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Starke ZeLIG-Filme

Vor kurzem wurden die neuen Diplomfilme der Filmschule ZeLIG in Bozen vorgestellt. Die Filme "Zweisamkeit" und "Ama osa" können jetzt schon erste Erfolge verbuchen.
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Foto: Zelig

Besser hätte der November für die Filmschule ZeLIG kaum laufen können. Wurden Ende Oktober im Rahmen eines kleinen Festes im Filmclub die Abschlussarbeiten der jüngsten ZeLIG-Generation vorgestellt, punkteten die Dokumentarfilme Zweisamkeit und Ama osa nur wenige Wochen nach dem heimeligen Auftakt auf dem internationalen Filmparkett. Der liebevoll gefilmte und zusammengebaute Dokumentarfilm (Kamera: Anna Schweizer Schnitt: Lucija Ilijic) der Regisseurin Lilian Sassanelli gewann bei der jüngst über die Bühne gegangenen Duisburger Filmwoche den Carte Blanche-Nachwuchspreis. Er erzählt die Liebesgeschichte von Elke und Klaus, sie sind die Hauptprotagonisten und zugleich die Großeltern der Regisseurin. Seit 1977 ist das jährliche Herbst-Treffen in Duisburg eines der wichtigsten Diskussionsforen des künstlerischen Dokumentarfilms. 


„Was ursprünglich als persönliche Spurensuche nach Antworten auf Fragen der Liebe begann, entwickelt sich zum intimen Porträt der eigenen Großeltern und ihrer fast lebenslangen Zweisamkeit“, teilte die Duisburger Jury der Öffentlichkeit mit und betont in der offiziellen Begründung, dass der Regisseurin das Kunststück gelingt „scheinbar mühelos zwischen Nähe und Distanz zu balancieren, indem sie Bilder biederer Bürgerlichkeit auf Momente großer Nähe und Verletzlichkeit folgen lässt.“ Zudem lege der Film auch „die Verletzlichkeit der Filmemacherin“ offen und zeige, „dass Liebe ein gemeinsamer Prozess des Wachsens, Wohlwollens, Lernens und Verlernens ist.“
Sassanelli – sie wuchs zweisprachig in einer Schauspielerfamilie in Rom auf –, drehte bereits vor ihrem ersten ZeLIG-Studienjahr 2019 erfolgreich Filme, etwa den Kurzfilm Im Bären (2018), der mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet wurde und unter den fünf besten Filmen beim David di Donatello und für den Preis Nastri d'Argento nominiert wurde, sowie 2020 I Falchi, der mittlerweile von Sayonara Film in Italien verlegt wird.
 

Wo sich das Licht der aufgehenden Sonne mit dem italienischer Lampen mischt, da sind Elke und Klaus zu Hause. Beim Halma-Spiel in guten Wollpullis verbringen sie ihre letzten Jahre. Doch so harmonisch war es nicht immer. 


Für ihren ZeLIG-Abschlussfilm hatte sich die Regisseurin an die alten Liebesbriefe ihrer Großeltern gemacht. Sie tauchen in gelesener Form immer wieder im Film auf, als Botschaften von früher, die in der Gegenwart neu gelesen und interpretiert werden. Daneben werden Beobachtungen aus dem Alltag gezeigt, wie Klaus und Elke ins Schwimmbad springen und heraussteigen, wie sie im Park flanieren, im Bett frühstücken oder sich am Nachmittag kurz hinlegen. Ab und zu ist im Film die fragende Stimme der Filmemacherin aus dem Off zu hören: sie möchte nämlich wissen, wie Beziehung funktioniert. Doch so einfach ist eine zufriedenstellende Antwort nicht zu bekommen. Sassanellis Fragen „von außen“ ändern allerdings die Blickrichtung der Zuschauer*innen auf ihre filmisch-familiäre Generationenannäherung. Ein Ereignis überschattet kurz den intimen Schwung der junggebliebenen Zweisamkeit. Da erzählt die Großmutter glatt ihrem Mann und dem Filmteam über einen Jahrzehnte zurückliegenden Seitensprung. Die Stimmung scheint zu kippen, doch dem plötzlichen Paukenschlag wird am Ende gar keine große Aufmerksamkeit beigemessen und er wird (beinahe) im wahrsten Sinne des Wortes "überhört".


Eine sogenannte "menzione speciale" (lobende Erwähnung) ergatterte am vergangenen Wochenende der ZeLIG-Abschlussfilm Ama osa von Marija Stefānija Linuža (Regie) Margherita Duca (Kamera), Leonardo Minati (Schnitt) beim Festival "Filmmaker" in Mailand. Der Film wirft einen beeindruckenden und doch sehr überraschenden feministischen Blick auf eine junge Frau, die mit Cam-Arbeit ihren Lebensunterhalt verdient.  
 

Während sie ihre erotischen Leistungen online an die anonymen Nutzer der Porno-Plattformen verkauft, entdeckt sie sich langsam als Sexarbeiterin, Künstlerin und Frau.


Ama osa legt die Arbeitswelt der Hauptprotagonistin Schritt für Schritt offen, wobei Überlegungen und Motivationen ein ums andere mal vertieft werden – beispielsweise die Frustration, die von ihren früheren Arbeitserfahrungen ausgeht, oder die Tatsache, dass sie sich nicht schämt, wenn sie ihrem Bedürfnis, begehrt zu werden, Raum gibt. 
Mit den beiden frischen Anerkennungen hat die Dokumentarfilmschule ZeLIG erneut bewiesen, dass die hier in Bozen produzierten Filme international ganz vorne mitspielen können. Und häufig zu den Gewinnern zählen.