Politik | Kommentar

Ich bin Bauer!

In Südtirol gibt es zwei Kategorien von Menschen: Bauern und normale Bürger. Christoph Franceschini über einen ganz alltäglichen Südtiroler Amtsmissbrauch.

Der Autor dieser Zeilen war zehn Jahre lang Gemeinderat in der Überetscher Großgemeinde Eppan. Oft gingen dabei die Wogen im Gemeinderat ordentlich hoch. Einmal aber ganz besonders. Auslöser wütender und anhaltender Protestrufe aus den Reihen der politischen Mehrheit war ein kurzer Satz: „In Südtirol gibt es zwei Kategorien von Menschen: Bauern und normale Bürger.“
Natürlich ist es eine provokante Feststellung. Doch sie bildet eine Südtiroler Realität ab, die sich fast alltäglich greifen und erleben lässt. Das Problem dabei: Das ganze scheint inzwischen so normal, dass sich kaum jemand mehr darüber aufregt.

Ein Beispiel? In St. Michael/Eppan gibt es im Zentrum einen großen, gebührenpflichtigen Parkplatz. Es ist der zentrale Anlaufpunkt, wo jeden Tag in der Früh hunderte Autos parken. Zwischen 7.00 und 9.00 Uhr bringen Mütter und Väter ihre Kinder in die Schule oder in den Kindergarten, parken dort kurz und lassen ihre Schützlinge aussteigen.
Doch einmal im Jahr geht das nicht. Der Parkplatz ist gesperrt. Am Donnerstag, den 29. Jänner 2015, war das wieder einmal der Fall. Am Eingang des Parkplatzes stehen zwei Dorfpolizisten und weisen die Autofahrer freundlich darauf hin, dass man an diesem Tag nicht parken darf.
Der Grund: In der nahegelegenen Raiffeisenhalle geht die 53. Südtiroler Weinbautagung über die Bühne. Es ist eine Topveranstaltung der Südtiroler Landwirtschaft, für die hunderte Bauern und Landwirte aus dem ganzen Land in den Überetscher Hauptort pilgern. Es gibt zwar in St. Michael genügend Parkplätze, aber anscheinend darf ein Bauer nicht zu Fuss gehen.

Es gibt zwar in St. Michael genügend Parkplätze, aber anscheinend darf ein Bauer nicht zu Fuss gehen.

Nur so lässt es sich erklären, dass der Parkplatz an diesem Tag für Normalsterbliche nicht zugänglich ist. Die Stellplätze sind für die Teilnehmer der Weinbautagung reserviert. Das teilen einem die freundlichen Polizisten an diesem Morgen mit. Selbstverständlich wird für die Sonderkundschaft auch die Gebührenordnung aufgehoben. Ein Bauer ist frei, deshalb zahlt er auch keine Parkgebühren, wie jeder andere Bürger.

Die Sonderbehandlung ist natürlich schön abgesegnet, durch eine Veordnung des Eppaner Bürgermeisters. Die Grundsatzfrage, ob das ganze aber Rechtens ist, scheint keiner zu stellen. Veranstaltet wird die Weinbautagung vom „Verein der Absolventen Landwirtschaftlicher Schulen“. Es ist ein privater Verein, der zwar vom Land unterstützt wird, aber wohl kaum Amtscharakter hat. Kann ein Bürgermeister einen öffentlichen Parkplatz für die Veranstaltung eines privaten Vereins sperren? Kann er öffentliche Parkplätze exklusiv für eine Kategorie von Menschen, sei es Bauern oder die Besucher einer Veranstaltung reservieren?
Nach den geltenden Gesetzen wohl kaum. Oder dürfen morgen nur mehr jene parken, die in die Kirche gehen? Oder zur SVP-Versammlung?
Es gibt sowohl in der Straßenverkehrsordnung, wie auch im bürgerlichen Gesetzbuch klare Regeln, wann ein öffentlicher Parkplatz für besondere Anlässe gesperrt werden kann. Den Fall Bauer oder Weinbautagung gibt es darin nicht. Damit ist das ganze eindeutig Amtsmissbrauch.
Wahrscheinlich ist es eine Kleinigkeit, über die man lachen kann. Würde dahinter nicht eine bedenkliche Kultur stehen, in der anscheinend nicht einmal der Gedanke aufkommt, dass solche Verordnungen gegen das Gleichheitsprinzip verstoßen.

Was ich noch sagen wollte: Natürlich habe ich am Donnerstag trotzdem, wie jeden Tag am Parkplatz geparkt. Wie ich das geschafft habe?
Ich habe dem freundlichen Dorfpolizisten, der mich abweisen wollte, ein einfaches aber schlagendes Argument geliefert. Er hat es ohne mit der Wimper zu zucken akzeptiert und mich passieren lassen.
Ich habe gesagt: „Ich bin Bauer!“.

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Edo Plane Do., 29.01.2015 - 12:28

Anderes Beispiel.
Eine Bekannte kauft ein Grundstück für 200.000 Euro. Sie zahlt x-tausende Euro an Steuern.
Ein Bauer kauft ein Grundstück für 1,6 Mio. Euro. Er zahlt 200 Euro an Steuern.
Der Betrag ist immer derselbe für einen Bauern, unabhängig von der Größe des Grundstücks.

Do., 29.01.2015 - 12:28 Permalink
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Ein Leser Fr., 30.01.2015 - 15:33

Antwort auf von Edo Plane

Sehr geehrter Herr Wenzel, wissen Sie auch warum das so ist? Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welche Auflagen der Bauer für die nächsten Jahre einhalten muss, damit er die Gebührenermäßigung (es geht um die Registersteuer) erhält?
Es hat mit der Knappheit an verfügbarem Grund zu tun und mit der Flächensicherung. Die Registersteuer ist ausschließlich für landwirtschaftlichen Kulturgrund höher als für jeden anderen Grund (auch höher als für Baugrund). Dies um Spekulation zu unterbinden und in Verbindung mit der Gebührenermäßigung und den damit einhergehenden Verpflichtungen für Bauern den Erhalt und die Bewirtschaftung der Kulturgründe sicherzustellen.
Was passiert, wenn Gründe angrenzend an die verbauten Zonen nicht mehr der Landwirtschaft zur Verfügung stehen, können Sie in Bozen Süd unterhalb der Einsteinstraße beobachten.

Fr., 30.01.2015 - 15:33 Permalink
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Manfred Gasser Fr., 30.01.2015 - 17:21

Antwort auf von Ein Leser

Hallo Herr Leser,
leider weiss ich nicht, welche Voraussetzungen und Auflagen ein Bauer erfüllen muss, um keine, oder wenig Steuer zu zahlen, und ich würde mir wünschen, dass Sie es mir Unwissenden erklären. Ebenso wünschenswert wäre es zu erfahren, über welche Summen einerseits, und Geschenke andererseits, wir hier reden.
Ansonsten ist dieses Argument nur so dahingeworfen, als reine Entschuldigungsbehauptung, und ohne Bezug auf den Hinweis von Hernn Wenzel.

Fr., 30.01.2015 - 17:21 Permalink
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Ein Leser Fr., 30.01.2015 - 17:48

Antwort auf von Manfred Gasser

Art. 1, Abs. 1 der Tarife, Erster Teil, als Anhang zum Dekret des Präsidenten der Republik Nr. 131/1986 (Einheitstext Registersteuer): Inhalt Registersteuer lw. Grund 12%.
Gesetzesdekret 194/2009, Art. 4 bis: Direktbearbeitende Landwirte, die in der entsprechenden Sondersektion des INPS eingetragen sind (also hauptberuflich und Haupteinkommen Landwirtschaft), bezahlen beim Kauf von lw. Grund 2xeine Fixgebühr anstelle der Register- und Hypothekarsteuer (je 200€) und 1 % Katastersteuer. Einher geht die Verpflichtung, diese Voraussetzungen aufrecht zu erhalten und den Grund für die kommenden Jahre selbst und direkt zu bewirtschaften (keine Veräußerung, keine Verpachtung etc.).
Ich hoffe das reicht.

Fr., 30.01.2015 - 17:48 Permalink
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Ein Leser Fr., 30.01.2015 - 15:33

Antwort auf von Edo Plane

Sehr geehrter Herr Wenzel, wissen Sie auch warum das so ist? Welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen und welche Auflagen der Bauer für die nächsten Jahre einhalten muss, damit er die Gebührenermäßigung (es geht um die Registersteuer) erhält?
Es hat mit der Knappheit an verfügbarem Grund zu tun und mit der Flächensicherung. Die Registersteuer ist ausschließlich für landwirtschaftlichen Kulturgrund höher als für jeden anderen Grund (auch höher als für Baugrund). Dies um Spekulation zu unterbinden und in Verbindung mit der Gebührenermäßigung und den damit einhergehenden Verpflichtungen für Bauern den Erhalt und die Bewirtschaftung der Kulturgründe sicherzustellen.
Was passiert, wenn Gründe angrenzend an die verbauten Zonen nicht mehr der Landwirtschaft zur Verfügung stehen, können Sie in Bozen Süd unterhalb der Einsteinstraße beobachten.

Fr., 30.01.2015 - 15:33 Permalink
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Oskar Egger Do., 29.01.2015 - 17:48

Anderes Beispiel: ein Schuldiener zahlt IRPEF und GIS, Erschließungsgebühren, Diesel normal, beitragslos, normalen Baugrund (angenommen er kann, aber er hat ja meistens nicht geerbt), normale Gemeindeabgaben, normalen Strom und Heizung, nicht abschreibbar, Unterhalt für Kinder, da er ein Einkommen hat....:) was macht da schon der Parkplatz aus?

Do., 29.01.2015 - 17:48 Permalink
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Ein Leser Fr., 30.01.2015 - 15:47

Antwort auf von Oskar Egger

Und um ihren Kommentar zu vervollständigen:
Ein Bauer zahlt Irpef auf die Katastererträge, wenn er im Pauschalsystem ist und die normale IRPEF auf den Gewinn, wenn er im Normalsystem arbeitet. Jetzt kommt sicher der Vorwurf - Pauschalsystem - Katastererträge = 0 Steuer. Tja, haben Sie schon mal von den Pauschalsystemen außerhalb der Landwirtschaft für sämtliche Unternehmern/Handwerker/Freiberufler gehört? 5% Irpef wenn sie sich innerhalb gewisser Rahmen bewegen, dazu noch die Möglichkeit Abschreibungen zu tätigen. Abschreibungen im Pauschalsystem Landwirtschaft Fehlanzeige und MwSt. voller Kostenfaktor, da nicht abschreibbar.
GIS: Gelten für den Bauern die gleichen Regeln, wie für jeden anderen, wenn es Wohngebäude betrifft. Urlaub auf dem Bauernhof gleich wie die Privatzimmervermieter. Was war letztens die Neuerung in dieser Hinsicht? Ach ja, GIS aus Betriebsgebäude kann jetzt von der Steuer abgezogen werden. Also die Hoteliere, Handwerker, Unternehmer usw. ziehen die GIS ihrer Betriebsgebäude jetzt von der Steuergrundlage. Also keine Kosten gleichzeitig reduzieren sie auch noch jenen Betrag auf den ihre Steuerschuld berechnet wird. Doppelter Vorteil.
Strom: Bauer Haushalt = Haushalt Schuldiener. Bauer Betriebsgebäude: lw. Strom mit 10% Mwst. Oh, siehe da: für die anderen gibt's da auch was und die können die Stromkosten und die Mwst. auch nioch abschreiben...(http://www.confindustriaenergiaadriatica.it/dettaglionews.asp?cod=374&n…)
Haben Sie schon immer alle und vollständige Informationen, um sich ein richtiges Urteil zu bilden? Ist immer alles schwarz oder weiß? Sind die Bauern wirklich die schlechtesten Menschen dieser Welt?

Fr., 30.01.2015 - 15:47 Permalink
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Ein Leser Fr., 30.01.2015 - 15:25

Es scheint zur Zeit wirklich sehr modern und in den besten Kreisen angesagt zu sein, ein Bauernfeind oder zumindest irgendwie gegen die Bauern zu sein.
Nehmen wir mal an die Gewerkschaft xy organisiert einen Protestmarsch gegen die Streichung dieser oder jener Sache und dafür wird die Straße oder ein Parkplatz gesperrt. Skandal, weil ich an diesem Tag die öffentliche Straße nicht mit dem Auto befahren kann?

Fr., 30.01.2015 - 15:25 Permalink
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Klemens Kössler Fr., 30.01.2015 - 16:52

Lieber Christof, zehn Jahre bist du im Gemeinderat Eppan gesessen und wir beide kennen uns nicht nur aus jener Zeit sondern bereits seit Kindesalter. Immer schon bist du durch deine Intelligenz und durch deine Sticheleien aufgefallen ganz besonders wolltest du immer anders sein als die anderen was du auch durch dein äußeres unterstreichst.
In Zehn Jahren Gemeinderat bist du die längste Zeit dem Bürgermeister Lintner gegenüber gesessen den du durch deine schelmische Art immer wieder auf das Glatteis geführt hast und durch nachsticheln an den Rand des Herzinfarktes geführt hast, es war etwas lustig und etwas interessant, in erster Linie aber provokant des provozieren willens, so gut wie nie war es der Sache dienlich.
Der jetzige Bürgermeister war immun gegen deine Provokationen und vielleicht einer der Gründe weshalb du schon bald nach der Wahl den Gemeinderat verlassen hast.
Gegen alteingesessene Privilegien zu sein war immer ein Auftrag deinerseits, die Bauern empfindest du als eine über privilegierte Kaste fast würdest du glauben machen es regnet oder sonnt wie es die Bauern wollen.
Die Neckerei in deinem Bericht ist auf wenig Recherche gewachsen.
Da ich Bauer bin war ich am besagten Tag in Eppan und war selbst überrascht über den "reservierten Parkplatz", ich selbst war zu Fuß vor Ort (von meinem Hof ca. 2 km) weil ich die Parkplatzmisere im Hauptdorf St. Michael kenne.
Dass der Bürgermeister (Bürgerliste nicht SVP) für diese Veranstaltung den Parkplatz frei halten lies sah ich vor Ort und hab mir erklären lassen dass dies auch für andere Veranstaltungen schon mal praktiziert wurde, ich wusste dies nicht und offenbar du auch nicht.
Eine Antibauerngeschichte daraus zu drehen eine komplette Übervorteilung zu schildern liegt ehrlich gesagt weit unter deinem Talent und ist ein billiges Nachplappern des aktuellen Biedermeier, vor allem aber ist es ein weiterer indirekter Vorwurf gegenüber einer Berufsgruppe welche in der Volksmeinung für alle möglichen und unmöglichen Negativen Darstellungen und Vorurteilen her halten muss.
Christof bitte mehr Niveau, sei es dir wird.

Fr., 30.01.2015 - 16:52 Permalink
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Martin B. Mo., 02.02.2015 - 19:12

Klemens Kössler hat bereits angedeutet, dass nicht nur für diese "Bauernveranstaltung" der Parkplatz reserviert wurde. Falls die Gemeinde es wichtig sieht das eine gewisse Veranstaltung auf ihrem Gebiet veranstaltet wird, wieso soll sie nicht eigene Flächen für die Veranstaltungszeit zur Verfügung stellen. Auch z.B. bei einem Fest veranstaltet durch einen Verein, bekommt dieser meist temporär öffentliche Flächen inklusive ev. Sperren für den Verkehr. Ich finde die Empörung wirklich etwas konstruiert, besonders von Personen die ansonsten gerne das Benutzen öffentlicher Verkehrsmittel propagieren.

Mo., 02.02.2015 - 19:12 Permalink
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Ein Leser Di., 03.02.2015 - 07:42

Es war ja absichtlich ein provokantes Beispiel. Aber: Absolventenverein (privat) - exklusive Nutzung Parkplatz (öffentlich). Gewerkschaft (privat) - exklusive Nutzung der Straße (öffentlich) für Protestmarsch. Wieviel hat die Gewerkschaft für die Nutzung der Straße für ihren Protestmarsch bezahlt? Und nun fügen Sie hier Ihren letzten Satz an: Ws kann doch nicht sein...
Übrigens: Straße kann in meinem Beispiel gerne auch durch Parkplatz oder was Sie möchten ersetzt werden.

Di., 03.02.2015 - 07:42 Permalink
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Martin B. Di., 03.02.2015 - 14:52

Ich denke mir die Weinbautagung ist nicht nur für Bauern reserviert, sondern für jeden Interessierten zugänglich. Zugegeben Weinbau interessiert nicht jeden u.a. auch mich nicht, aber z.B. ein Jazzkonzert auch nicht! Noch einmal: die Gemeinde soll meiner Meinung nach die Absperrung von öffentlichen Flächen entscheiden dürfen! Insbesondere wenn es Themen sind, die im Portfolio derselben wichtig sind.

Di., 03.02.2015 - 14:52 Permalink