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North Stream 2 Pipeline: US-Sanktionen

Die neue Ostseepipeline soll mehr Gas aus Russland nach Europa bringen. Kurz vor Fertigstellung wollen die USA den Bau der Pipeline stoppen. Was sind die Hintergründe?
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Foto: Vuo (https://commons.wikimedia.org/wiki/File:Nord_Stream_pipe_in_Kotka.jpg), „Nord Stream pipe in Kotka“, https://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/legalcode

Am 20. Dezember hat die USA beschlossen Investoren sowie Firmen, die direkt am Bau der Pipeline Nord Stream 2 beteiligt sind, mit Sanktionen zu belegen. Amerika argumentiert die Sanktionen würden Europa und vor allem Deutschland vor einer zu großen Abhängigkeit von russischem Gas schützen.          

Die Nord Stream 2 Pipeline verläuft weitgehend parallel zur bereits seit 2011 bestehenden Nord Stream 1 Pipeline und soll ab Mitte 2020 Jahr 55 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr von Russland nach Westeuropa transportieren. Die aus zwei Leitungssträngen bestehende 1.230 Kilometer lange Pipeline wird von der russischen zur deutschen Küste durch die Ostsee verlaufen.

Schon seit längerer Zeit gibt es wegen des Baus dieser Pipeline Divergenzen zwischen Europa und den USA. Aber auch innerhalb der EU ist der Bau der Pipeline nicht unumstritten. Manche EU-Länder, wie Polen und andere osteuropäische Staaten fürchten eine zu starke Abhängigkeit von russischem Gas, sowie eine Schwächung alternativer Pipelines und traditioneller Transitländer. Befürworter der Pipeline, allen voran Deutschland argumentieren, dass die neue Pipeline  die Energie-Versorgungssicherheit in Europa erhöhe und zudem für günstigere Gaspreise sorge, im Vergleich zum teureren LNG*(Flüssiggas) aus den USA.  Anfang 2019 einigte sich die EU auf einen Kompromiss bezüglich Nord Stream 2.

Die Ukraine war von Anfang an gegen den Bau der Pipeline, da sie um den Ausfall von milliardenschweren Transitgebühren fürchtet. Kurz vor Weihnachten haben sich Moskau und die Ukraine unter Vermittlung der EU grundsätzlich auf eine Fortsetzung des Gastransit-Vertrags geeinigt, Details über Menge und Zeitraum sind noch offen.

Wem nützt die Nord Stream 2 Pipeline?

Alleiniger Eigentümer der Pipeline ist die russische Gazprom, das weltweit größte Erdgasförderunternehmen. Weitere Investoren sind im Energiesektor tätige Großunternehmen: ENGIE (Frankreich), OMV (Österreich), Shell (Niederlande), Uniper  (Deutschland) und Wintershall Dea (Deutschland).

Die Gazprom ist zu über 50% im Besitz des Russischen Staates. Wegen des Russland-Ukraine Konfliktes plant Russland den Gastransit durch die Ukraine zu reduzieren und bekommt durch die Nord Stream 2 Pipeline eine weitere Alternative. Es geht also beim Bau dieser Pipeline nicht nur um wirtschaftliche, sondern auch um geostrategische Interessen.

Aus der Perspektive Deutschlands dient die Pipeline vor allem der Energieversorgungssicherheit. Durch den Kernkraftausstieg und dem geplanten Ausstieg aus der Kohleenergie könnte es zu einer Versorgungslücke kommen, die durch höhere russische Gasimporte ausgeglichen werden soll.  Da die Gasproduktion in der EU kontinuierlich abnimmt und für die kommenden Jahre ein höherer  Gasverbrauch prognostiziert wird, müssen die europäischen Länder in Zukunft mehr Gas importieren. Durch den zunehmend integrierten und vernetzten EU-Gasbinnenmarkt dient das zusätzliche russische Gas auch der Versorgungssicherheit anderer EU-Länder.

Gründe für die US-Sanktionen

Als Folge der Fracking-Technologie haben die USA die Gasförderung seit Mitte des vorigen Jahrzehnts stark erhöht und weiten kontinuierlich ihre Exportkapazitäten aus, für die sie neue Absatzmärkte brauchen. Seit 2016 exportiert die USA Flüssiggas nach Europa und möchte sich in Zukunft auf dem Europäischen Markt stärker etablieren. Zusätzliches Gas aus Russland ist eine Konkurrenz für die Amerikaner, zumal der Preis für russisches Gas auch deutlich günstiger ist als der für amerikanisches Flüssiggas. Es geht also bei den Sanktionen in erster Linie um wirtschaftliche und geopolitische Interessen der USA und nicht, wie von offizieller Seite gesagt wird, um die Energiesicherheit für Europa.

Reaktionen auf die US-Sanktionen

Die Nord Stream 2 AG will die Pipeline trotz der US-Sanktionen fertigstellen. Der Schweizer Konzern "Allseas", der für die Verlegung der Pipeline-Rohre durch die Ostsee zuständig ist, hat seine Arbeiten nach Ankündigung der US-Sanktionen bereits eingestellt und seine Spezialschiffe abgezogen. Ob andere Firmen betroffen sein werden, ist bislang nicht bekannt.

Scharfe Kritik kommt aus Russland. Die USA würden einen „Wirtschaftskrieg“ führen. Präsident Putin hat bereits angekündigt, russische Schiffe für die Fertigstellung der Pipeline in die Ostsee zu entsenden.

Die deutsche Bundesregierung hat die US-Sanktionen auch scharf kritisiert. "Die europäische Energiepolitik wird in Europa entschieden, nicht in den USA", erklärte der deutsche Außenminister. Auch die EU-Kommission kritisierte die Sanktionen der USA.

Wie wichtig ist Gas aus Russland für die EU?

Gas spielt im Energiemix der EU eine wichtige Rolle und macht ungefähr ein Viertel der Energieimporte aus. 40% der Gasimporte bezieht die EU aus Russland, ungefähr ein Drittel aus Norwegen und circa 11% aus Algerien. Russisches und Norwegisches Gas wird größtenteils über Pipelines importiert, während Algerien 80 % über Pipeline und 20% als Flüssiggas nach Europa transportiert. Libyen exportiert Pipeline-Gas in die EU, während die restlichen Gasexporteure Qatar, Nigeria, USA, Trinidad, Peru, Ägypten und Angola Flüssiggas an die EU liefern.

Die größten Abnehmer von Russischem Gas innerhalb der EU sind Deutschland und Italien. 2018 importierte Deutschland 55,3 Milliarden Kubikmeter Gas aus Russland (55% seiner gesamten Gasimporte), während Italien 25,4 Milliarden Kubikmeter russisches Gas kaufte (40% seiner gesamten Gasimporte). Auch Frankreich, die Niederlande sowie die meisten anderen EU-Staaten importieren russisches Gas.

Führt Nord Stream 2 zu mehr Abhängigkeit von Russischem Gas?

Tatsache ist, dass der Marktanteil von importiertem Russischem Gas in die EU, der jetzt bei circa 40% liegt, mit der Inbetriebnahme der Nord Stream 2 Pipeline noch höher wird. Aber es geht nicht nur um den Marktanteil, sondern um die Marktmacht. Vor 10 Jahren war Russlands Marktanteil kleiner, aber seine Marktmacht gegenüber Europa viel größer. Die EU ist heute bei der Gasversorgung viel besser aufgestellt, als sie es noch vor zehn Jahren war. Viele neue Gasexporteure bieten Europa Gas in Form von Flüssiggas an und die notwendige Infrastruktur für Flüssiggas ist bereits vorhanden und wird weiter ausgebaut. Sollte Russland den Gashahn zudrehen, (was nicht anzunehmen ist, da es dringend die Devisen aus dem Gasverkauf braucht) gäbe es Alternativen. In den Jahren 2006 und 2009 hat Russland die Gaslieferungen über die durch die Ukraine führende Pipeline nach Europa kurzfristig stark gedrosselt. Auslöser war ein Streit zwischen Russland und der Ukraine, der sich auf die Gaspreise und die Transitgebühren bezog. Inzwischen gibt es aber neben diversen Flüssiggas-Anbietern, alternative Pipelines, die nicht mehr die Ukraine durchqueren.

Umweltpolitische Aspekte

Umweltorganisationen kritisierten von Anfang an den Bau der Nord Stream 2 Pipeline. Anstatt dieses milliardenschwere Projekt zu bauen, das wieder umweltschädliche fossile Energie fördere, solle man lieber in erneuerbare Energien investieren. Gas ist zwar weniger umweltschädlich als Kohle und Erdöl, aber bei der Verbrennung von Gas entstehen auch CO2 Emissionen und Stickoxide. Kritiker verweisen auch auf die ökologischen Schäden, die durch den Bau der Pipeline entstehen. Die Trassenführung von Nord Stream 2 führe durch vier Meeresnaturschutzgebiete und verursache irreparable Schäden der empfindlichen Meeresumwelt der Ostsee.

Fazit

Bei den von den USA verhängten Sanktionen geht es vor allem um wirtschaftliche und geopolitische Interessen und weniger um die Sorge über eine zu starke Abhängigkeit Europas von russischem Gas. Auch für Russland ist die Nord Stream 2 Pipeline nicht nur wirtschaftlich wichtig, sondern auch von geopolitischer Bedeutung (alternative Transitroute). Über die Notwendigkeit der neuen Ostseepipeline für Europa hätte sich die EU vor der Genehmigung des Projektes Gedanken machen müssen. Bleibt abzuwarten, wieviel Einflussnahme der USA die Europäer akzeptieren. Zu einer Verzögerung der Fertigstellung und zu einer Verteuerung der Pipeline wird es allemal kommen.

*LNG ist verflüssigtes Gas. Es wird in einer Gasverflüssigungsanlage auf -164 °C abgekühlt und unter atmosphärischem Druck verflüssigt, so dass das ursprüngliche Volumen des Erdgases auf ein Sechshundertstel reduziert wird. LNG wird dann in LNG-Tankern transportiert. Im Importland wird das Gas in speziellen LNG Terminals (Regasifizierungs-Terminals) wieder in seinen gasförmigen Zustand zurückversetzt, bevor es in die Verteilerpipelines eingespeist wird.

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Weiser Mann Fr., 27.12.2019 - 05:50

Sehr guter, informativer und professionell verfasster Artikel. Deshalb sollte diesem User-Beitrag von der Redaktion mehr Sichtbarkeit gegeben werden. Gas ist zudem auch in der ganzen Umwelt-Diskussion ein wichtiges Thema.

Fr., 27.12.2019 - 05:50 Permalink
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Sepp.Bacher Fr., 27.12.2019 - 20:00

Herr Lechner, "Auch Erdgas bildet beim Verbrennen CO2...", aber wohl in einem geringeren Maße? Oder warum sind Gas-angetriebene Autos deutlich weniger Umwelt-schädlich?

Fr., 27.12.2019 - 20:00 Permalink