Gesellschaft | Die 36. Schulwoche geistert im Sommerloch herum

36. Schulwoche? Von Stechuhren und christoph’schen Eiern

Es war, wie man es sich schon erwartet hatte. Kaum beginnen für viele SchülerInnen und das Lehrpersonal die wohlverdienten Urlaubstage, geht das Gestichle wieder los.

Das Sommerloch wird dazu genutzt, den totgeglaubten Geist der 36. Schulwoche wiederzubeleben.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
6-beeindruckende_wasserfalle_in_der_nahe_der_alm.jpeg
Foto: © Oswald Stimpfl

Es war, wie man es sich schon erwartet hatte. Kaum beginnen für viele SchülerInnen und das Lehrpersonal die wohlverdienten Urlaubstage, geht das Gestichle wieder los. Es ist leicht, im Sommerloch ohne die Hauptbetroffenen im Schulbetrieb den totgeglaubten Geist der 36. Schulwoche wiederzubeleben.

 

Indirekt geht es bei der fromm ums bloße Schülerwohl geführten Debatte um eine 36. Schulwoche wohl nur um knallharte Einsparungen auf zusätzlichen Ebenen: natürlich auch um eine schleichende Unterrichtszeiterhöhung für Lehrpersonen, die nicht bezahlt werden muss, und daher auch um die Streichung weiterer Stellen.

 

Es geht in dem Ziffern-Wirrwarr vielleicht auch darum, von der streitbaren Effizienz der eben erst aufoktroyierten 35. Schulwoche abzulenken, die nicht nur zum Wohl der SchülerInnen, sondern vor allem zum Zweck von Infrastruktureinsparungen (z.B. durch gesenkte Betriebskosten), eingesparten Kosten beim sog. nichtunterrichtenden und (in seiner konsequenten zukünftigen Umsetzung) auch für Einsparungen von unterrichtenden Personal eingeführt worden ist.

 

Das kolportierte Wohl der SchülerInnen steht  bei all diesen Maßnahmen bestimmt nicht im Mittelpunkt, sondern wird nur vorgeschoben. Nach dem zeitgenössischen Verständnis ist nicht nur Unterricht eine Aufgabe der Lehrpersonen, sondern auch die Nachmittagsbetreuung der SchülerInnen. Sind Akademiker also bessere Babysitter?

 

Provokanter Vorschlag: Wie wäre es, auch für uns Lehrpersonen Stechuhren einzuführen, uns in den Schulen jeweils ein eigenes Büro mit entsprechenden Arbeitsgeräten und -Materialien zur Verfügung zu stellen? Dann würde so mancher, so wie jetzt schon, spätestens um halb acht mit dem Kopieren beginnen und im Schnitt bis halb zwei in der Schule sein. Das wären schon mal 6 Stunden, Vorbereitung und Korrekturarbeiten nicht mitgezählt.

 

Natürlich könnte man im Zuge der Einführung einer Stechuhr möglicherweise  draufkommen, dass die Lehrpersonen im Schnitt sehr wohl ihre 40 Stunden wöchentlich leisten, zu Stoßzeiten (Semesterende, vor Sprechtagen oder vor Ferien) oft auch weitaus mehr und dass es unbezahlbar wäre, sie den ganzen Tag in einem Büro arbeiten zu lassen, das ihnen die Provinz zur Verfügung stellt und ausstattet.

 

Das Beispiel mit der Stechuhr dient selbstredend nur als provokant gemeinter Vorschlag. Tatsache ist jedenfalls, dass die Qualität einer Arbeit nicht mit der objektiv messbaren physischen Präsenz am Arbeitsplatz gleichzusetzen ist. Jedes moderne Managerbuch wird diesen Grundsatz enthalten. Mit bloßer Anwesenheitspflicht wird die Qualität der Arbeit nicht unbedingt besser. Im Gegensatz dazu ist für die Provinz immer noch das Lenin zugeschriebene “Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser” als das Prinzip effizienter, angeblich motivationsstiftender Mitarbeiterführung angesagt. Allein: Findige schwarze Schafe gibt es leider in jedem Beruf, nicht nur bei den Lehrpersonen.

 

Bequemer, als transparente Bedingungen und klare, für Ruhe im Schulbetrieb sorgende   Arbeitsbedingungen zu schaffen oder die vor einigen Jahren durchgeführten Studie zur Arbeitszeitbelastung der Lehrpersonen endlich ernstzunehmen,  ist freilich, ab und zu den Generalverdacht der Öffentlichkeit zu schüren, um damit bei Vertragsverhandlungen ein zusätzliches Ass im Ärmel zu haben.

 

Müssen wir alle, weil wir uns in der Krise befinden, auch die Krise kriegen?

 

Die Stunden, in denen Lehrpersonen zu Hause sitzen und z.B. Schularbeiten von 140 SchülerInnen korrigieren oder für bis zu 7 Klassen Unterrichtsvorbereitung machen, sieht keiner. Auch in den sogenannten “Ferien” oder nach “Feierabend” brennt bei vielen Lehrpersonen die Schreibtischlampe noch. Dass man als Oberschullehrperson bei Maturaprüfungen bis ca. 7. Juli und spätestens ab 25. August wieder zu den "Nachzipf"-Überprüfungen anwesend sein muss, sieht die breite Öffentlichkeit nicht. Für die hat man nämlich ab 15. Juni bis 1. September frei. Und da von uns jeder einmal in der Schule war, hat er/sie auch sicher mindestens eine schwarzschäfige Lehrperson erlebt- der Weg zu Pauschalisierungen und herabwürdigenden Stammtischparolen ist daher nicht weit.

 

Der Lehrberuf ist zweifelsohne ein Beruf mit vielen Vorteilen (relativ freie Zeiteinteilung, oft motivierende Arbeit mit jungen Menschen, fixe Anstellung, wenn man langatmig genug ist) aber auch mit so manchen Nachteilen (psychisch oft anstrengende Tätigkeit, Einmischung von allen Seiten, langes Studium ohne Beitragszahlungen, teilweise jahrzehntelanges Warten auf eine unbefristete Anstellung, das Heimkommen, ohne die Arbeit beiseite legen zu können).

 

Schade, dass der von oben geschürte Neid die Menschen blind macht.

 

Liebe Sabrina, liebe Schulverbesserer: lasst SchülerInnen und Lehrpersonen bitte einfach unsere Arbeit machen, lasst die Schule endlich zur Ruhe kommen.

 

Wer die brütende Henne stets vom Nest verscheucht, wird nie auf das Ei des Kolumbus stoßen.