Politik | Gemeindewahlen

„Jede Veränderung ist wertvoll“

Die Grünen Maximilian Komar und Maximilian Gartner über die Bedürfnisse der Jugend, neue Konzepte der Bürgerbeteiligung für Bruneck und die Rienz der Zukunft.
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Foto: Julian Mayr

Maximilian Komar ist 18 Jahre alt, Schüler und Mitglied der europäischen Partei Volt. Maximilian Gartner, aufgewachsen unter der Ägide eines SVP-Funktionärs, unterrichtet Mathematik und ist mehr als doppelt so alt. Vertreter unterschiedlicher Generationen, die neben ihrem Vornamen, doch etwas gemeinsam haben: Sie sind zwei der 12 Kandidatinnen und Kandidaten der Grünen, die sich in der Brunecker Gemeindepolitik engagieren wollen. 

 

salto.bz.: Wie sind Sie beide zu den Grünen gekommen?

Maximilian Komar: Ich bin bereits bei Volt aktiv, das noch sehr klein ist hier in Südtirol und eher zentriert auf Bozen. Bozen ist aber recht weit weg für jemanden aus Welsberg. Ich wollte selbst etwas voranbringen, die Wahl ist dann relativ schnell auf Bruneck gefallen und nicht auf Welsberg. In den kleinen Gemeinden sind die Wahlen mehr auf Personen bezogen als auf Inhalte, was in Bruneck vielleicht etwas anders ist, wie ich finde. Ich stand dann mit den Grünen und dem Team K in Verbindung, ob die Möglichkeit bestünde, bei ihnen mitzumachen und vielleicht zu kandidieren. Ich habe mich mit beiden getroffen, habe mich aber schlussendlich für die Grünen entschieden, weil sie den Umweltschutz stärker in den Vordergrund stellen.

Herr Gartner, Sie sind ja schon seit sechs Jahren mehr oder weniger aktiv bei den Grünen.

Maximilian Gartner: Bei den letzten Wahlen war ich im Vorfeld dabei, für eine Kandidatur hat es aber noch nicht gepasst. Politik war aber immer wichtig in meiner Familie. Mein Vater war SVP-Funktionär in Bruneck und somit wurde auch ich von der Partei gelenkt. Durch mein Studium – ich war in Graz, dort war die KPÖ (Kommunistische Partei Österreich) damals sehr stark mit fast 20% - habe ich einen anderen Zugang zur Politik und zum Leben gefunden. Wieder zurück in Südtirol habe ich das Gefühl entwickelt für die Grünen, dazu kam der starke Einfluss meiner Frau. In Wahrheit ist der größte Einfluss von ihr ausgegangen. Irgendwann ist auch das Wohl der eigenen Kinder wichtig. In den letzten Jahren hat sich das Interesse dann verfestigt und durch die ganze Thematik um Fridays for Future habe ich mich zur Kandidatur durchgerungen. 

Herr Komar, Sie sind mit 18 Jahren noch sehr jung, genau wie zwei weitere Kandidaten und Kandidatinnen auf der Liste der Grünen. Was will und kann die Jugend in der Politik Ihrer Meinung nach bewirken?  

Komar: Es sind eigentlich, zumindest bei den Grünen, immer ähnliche Themen, in erster Linie Umweltschutz. In einer Stadt kann man nun nicht die ganze Welt retten, aber irgendwo müssen wir beginnen. Wir wollen dann aber auch Kulturangebote verbessern für junge Menschen und ihnen eine Stimme geben, ihnen Kontaktperson sein, um Vorschläge einbringen, etwas bewegen, die Stadt jugendfreundlicher machen zu können. Ein Thema ist auch immer die Schule. Ich weiß jetzt nicht, inwiefern der Gemeinderat da wirklich auch Befugnisse hat, schultechnisch etwas zu verändern. Aber man kann auf jeden Fall Ideen weiterpflanzen von dort aus.  

Glauben Sie, die Jungen fühlen sich von der derzeitigen Politik angemessen vertreten?

Komar: Nicht so stark, finde ich. Es gibt einfach wenig Mitsprache für die junge Generation. Man fühlt sich unterrepräsentiert. Ein Beispiel ist der Landesbeirat der Schüler, wo ich vertreten bin. Wenn wir da zum Achammer gehen und ein Anliegen vortragen, dann heißt es lediglich: Ja schön, schauen wir mal. Im Landtag sitzen auch nicht unbedingt junge Leute, die man als Ansprechpartner ansehen könnte.

Es gibt einfach wenig Mitsprache für die junge Generation. Man fühlt sich unterrepräsentiert. Maximilian Komar

Gartner: Ich finde die Jungen bräuchten einfach Möglichkeiten, um sich zu entfalten. Möglichkeiten, einfach jung sein zu dürfen. Wäre es nicht schön, wenn die Gemeinde mit ihren Möglichkeiten Raum schafft, dass der Jugendliche Jugendlicher sein darf?

 

Was schreibt sich Maximilian Gartner, als etwas erfahrenerer Brunecker auf die Fahne?

Gartner: Was mich konkret interessiert wäre die Idee eines Bürgerhaushaltes und wie der in der Praxis funktionieren könnte. Das heißt, ein gewisser Betrag vom Haushalt wird für Projekte reserviert, die in einem echt partizipativen Prozess von den Bürgern mitbestimmt werden. Wenn sie selbst mitwirken und die Ideen einbringen, können sich die Menschen vielleicht auch mehr mit der Stadt identifizieren. Dass die Grünen sonst für Themen eintreten wie z.B. der Fahrradmobilität, das ist für mich eine Selbstverständlichkeit mittlerweile.

Die Stadt Bruneck hat gemeinsam mit dem Land Südtirol und der STA kürzlich erste Konzepte eines umfassenden Maßnahmenpakets zur Förderung der Fahrradmobilität vorgestellt. Darunter fallen Punkte wie neue Radabstellplätze oder eigene Radspuren auf der Straße. Kann oder soll aus der Sicht der Grünen noch etwas besser gemacht werden? 

Gartner: Ich kenne die ganzen Maßnahmen nicht im Detail. Jede Veränderung ist aber wertvoll. Im Allgemeinen fände ich es jedoch wichtig, dass man nicht so lange redet, sondern eine rasche Umsetzung anstrebt. Hans Peter Niederkofler, unser Verkehrsexperte hat kürzlich erzählt, mit welchen Begründungen der Graben nicht gesperrt wird für den Verkehr. Alle Gründe die dagegensprechen, gibt es mittlerweile nicht mehr. Und trotzdem wird weiterhin geredet. Ich hoffe, dass jetzt dann die Taten folgen. Mir ist auch das Thema Sicherheit wichtig. Es gibt einige gefährliche Zonen für Fahrradfahrer und ich hoffe, dass in dieser Richtung etwas passiert. Wichtig ist, dass man den Autofahrern nicht das Gefühl gibt, sie bestrafen zu wollen.

Warum?

Gartner: Man muss ihnen erklären, weshalb die Dinge passieren. Sonst folgt immer gleich das Anklagende. Wie damals, als meine Kandidatur öffentlich wurde. Wir selbst haben ein relativ großes Auto – förmlich eine Kiste - die wirkt total mies und ist abgastechnisch sicher nicht auf dem neuesten Stand. Es kommen dann Aussagen wie: ‚Ja du schon kommst mir mit dem Auto.‘ Neue Regelungen fallen auf die Grünen zurück, die ‚uns‘ den Mist einbrocken.

Komar: In Deutschland hat sich dieses Image ja vielleicht ein bisschen verändert in den letzten Jahren. Aber in Südtirol gelten die Grünen wohl immer noch als Verbotspartei. Das ist teilweise auch verständlich. Veränderungen sind mühsam und schwerwiegend. Und auch wenn Veränderung unvermeidbar ist, fragen sich die Menschen, warum sie sich selbst verändern müssen.

Gartner: Wir haben in Südtirol glaube ich die Gewohnheit, Verantwortung nach oben abzuschieben. Immer sollte der Nächste es richten, die Gemeinde, die Vereine. Es soll immer der andere etwas tun.

Hans Peter Niederkofler, unser Verkehrsexperte hat kürzlich erzählt, mit welchen Begründungen der Graben nicht gesperrt wird für den Verkehr. Alle Gründe die dagegensprechen, gibt es mittlerweile nicht mehr. Und trotzdem wird weiterhin geredet. Maximilian Gartner 

Es braucht Ihrer Meinung nach also eine Bewusstseinsänderung bei den Bürgern?

Gartner: Ja. Als Familie oder Einzelperson ist man auch verantwortlich. Ich selbst muss auch etwas unternehmen, kann zum Beispiel im eigenen Garten anfangen. Es braucht eine neue Bewusstseinsbildung. Und ich denke, da kann die Gemeinde auch mitwirken.  

Komar: Bewusstseinsänderung braucht aber seine Zeit, und ob wir diese noch haben, ist fraglich. Bewusstseinsänderung und die kleinen Dinge sind wichtig, aber ich glaube, dass wir auch Aktionen von oben herab brauchen, um einen ordentlichen Anfang zu machen. Schlussendlich braucht es beides.

Gartner: Wir haben hier ein großes Konfliktpotential. Was von oben herab kommt, wird immer als Gebot empfunden. Ich sehe das in der Schule. Alles was von oben kommt, ist prinzipiell negativ und immer wird gefordert, es solle von unten etwas geschehen. Dabei wäre eine gute Mischung das Beste.

 

Wollen wir kurz zum Grünen Programm kommen. Sie möchten eine „langsame“, gleichzeitig aber lebendige Stadt. Wie ist das möglich?

Komar: Was wir gerade sehen als lebendige Stadt ist viel Hektik, die moderne Gesellschaft eben. Auf Terminen, auf Zeitdruck, auf Leistung aufgebaut. Und so wirkt es zwar lebendig, von Menschlichkeit ist aber nicht viel zu sehen. Es ist vielmehr ein Funktionieren und Leistung abrufen können.

Gartner: Ich wünsche mir, dass Bewegung herrscht, aber eine fröhliche, emsige Bewegung, wo ein Zusammen möglich ist. Es braucht Plätze, wo die Leute gemütlich zusammenkommen können. Ich war heuer in Heidelberg, eine recht bekannte Unistadt. Und dort hatte ich das Gefühl, so könnte Bruneck sein. Vielleicht schaffen wir es auch irgendwann.

Komar: Ich war in Uppsala, der schwedischen Universitätsstadt Nummer 1. Da hatte ich auch so ein Gefühl: es wurde viel kommuniziert und interagiert, in verschiedenen Sprachen. Es war eine schöne Stimmung des miteinander Redens und Austauschens.

Apropos Reden und Austauschen. Die Grünen fordern unter anderem „offene Debatten, im Gemeinderat und außerhalb. Partizipation soll sich nicht auf Information über bereits beschlossene Vorhaben beschränken, sondern echte Mitgestaltung ermöglichen“. Wie könnte das aussehen?

Gartner:  Es gab Überlegungen zu einem informellen Gemeinderat, wir nennen es Kreativwerkstatt. Also ordentlich organisierte, regelmäßigen Treffen, zu denen alle eingeladen sind und bei der auch gewählte Gemeinderäte teilnehmen und Punkte in den offiziellen Gemeinderat einfließen lassen können. Eine Idee, die mir jetzt spontan einfällt wäre ein Gemeinderat am Graben, in der Stadtgasse oder am Gilmplatz, sprich: im öffentlichen Raum, der für die Menschen da ist, zum Reden, Diskutieren und sich Auszutauschen.

Was wir gerade sehen als lebendige Stadt ist viel Hektik, die moderne Gesellschaft eben. Auf Terminen, auf Zeitdruck, auf Leistung aufgebaut. Und so wirkt es zwar lebendig, von Menschlichkeit ist aber nicht viel zu sehen.

Ein weiterer konkreter Punkt des Programms betrifft die Räume, die geschaffen werden sollen. Die Rienz soll besser erlebbar, das Rienzufer soll für die Bevölkerung besser nutzbar werden. Wie beispielsweise? Und spricht das nicht gegen eine grüne Grundhaltung, die Natur auch Natur sein zu lassen und nicht unbedingt alles zugänglich zu machen?

Gartner: Es ging ursprünglich um die Nutzung des Fußballplatzes in der Nähe des Eisstadions. Der Bereich ab dort ist wirklich schön für Spaziergänge, eben weil die Rienz nicht unbedingt zugänglich ist, weil alles sehr natürlich ist. Gleichzeitig sollte es aber besser zugänglich werden. Es ist aber schwierig für mich. Je weniger der Mensch eingreift, umso besser ist es schlussendlich auch für den Menschen selbst. Andererseits fließt die Rienz schlicht durch Bruneck hindurch, bietet wenig Raum, um zusammenzukommen. Es wäre spannend auszuloten - als Prozess im Gemeinderat - wie man es schafft, dass die Rienz Natur bleibt und trotzdem einladender wird. Fraglich ist auch, was mit dem Areal bei der Eishalle geschieht, wenn diese weg ist. Da hätten wir ein Makerspace angedacht, als Gegenpart zum neuen Techpark. Also eine niederschwellige Möglichkeit, für z.B. Handwerker und Künstler, um sich auszutauschen und auszuleben.

Komar: Im Bereich der Eishalle könnte man, nach Vorbild der Passerpromenade oder dem Donaukanal in Wien, Orte der Begegnung schaffen im Grünen, mit Bars und Terrassen. Nicht alles verbauen, sondern grün gestalten. Dann fließt die Rienz nicht nur durch Bruneck durch, sondern wird Teil von Bruneck, wird ein Ort der Begegnung.

Herr Komar, Sie waren in Schweden, haben dort ein Austauschjahr absolviert. Was kann Bruneck von den Städten im Norden lernen?

Komar: Kopenhagen wäre da als Vorbild in der Fahrradmobilität zu nennen, oder Amsterdam. In Schweden gibt einen besonderen Fokus auf Benutzerfreundlichkeit. Das könnte man auch hier vermehrt fokussieren. Dort kann man auch in jedem noch so kleinen Dorf nachschauen, wo zum Beispiel gerade die öffentlichen Verkehrsmittel fahren, was es ja in Bozen mittlerweile auch gibt. Generell gilt es, vermehrt die Vorzüge der Digitalisierung zu nutzen.

 

Lehrer Maximilian darf Schüler Maximilian einen Rat für die Zukunft geben. Was für ein Rat wäre das?

Gartner: Ich wünsche dir, dass du Ziele entwickeln kannst als junger Mensch, dass du leistungsbereit bist. Leistung aber nicht ausschließlich im Sinn von Produzieren und Geldverdienen, sondern die Leistung im Sinne von Menschsein.  Auf dass du Höchstleistung im Sein erbringst, kritisch bist, und auch das vermeintlich Unproduktive leistest. Im Endeffekt geht es darum, Mensch zu bleiben. Brich aber auch aus, aus diesem Termin- und Zeitdruck. Geld und Konsum ist nicht das Wichtigste. Entwickle Freude am eigenen Tun und schätze bewusst den Zugang zur Natur.  

Herr Komar, stellen Sie sich vor, Sie könnten dem gleichaltrigen, 18-jährigen Maximilian Gartner heute etwas mit auf den Weg geben. Was würden Sie ihm sagen? 

Komar: Es ist wichtig, dass du konsequent und du selbst bist. Man selber sein, man selber bleiben und das auch zu akzeptieren, sich also selbst treu zu bleiben. Tu was du gerne tust. Tu, was dich bewegt.