leander Schwazer zu sehen und zu hören.

Arbeitstag mit Lochkarten

„Der Arbeitstag“ ist ein Auszug aus der Klangskulptur „Das Kapital“ von Leander Schwazer. Konzeptueller Ausgangspunkt sind Textpassagen aus Karl Marx´ Werk, die mit Hilfe einer Stanzmaschine auf Lochkarten übertragen wurden. Die Buchstaben werden zu Generatoren der Lochkartencodierungen. Abgespielt werden die Lochkarten mit einer Spieluhr, die von den Besuchern selbst bedient werden kann. Der in Klang überführte Text von Marx kann vorwärts, rückwärts oder in Endlosschleife aufgeführt werden: Das alte Lied immer wieder von neuem. Lochkarten kamen Anfang des 19. Jahrhunderts in der Textilindustrie zum Einsatz. Damals wurden Webstühle erstmals durch Lochkarten gesteuert und führten so das binäre System aller datenverarbeitenden Maschinen und Computer ein. Die Einführung der neuen Technologie führte zu heftigen sozialen Auseinandersetzungen. In der Inszenierung für den Kunstverein Neuhausen hat Leander Schwazer gemeinsam mit Angelika Luz, Professorin für neue Musik an der Hochschule für darstellende Künste zusammen mit Pascal Zurek das Kapitel: „Der Arbeitstag“ performt.

Streben nach Geld

“It turns the mind into a brezel” ist ein Zitat des ehemaligen belgischen Notenbankers und Professors für internationales Finanzwesen Bernard Lietaer. Mit dieser Metapher beschreibt der ehemalige Notenbanker bildhaft die Auswirkungen des Geldes auf unser Denken und Bewusstsein. Die Gier und das Streben nach Geld lässt uns nicht mehr geradeaus denken, sondern nimmt sonderbare Verschlingungen und Verknotungen an, eben die einer geflochtenen Brezel. In der Kunst der zurückliegenden Jahrzehnte gibt es eine Reihe künstlerischer Positionen, die sich auf diese Thematik beziehen. Auch in anderen gesellschaftlichen Bereichen gibt es teilweise wenig beachtete Versuche, andere Formen des Wirtschaftens zu praktizieren. Die Grundidee von »Our Mind into a Brezel« ist, die einzelnen ökonomischen Gegenentwürfe zusammenzufassen und in einem mehrteiligen Kunstprojekt zu reflektieren.

Die eingeladenen Künstlerinnen und Künstler entwickelten Projekte, in denen das Finanz- und Wirtschaftssystem sowie das veränderte Verhältnis von Arbeit, Leistung und Lohn kritisch kommentiert werden – Konzepte zu anderen Ökonomien, Haltungen des Verzichts, der Verweigerung und der Subversion dem Phänomen der überdrehten Finanzwelt gegenübergestellt werden. Mit dabei sind auch zwei internationale Künstler, die (2015/2016) im kleinen Bergdorf Jenesien ausgestellt haben: Rainer Ganahl (D/A/ USA) im Gasthof Hirschen und Hans Winkler (D/USA) in der Bergstation der Seilbahn.