Chronik | Familientragödie

Warum?

Was treibt einen Vater dazu, seine Kinder auf brutale Weise umzubringen? Antwortversuche auf den erweiterten Suizid in Trient.
Absperrung der Carabinieri
Foto: upi

Es ist eine Tat, die nach Antworten schreit: Ein bisher sozial unauffälliger Vater erschlägt seine zweieinhalb und vier Jahr alten Söhne und bringt sich anschließend um, in dem er sich oberhalb der Stadt in die Tiefe stürzt. Der erweiterte Suizid  des 45-jährigen Gabriele Sorrentino, der sich am Montag Vormittag in Trient ereignete, beschäftigt heute alle lokalen und nationalen Medien. Wie immer in solchen Fällen wird bei der Frage nach dem Warum psychiatrische Expertise zu Raten gezogen. Was bewegt einen Menschen, noch dazu einen laut bisherigem Ermittlungsstand unauffälligen und liebevollen Familienvater, zu solch einer Wahnsinnstat? „Eine depressiv-wahnhafte Sicht der Realität, die ihm wahrscheinlich das Gefühl gab selbst nicht mehr existieren zu können und zu dürfen – und die Schwächsten seiner Liebsten nicht schutzlos zurücklassen zu können“, lautet ein möglicher Erklärungsversuch des Brunecker Psychiaters Roger Pycha. Gerade weil die Mutter und die älteste Tochter der Familie verschont blieben, geht Pycha in dem Fall nicht von einem unter männlichen Tätern oft verbreitetem aggressiven Antrieb aus. In Folge von  Trennungen und  damit verbundenen emotionalen Verletzungen kann dann mit solchen Verzweiflungstaten versucht werden, die Partnerin oder Ex-Partnerin zu bestrafen, indem man ihr das Liebste nimmt. Darauf lassen die bisher bekannten Detail der Trientner Tat nicht schließen, meinte Pycha im Morgentelefon von RAI Südtirol. „Hier könnte eher der Gedanke der Hilflosigkeit im Vordergrund gestanden sein, also, dass die  beiden Kleinen es  ohne ihn nicht schaffen, während die größere Tochter und die Frau eher eine Überlebenschance haben. "

In eine ähnliche Richtung geht auch der Erklärungsversuch des Bozner Neuropsychologen und Gerichtsgutachters Michele Piccolin. In vielen Fällen sei bei solchen Kindesmorden ein pathologischer Narzismus Antrieb, der durch Besitzanspruch, die Überzeugung der Nabel der Familie zu sein bzw. das verzerrte  Bild, das man sich selbst von der eigenen Familie geschaffen hat, genährt wird, erklärt er im Interview mit der Tageszeitung Dolomiten. Auch wenn finanzielle Probleme, Streit oder andere Stressmoment unmittelbarer Auslöser solcher Verzweiflungstaten sein können, seien sier nie die Ursache. Vielmehr quälen sich potentielle Täterinnen oder Täter laut Roger Pycha in solchen Fällen immer wieder und wieder mit solch wahnhaften Gedanken – gegen die sie sich zum Glück in den meisten Fällen erfolgreich zur Wehr setzen können.

Vorherzusehen sind solche Taten äußerst schwer bis unmöglich, sind sich die befragten Psychiater einig. Denn häufig handle es sich um unauffällige Menschen, die nach außen hin keinerlei Anzeichen für den Kampf geben, der in ihnen tobt. Umso wichtiger sei es bei sich abzeichnenden Notfällen so rasch wie möglich Hilfe zu holen - sei es über die Notrufnummer 118, Polizei oder Carabinieri - um die betreffende Person auch gegen ihren Willen direkt in psychiatrische Behandlung zu bringen.