Politik | Landesregierung

Kompatscher stellt die Vertrauensfrage

Was wird heute passieren? Die Haushaltsdebatte im Südtiroler Landtag ist im vollen Gange, seit 10 Uhr. Und Arno Kompatscher verbindet dessen Verabschiedung mit der Frage, ob er bleibt oder zurücktritt.

Seit Wochen schwebt die Frage über Kompatscher: Die Landesregierung umbilden oder nicht? Persönliche Konsequenzen aus dem Rentenskandal ziehen oder nicht?

Heute nun hat Arno Kompatscher doch Nerven gezeigt. Er werde im Zuge der Abstimmung über den Haushalt eine Art Vertrauensfrage stellen. Wenn die Abstimmung über den Haushalt nicht erfolgreich ausfalle, werde er zurücktreten und den Weg frei machen für Neuwahlen. Nur nach dieser Klärung könne man weiterarbeiten. Er werde sich jedenfalls in Demut nach der Entscheidung des Landtags richten.

In seiner Rede "Aufräumen und Arbeiten" ging Kompatscher vor allem auf die Politikerrenten ein. 

Der Rentenskandal sei ein Versagen der Südtiroler Politik. Die Wut der Bürger betreffe heute alle Institutionen und alle Politiker, linke wie rechte, alte wie neue, Mehrheit wie Opposition. Um das Vertrauen wieder zu gewinnen müsse man die Angelegenheit so schnell wie möglich bereinigen - indem man auch rückgängig mache, was rechtlich rückgängig gemacht werden könne - und mit der Arbeit beginnen, zu der man berufen wurde. Man wisse inzwischen von Experten, dass es möglich sei, gewisse Entscheidungen rückgängig zu machen. Man werde den entsprechenden Entwurf bald dem Regionalrat vorlegen. In Zukunft sollen in der Region keine Renten mehr an Politiker ausgezahlt werden, sie sollen selber für ihre Altersvorsorge einzahlen. Die Einsparungen sollen für soziale Maßnahmen verwendet werden.

Obwohl diese Botschaft schon seit Wochen nach außen vermittelt wurde, vergehe kein Tag, an dem nicht die Legitimation der Landesregierung in Frage gestellt werde. Dauernd werde auch nach einer Umbesetzung der Landesregierung gerufen, besonders durch die "Schlagzeilenbastler" gewisser Medien. So könne man nicht weiterarbeiten, wenn man sich des Vertrauens nicht sicher sei. 

Kompatscher ging im Detail auf jene Schritte ein, die bereits im Regierungsprogramm angekündigt wurden und sich nun im Haushalt wiederfinden. Das Leitmotiv war damals wie heute: mehr Freiraum für die Bürger, aber auch mehr Verantwortung. In diesen Rahmen gehören die steuerlichen Entlastungen von insgesamt 93 Mio. Euro, über Irpef-Zuschlag, Gemeindeimmobiliensteuer und Irap. Auf der anderen Seite wird die Wirtschaftsförderung überdacht: Darlehen statt Beiträge, Schwerpunkte statt Gießkanne. Ausnahmen vom Sparkurs gibt es für die Wohlfahrt, Arbeitsplätze und Bildung. Diese neue Politik sei von den Sozialpartnern überraschend gut aufgenommen worden, weil sie auch in die Erarbeitung eingebunden worden seien.

Als offene Baustellen stellte Kompatscher die italienische Verfassungsreform - mit einer Neuabgrenzung der Zuständigkeiten zwischen Staat und Regionen und mit der Umwandlung des Senats in eine Kammer der Regionen - und die Reform des Autonomiestatuts, die ein breit aufgestellter Autonomiekonvent erarbeiten, zu der das letzte Wort aber ein gewichtiges Wort mitzureden habe. Bei Verteidigung und Ausbau der Autonomie werde man sich nicht mehr mit Verträgen abspeisen lassen, man strebe eine Verankerung auf höherer Ebene an. Wie beim Konvent soll eine breite Beteiligung der Gesellschaft auch bei anderen Angelegenheiten zur Praxis werden. Etwa beim neuen Kulturgesetz, das Kompatscher für den Herbst ankündigte: die Kulturpolitik soll ein sprachgruppenübergreifendes Fundament bekommen und sich vom Zelgerschen „Je besser wir trennen..." abwenden.

Eine breite Einbindung - Mehrheit, Opposition, Wirtschaft und Gewerkschaften - kündigte der Landeshauptmann schließlich auch bei der grundlegenden Überarbeitung des Haushalts. Die Zukunft des Landes neu zu denken, dies sei die größte Herausforderung dieser Legislatur.

 

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△rtim post Sa., 29.03.2014 - 14:05

Kompatscher glaubte man als positive neue Südtiroler Politfigur zu kennen. Der neue Obama! Seine Strategie jetzt der Rücktrittsdrohung und Ankündigung im Falle von … und im Falle, dass … – sagt viel über diesen Strategen aus und lässt tief blicken. Leider auch, wie er seine Partei und die Südtiroler Bevölkerung sieht. Hier demontiert sich ein Landeshauptmann selbst.
Jeder weiß, dass eine Regierung, die nicht das Vertrauen des Landtags hat, handlungsunfähig wäre und Neuwahlen in letzter Konsequenz mit sich bringen. Einfach billig!
Das Ergebnis der Abstimmung ist aufgrund der Verfassheitheit des Landtags das Ergebnis mehr als absehbar!
Die Opposition, mit Ausnahme von 5-Stelle, spielten ja auch keine bessere Rolle.
Aber in Südtirol will uns dieser Politstratege jetzt solche Banalität als Befreiungsschlag verkaufen und gleichzeitig die aufmüpfige Bevölkerung (Jakobiner!) und Medien warnen, anstatt sich als Teil der Machtelite ein wenig ehrlich zu machen. Früher nannte man dies Lauterkeit.
Ein Landeshauptmann, der seine Legitimtion von jenen ableitet, die sich Millionenrenten selbst genehmigt haben und die Bevölkerung darüber vor und lange nach den letzten Wahlen in Unkenntnis ließ, macht sich wohl kaum glaubwürdig, sondern eher im Gegenteil, fragwürdig, ja - in Ermangelung jeglichen Vertrauens - mehr als verdächtig - zumindest der Komplizenschaft.

Lieber greift unsere politische Elite (einschließlich jener der meisten Oppositionsparteien) da zur Strategie der Basta-Politik, des Aussitzens und Ignorierens (Zeller Leitner u.a.)… Vorgabe der Gefahr der Unregierbarkeit …
Aber aufgemerkt: Angesichts dieser Katastrophe und solcher Erschütterungen waren solche Strategien noch nie (mittel- und langfristig) zielführend.

Sa., 29.03.2014 - 14:05 Permalink
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Christoph Wallnöfer Sa., 29.03.2014 - 17:12

Nach all dem, was ein großer Teil der derzeit amtierenden Südtiroler Landtags-"PolitikerInnen" geleistet hat, sind diese die falschen Adressaten für die Vertrauensfrage.

Die Vertrauensfrage ist - nach all dem was bisher ans Tageslicht gekommen ist, und wahrscheinlich immer noch lediglich die Spitze des Eisbergs zeigt - meiner Ansicht nach einzig und allein den Wählerinnen und Wählern zu stellen. Also Neuwahlen, und zwar je früher desto besser.

Bei der Gelegenheit kann Arno Kompatscher dann auf ganz praktische Weise zeigen, was er wirklich für eine funktionierende Demokratie übrig hat.

Zwei Vorschläge dazu:

1. Gleichzeitig mit den Landtagswahlen auch 2 (oder mehrere) verschiedene Gesetzesvorschläge zur Direkten Demokratie zur Abstimmung bringen (= kostengünstige Möglichkeit den Willen der Bevölkerung darüber zu erfahren). Sollten dafür die rechtlichen Voraussetzungen nicht gegeben sein, dann können diese sicherlich entsprechend angepasst werden (bei dem was bei uns in Südtirol sonst alles möglich war/ist dürfte dies das kleinste Problem darstellen ...)

2. Vor den Wahlen das Wahlalter auf 16 Jahre senken (falls rechtlich möglich), ist meiner Meinung nach längst überfällig.

Sa., 29.03.2014 - 17:12 Permalink