Kultur | Salto Return

#280817

In Salto Return geht es nicht um die Wahrheit, sondern um die Lüge. Und wo eine solche in Zukunft starten und landen könnte.
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Foto: Foto: Salto.bz

Lug
Bis Ende September habe ich Zeit. Bis dahin werden meine Gespräche mit unwichtigen Fluglinien noch Früchte tragen und ich werde, als kreative Eigen-Airline, ein Angebot zur Rettung des Bozner Flughafenareals bei den bürokratischen Stellen hinterlegen. Nach Jahren meiner Abneigung gegen den Airbus-Parkplatz und die wenig rentable Nutzung, hab ich das Flugplatz-Gelände nun liebgewonnen. Was mich dazu beflügelt? Geld natürlich!
Ich habe nun eine Mäzenin, eine Fördererin meiner skurrilen Ideen. Sie hortet ihr Geld recht locker und möchte es mit diesem durchgeknallten Projekt in den Sand setzen. Südlich von Bozen soll laut ihr und mir „ein Lughafen“ entstehen, eine „Landebahn für die Lüge“. So wäre der mittlerweile verwaiste Ort ein Treffpunkt für Lug`n-Beutel, wie man zu Bozner-Deutsch Menschen nennt, die es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen. Es gibt nicht wenige davon.
Unser Konzept sieht vor, „dass die Lüge Bozen-Rom wieder aktiviert werden soll“. Vor allem liegt der Geldgeberin viel daran, dass das „Angebot der Charter-Lüge ausgebaut wird“, die es derzeit nur in den Sommermonaten gibt. Eine neue Linien-Lüge soll es auch geben. Wow.

„Und…
...was jetzt?“ hab ich mich vergangene Woche gefragt. Wie soll Bozen die schwierige historische Aufarbeitung der Stadtgeschichte fortführen, die vor Jahren so vorbildhaft in Angriff genommen wurde. Böse Zungen sollen den kompetenten Historiker Hannes Obermair aus dem Stadtarchiv gemobbt haben. Waren da wieder (über)mächtige Beamte und Beamtinnen am Werk, die so viel Neid und Missgunst mitbringen, dass man am liebsten kotzen möchte?
Obermair hat wesentlich dazu beigetragen, das Fascho-Monumento an der Piazza Vittoria, Vittorio, Vittoriù, Vittorie... neu und auf europäischem Niveau zu präsentieren. Er hat es mit entstaubt und neu poliert. Sogar eine wichtige Auszeichnung für das Museum am Siegesdenkmal unterstreicht das fortschrittliche Denken der Bozner Historiker-Szene. Nun sah sich Obermair gezwungen aus dem Stadtarchiv zu fliehen, wohl weil die altbackene Denke selbsternannter Oberschlaumair und Oberschlaumairinnen, nicht mehr tragbar war. Würgh.

Trug
„That I lost my center / fighting the world” lautet ein Zitat des Dichters Ezra Pound, mit welchem Literatur Lana „das verehrte Publikum” (vom 30.8.-2.9.) in die literarische Marktgemeinde lotsen will.
Der vor 45 Jahren verstorbene Pound dient mittlerweile für viele italienische Jung-Faschisten als Vorbild, hatte der Vordenker poetischer Avantgarden einst doch tatsächlich regimetreue Texte verfasst. Unter dem Deckmantel CasaPound ist er nun spätes intellektuelles Futter für eine bemitleidenswürdige politische Rechte.
Die feine Dame Mary de Rachewiltz, Pounds Tochter, hat mir einmal Pounds Nähe zu Mussolini geschildert: „Pound wollte Mussolini beeindrucken. Einmal hat er den Duce getroffen, war begeistert, wollte ihn später gleich ein zweites Mal treffen, doch der Duce winkte ab, glaubte der dichtende Amerikaner wäre zu verrückt.“ Das 2. Treffen kam nicht zustande.

Pound ist ein großer der Weltliteratur, wenn auch mit bitterem Beigeschmack. Neben James Joyce, William Faulkner oder Ernest Hemingway gehört er zu den Klassikern des 20. Jahrhunderts, mit seinen Cantos hat er Literaturgeschichte geschrieben. Zudem erkundete er die Philosophie des Geldes und verfasste Zeilen, „die in ihrer Rätselhaftigkeit einen einzigartigen Glanz ausstrahlen.“ Dennoch bleibt er ein Dichter „voller Widersprüche vor allem wegen seiner nicht von der Hand zu weisenden politischen Verblendung“. Er hinterlässt Faszination und Ratlosigkeit
Wie der Flughafen Bozen.