Wirtschaft | Brenner Basistunnel

Die Vertragsauflösung

Die BBT SE hat jetzt den Bauvertrag mit der Bietergemeinschaft aus Porr GmbH und Condotte S.p.A. aufgekündigt. Es dürfte das Ende eines kollaudierten Systems sein.
Das Schreiben ging am Dienstag an die Auftragnehmer. Es ist die Kündigung eines Milliardenauftrages.
Trotz intensivster Verhandlungen und Bemühungen in den vergangenen Monaten konnte hinsichtlich der vertraglichen Meinungsverschiedenheiten beim Baulos H51 Pfons-Brenner, dem etwa 15 km langen südlichsten Abschnitt des Projektgebiets in Österreich, zwischen der Brenner Basistunnelgesellschaft (BBT SE) und dem Auftragnehmer, der ARGE H51 (bestehend aus einem Konsortium aus PORR Bau GmbH, G. Hinteregger & Söhne Bau GmbH, Condotte S.p.A. und Itinera S.p.A.) keine Einigung erzielt werden“, heißt es in einer Aussendung der Brennerbasistunnel-Gesellschaft „BBT SE“.
Der BBT SE-Aufsichtsrat hat am vergangenen Donnerstag einstimmig die Vertragsauflösung des Bauvertrags mit der Bietergemeinschaft ARGE H51 beschlossen. Die beiden BBT SE-Vorstände Gilberto Cardola und Martin Gradnitzer erklären, diese drastischen Schritt so: „Die endgültige Weigerung der vertraglich zugesagten Leistungen in mehreren Punkten und der nun eingetretene Vertrauensverlust hat uns leider dazu gezwungen, die Vertragsbeziehung mit der ARGE H51 aufzulösen. Auch angesichts der in Aussicht stehenden Vertragsauflösung hat die ARGE H51 nicht eingelenkt, sondern hat ihre vertragliche Sicht veröffentlicht. Um schnellstmöglich den Weiterbau beim Brenner Basistunnel sicherzustellen, wurde bereits eine vertiefende Analyse des Gesamtprojekts zum Zweck der ehestmöglichen Neuausschreibung in die Wege geleitet“.  
 

Der Knackpunkt


Die Bietergemeinschaft hat den größten Bauabschnitt auf österreichischem Staatsgebiet mit einem Abschlag von 100 Millionen Euro gewonnen. Bereits damals mutmaßten Fachleute, dass das so nicht gut gehen kann.
Traditionell wird in Österreich bei solchen Großprojekten nachverhandelt und die Auftragsnehmer schafften es bisher fast immer Zusatzkosten herauszuschlagen. So war es auch bei anderen Baulosen des BBT. Doch seit zwei Jahren hat – auch auf Drängen der italienischen Seite in der Brennerbasistunnel-Gesellschaft eine andere projektbezogenes Planung- und Bausystem eingeführt. Vereinfacht gesagt: Der Auftragnehmer muss sich an das Gesamtpaket halten. Es sind weder Nachverhandlungen, noch Projektänderungen erlaubt.
 

In diesem Konflikt wird dieses rigorose System jetzt erstmal konsequent angewandt und es wird sich vor Gericht zeigen, ob diese Gangart haltbar ist. „Wir gehen davon aus, dass wir die besten Karten in der Hand haben“, heißt es in der BBT SE.
 

Die Tunnelwände

 
Der zentrale Streitpunkt ist dabei die Abdeckung des Brennerbasistunnels. In der Ausschreibung ist ein sogenanntes „Tübbingsystem“ festgeschrieben, das eine Dicke der Tunnelwände von 40 cm vorsieht.
Das Bauunternehmen behaupt jetzt aber, dass der von ihr angebotene 40 cm Tübbing nicht umsetzbar ist und verlangt entweder eine Erhöhung der Tübbingstärke oder eine Reduzierung der Lasten gemäß Planung zulasten der BBT SE. Im Klartext: Die Wände sollen massiver gebaut werden. Dafür wollte die Bietergemeinschaft aber mehr Geld. Nach gesicherten Informationen von Salto.bz ging es dabei um rund 160 Millionen Euro.
 
 
 
Doch genau hier spielte die BBT SE nicht mit. „Wenn der Tunnel überall mit 40 cm Wänden hält“, sagt einer der beiteiligten Ingenieure, „warum soll es dann in diesem Baulos anders sein“. Diese Aussage gründet auch darauf, dass sich beim Vorantrieb des Probestollens eindeutig gezeigt hat, dass die geologische Beschaffenheit in diesem Bauabschnitt weitaus besser ist, als ursprünglich angenommen. Demzufolge sind nach Ansicht der Auftraggeber die Forderung des Bauunternehmens nicht schlüssig.
 

Die Neauschreibung

 
Die BBT SE als Auftraggeberin hat dennoch stets ihre Bereitschaft zur partnerschaftlichen Zusammenarbeit mit der ARGE H51 zum Ausdruck gebracht, und mehrfach Lösungen für das von der ARGE H51 beim „Tübbingsystem“ aufgeworfene technische Problem aufgezeigt“, heißt es jetzt in der Aussendung. Man bedauere, dass diese Hilfestellungen von Seiten der ARGE H51 nicht angenommen wurden, und es dadurch beim Baulos Pfons-Brenner zu sehr schwerwiegenden Verzögerungen kam, die bei Erfüllung der vertraglich vereinbarten Leistungen, vermieden hätten werden können.
 
 
Die BBT verwahrt sich zudem dagegen, dass der Auftragnehmer in den vergangenen Tagen die Sachlage in der Öffentlichkeit einseitig und sehr vereinfacht dargestellt habe. Es geht nicht nur um Probleme technischer Natur, sondern der Hauptgrund für die Vertragsauflösung sei die endgültige Leistungsverweigerung und Leistungsverzögerungen in mehreren zentralen vertraglichen Punkten.
Obwohl man seit September intensiv verhandle, war eine Lösung nicht erzielbar und die Vertragsauflösung für die BBT SE unumgänglich.
Als neuer Vorstand haben wir ein schwieriges Baulos übernommen und uns noch fast ein Jahr lang intensiv um eine Lösung bemüht. Einen „Milliarden-Auftrag“ löst man nicht leichtfertig auf; uns blieb aber jetzt keine andere Wahl“,, betonen die BBT-Vorstände Gilberto Cardola und Martin Gradnitzer.
Mit Vertragsauflösung wird das Baulos Pfons-Brenner neu ausgeschrieben weden. Dabei will die BBT SE auch weiterhin ihr Äußerstes tun, um das zukunftsweisende Infrastrukturprojekt Brenner Basistunnel im bestmöglichen Zeitrahmen voranzubringen. Zudem soll jetzt auf Basis des aktualisierten Bauzeitplans geprüft werden, ob die Risikovorsorge zur Abdeckung von Mehrkosten infolge der Vertragsauflösung und Neuausschreibung ausreichen wird.