Gesellschaft | Kirche

Gelmis Vermächtnis

In wenigen Tagen geht der Kirchenhistoriker Josef Gelmi in Pension. Davor plädiert der Präsident der Stiftung Hochburg einmal mehr für eine sexuell entkrampfte Kirche.
Josef Gelmi
Foto: Diözese Bozen-Brixen

Lange hatten Kirchenkritiker und Initiativgruppen für eine neue Kirche das Monopol auf das Thema. Mittlerweile gehört die Forderung nach einer Abschaffung oder zumindest Lockerung des Zölibats auch innerhalb der Kirche immer mehr zum guten Ton. Jüngstes Beispiel dafür liefert der langjährige Hüter der Brixner Hofburg Josef Gelmi. Fast 20 Jahre lang war der Kirchenhistoriker, der in zahlreichen Publikationen vor allem das Papsttum und die Tiroler Kirchengeschichte beleuchtet hat, Präsident des Diözesanmuseums Hofburg in Brixen. Bevor Gelmi am 1. September mit 80 Jahren den wohlverdienten Ruhestand antritt, findet er noch einmal klare Worte zum einstigen Tabuthema, das im heurigen Frühjahr von niemand geringerem als Papst Franziskus entzaubert worden war: „Wir müssen darüber nachdenken, welche Aufgabe Viri probati zum Beispiel in weit entlegenen Gemeinden übernehmen könnten“, hatte der Pontifex die Diskussion um die Priesterweihe von verheirateten Männern in der katholischen Kirche belebt.

Während Bischof Ivo Muser bei der letzten Synode der Diözese Bozen-Brixen wenig Sinn darin sah, auf die Tatsache einzugehen, dass sich 70 Prozent der Synodalen für eine Freistellung des Zölibates für Priester ausgesprochen hatten – wozu über Themen abstimmen, die ohnehin nicht von der Diözese entschieden werden -  macht sich Gelmi weit weniger Probleme laut über pragmatische Lösungen für die „beinahe katastrophale“ Personalsituation in der Diözese Gedanken zu machen. Im RAI-Morgengespräch mit Siegfried Kollmann wiederholte der Kirchenhistoriker die Forderungen, die er dazu in diesem Sommer bereits in einem Interview mit dem Wochenmagazin ff gestellt hatte: Der Zölibat soll für Priester nicht mehr Zwang sein, sondern freigestellt werden. Sprich: Wer will, kann ihn einhalten und leben, wer nicht will, soll heiraten können.

„Leider ist manchen meiner Kollegen der Zölibat wichtiger als die Eucharistie. Das ist theologischer Nonsens, Schwachsinn.“ 

Das würde laut Gelmi auch ermöglichen, den dramatischen Priestermangel durch die Weihe von verheirateten Diakonen zu bekämpfen – natürlich „mit Einverständnis von deren Ehefrauen“, wie Gelmi im Morgentelefon meinte. Dass die Kirche dann auch Familien erhalten müsse, lässt der scheidende Präsident des Diözesanmuseums nicht als Gegenargument gelten. Verheiratete Priester könnten sich genauso gut mit weltlichen Berufe wie Lehrer, Architekten oder Journalist ihr Brot verdienen und das Priesteramt genwissermaßen im Nebenberuf ausüben – oder sich umgekehrt mit einem Nebenerwerb ihren Hauptberuf Priester mitfinanzieren, so sein innovativerer Ansatz. Mit dem er keineswegs alleine dasteht, wie Gelmi auf Äußerungen hinweist, die der Kurienkardinal und ehemaliger Präsident des Päpstlichen Rates Walter Kasper bei seinem Südtirol-Besuch in diesem Sommer gemacht hatte. In der Kirchengeschichte habe es all das schon gegeben – genauso wie die Diakonweihe für Frauen, für die es heute genauso an der Zeit wäre wie für eine generelle Entkrampfung in der Sexualität. „In den alten moraltheologischen Büchern steht, dass jede Sexualität, die nicht zur Zeugung führt, Sünde ist. Also bitte!“, hatte sich der Theologe auch im ff-Interview Ende Juli empört.

Dass die Kirchenführung bis heute auch beim Thema Zölibat trotz aller Notwendigkeit nicht den Mut für den nächsten Schritt findet, führte Josef Gelmi dort auch darauf zurück, dass sich immer noch viele Kirchenvertreter daran festbissen: „Leider ist manchen meiner Kollegen der Zölibat wichtiger als die Eucharistie. Das ist theologischer Nonsens, Schwachsinn.“ Frischer Wind in der Diözese könnte man sagen. Doch er kommt von einem, der geht.