Politik | Eiertreter*in

Job sucht Jobber

Saisonale Arbeitslosigkeit, Corona-bedingte Arbeitslosigkeit und oben drauf der Bankrott dieser Firma. Ich sage nur: Ka·ta·stro·phe!
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Foto: Pixabay

Wie zum Geier sollen wir die bloß alle vermitteln!? Wissen Sie, das ist bei deren Durchschnittsalter schwierig. Die Qualifikationen so lala - also wirklich gut nur im Spesenabrechnen. Und der Ruf der Branche insgesamt… Ich vergaß mich vorzustellen: Goggel Totsch, Ausbildungs-, Studien- und Berufsberatung Südtirol. Sie erreichen uns für eine Terminvereinbarung unter 0471/413350. Zur Zeit sind wir aber völlig überlastet. In drei, vier Wochen haben wir vielleicht einen Slot.
Wir hätten vorbauen können. Klar. Es war ja abzusehen, dass dieser Großbetrieb den Bach runter geht und die Leute auf der Straße stehen: Seit Jahren finanziell in schweren Wassern navigierend. Null Cashflow. Dann dieses seltsame Konstrukt mit der Doppelspitze, wo du nie sicher warst, wer für was zuständig ist: Führungsschwäche, hat das einer zusammengefasst. Und nicht zu vergessen das Geschäftsmodell, leicht anrüchig, irgendwie mafiös, wo ganz viel mit Gefälligkeiten, Erpressung und Korruption mit undurchsichtigen Geldflüssen einher ging. Traditionsreicher Betrieb hin oder her; es war nur eine Frage der Zeit, wann dieses Auslaufmodell hoch geht. Nichtsdestotrotz hat das schnelle Ende dann doch überrascht - also uns und jetzt müssen wir Überstunden schieben, um die ganzen Leute wieder in Arbeit zu bringen.
Das Gros der Wiedereingliederungen in den Arbeitsmarkt, Umschulung, Frühpensionierung, wenn so ein Koloss von einem Tag auf den anderen dicht macht, erledigen die Kollegen in der Bozner Schlachthofstraße - Pardon, Kanonikus-Michael-Gamper-Straße (wie man eine Straße einem Pfaff und Antisemit widmen kann, bleibt mir weiterhin ein Rätsel). Da aber unsere Klientel zumeist pubertierende Teenager sind, wir also Expertise mit trotzigen, Testosteron-gesteuerten Jungs haben, hat man uns für die ganz schwierigen Fälle zu Rate gezogen. Damit sie sich ein besseres Bild von meiner Arbeit machen können, schildere ich mal drei, vier Fälle, die zur Zeit auf meinem Schreibtisch liegen. Aus Privacygründen nenne ich nur die Vornamen, weil Privacy ist mir total wichtig.

Luis

Der einfachste Fall, weil der Luis sehr einfach gestrickt ist. Aber irgendwie auch verhaltensauffällig. Unser Psychologe hat ADHS – Aufmerksamkeits-Defizit-Hyperaktivitäts-Störung gepaart mit Altbauer-Syndrom diagnostiziert: Bioäpfel mit Agrios-Pestizide spritzen, kleine Kälbchen im Laufstall anbinden, das Mangoldbeet mit Glyphosat behandeln – weil der Luis zuwenig Aufmerksamkeit, sprich Huldigungen gekommt, wird alles was der Jungbauer anders machen will sabotiert.
Deshalb wollen wir den Luis aus seinem sozialen Gefüge herauslösen, das diese Reaktionen triggert und suchen einen Heimplatz mit attraktivem Animationsprogramm, wie Topflappenhäckeln, Korkbasteleien oder Seniorentanz. Etwas wo er beschäftigt ist. Leider sind Altersheimplätze rar, obwohl Corona für eine gewisse Entspannung gesorgt hat. Wir durchforsten schon jeden Tag die Todesanzeigen in diesem Jagdblatt, wo immer über Wolf und Bär geschrieben wird und rufen dann im Heim an. Bis jetzt kein Glück. Sollten Sie von einem freien Platz wissen, bitte, bitte kontaktieren sie uns. Als Dankeschön würden wir Sie zum nächsten Geburtstag vom Luis einladen. Die Feier ist immer ganz reizend. Da kommen ehemalige Kollegen mit zwei Erstkommunikanten zum Gedichtaufsagen und einem Kamerateam des „Boazner“ im Schlepptau und der Luis erzählt dann Anekdoten aus seinem Berufsleben: Wie er im Felsenkeller nach der vierten Flasche Lagrein walsche Minister über den Tisch gezogen hat oder vom Versuch die Zusammenstellungen der Landesregierung zu beeinflussen, damit sein Patenkind mit seinen Spielzeugbussen spielen kann.

Arno

Also der Arno hat zwar studiert und auch schon in der Privatwirtschaft gearbeitet, ist aber dann etwas auf die schiefe Bahn geraten und hat sich mit Leuten eingelassen, die ihm - um es milde auszudrücken - nicht sonderlich gut getan haben. Er will auf jeden Fall nicht zurück in die Seilbahnbranche. Der Betrieb für den er vor Äonen gearbeitet hat, feilscht zur Zeit um eine Pendelbahn, die man mit 70, 75, 80 Prozent Landesgelder (warum weiss keiner) in die Landschaft gestellt hat. Anscheinend zu groß gebaut und noch dazu ohne Benutzungsgenehmigung in Betrieb genommen hat. Obwohl die Bahn über 20 Millionen Euro gekostet hat, soll sie jetzt von seinem ehemaligen Arbeitgeber für 500.000 Kröten übernommen werden… Langer Rede, kurzer Sinn: Eier! Und der Arno hat jetzt erst mal genug von Eiern. Wenn er nur an Ostern denkt, bekommt er einen Anfall. Pensionierung kommt auch nicht in Frage. Dem Arno fehlen leider noch Pensionsjahre. Sein Vorgänger hatte es da leichter - wollte aber nicht. Konnte nicht still halten. Arbeitsvieh. War immer schon um 5 Uhr in der Früh in seinem Büro. Der hat sich sofort einen Beraterjob gesucht - gut, auch um das ganze Geld zurückzuzahlen, das er anscheinend unrechtmäßig abgerechnet hatte. Also Beraterjob würde für den Arno sicher passen. Irgendwas mit Nine-to-five und das Wochenende frei. Was ruhiges. Den ganzen Tag Excel-Tabellen ausfüllen oder so. Keine Verantwortung. Relax. Sollten Sie etwas für ihn haben, unsere Telefonnummer steht wie gesagt oben.

Philipp

Um es vorweg zu sagen: Der Phillip … Filipp … Phillipp … der Philip ist unser Sorgenkind und das fängt schon beim Namen an. Trotz abgebrochenem Studium und Null Berufserfahrung ist er irgendwie in jungen Jahren zu einem Führungsjob gekommen und wurde dann - wenn wundert's - fette Beute des Peter-Prinzips. Nie gehört? Hat seinen Namen von Laurence J. Peter, einem kanadisch-US-amerikanischen Professor. Dessen These lautet: „In einer Hierarchie neigt jeder Beschäftigte dazu, bis zu seiner Stufe der Unfähigkeit aufzusteigen.“ Peter konstatiert: „Nach einer gewissen Zeit wird jede Position von einem Mitarbeiter besetzt, der unfähig ist, seine Aufgabe zu erfüllen.“
Der Vilipp hatte in seinem Vorzimmer ein Bild hängen, auf dem man die unmöglichsten Varianten der Falschschreibung seines Vor- und Nachnamens verewigt hatte. Warum ich diese Anekdote erzähle? Ich bin zwar kein Psychologe, ich bin Berufsberater, aber ich glaube, der Filip will uns damit sagen, dass man ihn grundsätzlich falsch versteht und das zeige sich symptomatisch daran, dass in Briefen und E-Mails sein Name falsch geschrieben wird.
Wir versuchen dem Phillib gerade klar zu machen, dass er es ist, der einiges falsch verstanden hat. Dass gewisse Handlungen Konsequenzen haben müssen und man nicht alles wegreden kann, wobei wir schon bei seinem größten Talent wären - ich wollte beinahe „einzigen“ sagen: Die Rhetorik. Der Junge kann alles zerreden, um den heißen Brei herum, um Kopf und Kragen und so. Aufgrund dessen, würden wir ihn gut als Teppichhändler sehen, weil Teppiche braucht es immer. Schon alleine um Dinge darunter zu kehren (kleiner Scherz am Rande). Oder Staubsaugervertreter; Gebrauchtwagenhändler. Ah so, weil wegen Chip- und Aluminiummangel, Lieferausfall von in der Ukraine produzierten Kabelbäumen, weniger Neuwagen auf den Markt kommen, ist der Gebrauchtwagenmarkt wie leer gefegt und es gibt nichts zu verkaufen? Merda! Was könnte man noch verkaufen: Großmütter, idealistische Ideale. Das wäre vielleicht was: Die Wertvorstellungen einer durch und durch verfilzten Partei, in der sich alle mit Hauen und Stechen seit Ewig und drei Tagen an der Macht halten, für das große Geschäft oder das kleine Häuschen im Grünen - also die dazu nötige Baugenehmigung. So ein „House of Cards“ als Reality-Soap. Weiss nicht, ob sie diese Politthrillerserie auf Netflix je gesehen haben? Auf Wikipedia gibt es eine Zusammenfassung über „die Geschichte des durchtriebenen Abgeordneten Francis „Frank“ Underwood, der gemeinsam mit seiner ähnlich machthungrigen Ehefrau ein System von Intrige, Korruption und Mord kreiert, um in höhere politische Ämter aufzusteigen und somit seinen Machteinfluss zu vergrößern“. Da passieren so absurde Dinge und Schweinereien, wie sie sich nur ein realitätsfremder Drehbuchautor ausdenken kann. Ich schweife ab.

Irgendwie gibt es solche Parteien heutzutage nicht mehr oder kennen Sie eine? Wenn ja, könnte der Fillipp da möglicherweise unterkommen. Eigentlich wollte ich ihn nach Amerika vermitteln, wie seinen Freund Sebastian, aber leider hat er keinerlei Ausbildung, die man im Curriculum anführen könnte und es geht ihm jedwede Hemdsärmeligkeit ab, die die Amis so lieben. Der Bua hat die Angewohnheit alle mit „Sie“ anzusprechen und auf der anderen Seite des großen Teichs wird schon aus grammatikalischen Gründen nur geduzt.

Der, dessen Name ich niemals nenne

Der letzte Fall ist so delikat, dass ich nicht einmal den Vornamen oder die Initialen meines Schutzbefohlenen nennen möchte. Minderjährig: Vierzehn, höchstens; möglicherweise auch nur vier – so wie er sich aufführt. Ich bin sicher Sie haben dafür Verständnis, wenn ich den Mantel der Anonymität über ihn breite. Ich nenne ihn einfach mal „Tommy“.
Beim Tommy ist die Lage im Vergleich zum Vilipp völlig konträr: Der Tommy kann einfach alles! Der hat soviele Qualitäten, soviel Elan, soviel Esprit, Charme, ist eloquent; der Tommy organisiert dir in quattro e quattr'otto einfach alles: Schlauchhudern, chinesische Melitta-Kaffeefiltertüten, eine Phantastilliarde Intensivbetten, ganze Fahrsicherheitszentren …  wir wissen gar nicht zu welchem Vorstellungsgespräch wir ihn als erstes schicken sollen. Zu Beginn hatten wir uns ein Austauschprogramm des Südtiroler Bauernbundes angesehen. Die haben da jemanden der seltsamerweise „Darth Rinner“ genannt wird, dem eine Rochade mit unserem Tommy zu passe gekommen wäre, aber der Tommy ist für so einen schnöden Lobbyjob überqualifiziert. Der Tommy ist ein Macher, ein wilder Hund - ein fauler, hat neulich jemand gesagt: Der Tommy interessiere sich nur für Weiber und schiebe die Arbeit auf andere ab. Kann ich mir jetzt beim besten Willen nicht vorstellen. Den Tommy könnte ich mir für alles denken: Model im Werbefernsehen, Mountainbiker, was sage ich, Motocross-Fahrer - am besten wir machen ihn zum Landeshauptmann, dann würde er dieses verschnarchte Land mal ordentlich aufmischen.
Das Problem ist: Der Tommy kann nicht mit Geld umgehen, also dem Geld anderer Leute meine ich. No-Profit-Manager wird er von bösen Zungen genannt. Kann Geld ausgeben, aber keines verdienen und hinterlässt dir im schlimmsten Fall einen Schuldenberg, weshalb also Bankgewerbe oder öffentliche Verwaltung, wo Steuergeld in die Hand genommen wird, nicht in Frage kommt. Am besten wäre für ihn eine körperlich fordernde Tätigkeit, draußen in der Natur, an der frischen Luft, wo er seine Energien auspowern kann. Bergapfelbauer würde mir spontan einfallen. Den ganzen Tag den Berg hoch und runter: Baumschneiden, auszupfen, mit der Handpumpe spritzen, pflücken und am Ende aus den Äpfeln mit bloßen Händen und Muskelkraft Saft pressen. Muss mal beim Reisebüro des Bauernbundes, dem Verein Freiwillige Arbeitseinsätze Südtirol fragen, ob sie nicht einen Afinger Bergbauern hätten, der für Kost und Logis noch einen Knecht brauchen kann.
Offengestanden verstehe ich nicht, warum ich mich überhaupt um so einen kümmern muss. So ein Wiffer hätte das doch kommen sehen müssen: Dass der Laden, dass sein Arbeitsplatz nicht zu retten ist. Man bei Zeiten die Reißleine ziehen muss. Ihn wie ein Mantra vor sich her beten muss - den Spruch: „Lass dich nicht gehen, geh selbst!“

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