Gesellschaft | Migration

Nicht nur Fotos

Der Bozner Fotograf Ludwig Thalheimer arbeitet fotografisch und darüberhinaus mit Flüchtlingen; den hotspot vor dem Museion will er wieder aktivieren.

Ein Südtiroler Obstbauer und ein Reisbauer aus Bangladesch, die gemeinsam Marende halten – auch dieses Foto hat Ludwig Thalheimer geschossen: eines der vielen Ergebnisse und Erlebnisse, die aus seinem Engagement für die Flüchtlinge erwachsen sind. Seit Herbst 2015 geht Thalheimer, Bozner Fotograf mit eigenem Studio neben dem Museion, regelmäßig ins Haus Aaron, um dort das Leben der Flüchtlinge, junger Männer aus Westafrika, Bangladesch, Afghanistan und Pakistan zu dokumentieren. An die 130 Personen leben dort, im ehemaligen Hotel Schwefelbad am Rand der Moritzinger Obstwiesen; das Haus Aaron ist eines von fünf Einrichtungen für Asylwerber in Bozen.

„Ich gehe den Dingen gerne auf den Grund, möchte mir mein eigenes Bild machen und verstehen, was hinter den Zahlen und Nachrichten von den Menschen auf der Flucht und jenen, die hier untergebracht werden, steckt.“ Ludwig Thalheimer hat bereits im Sommer 2014 angefangen, Porträts von Flüchtlingen aus der Ex-Gorio-Kaserne in der Bozner Schlachthofstraße zu machen; damals noch außerhalb des Aufnahmezentrums, da bürokratische Hindernisse einen Besuch innerhalb der Struktur unmöglich machten. Lockergelassen hat der Fotograf trotzdem nicht. Nach weiteren Anfragen bei der Caritas und dem Verein Volontarius, ist nun ein Projekt mit den Bewohnern des Hauses Aaron zustande gekommen, das weit über das Porträtieren hinausgeht.

Fotografie ist ein tolles Kommunikationsmedium wenn die Sprachkenntnisse fehlen.

Im Foto-Workshop „Here I am“ streifen die Teilnehmer durch die Stadt und knipsen mit Digitalkameras was ihnen vor die Linse kommt, bzw. was ihnen an Bozen gefällt und auffällt. „Es ging eigentlich darum, die jungen Leute ein wenig aus ihrer isolierten Situation im Aufnahmezentrum hervor zu locken. Sie sind dort am Rand der Stadt ja wirklich ziemlich außerhalb und isoliert, Begegnunen mit der lokalen Bevölkerung finden kaum statt.“ In seinem eigenen Studio hat Thalheimer die Foto-Neulinge in die Materie eingeführt und sie auf Motivsuche losgeschickt. Die so entstandenen Bilder wurden dann gemeinsam am Bildschirm begutachtet. „Es haben sich ganz unterschiedliche Interessen und Blickwinkel gezeigt, es gab einen der die Supermärkte fotografierte und einen anderen, dem es die Radwege angetan haben. Weil in seiner Heimat nicht einmal die Straßen asphaltiert sind, war er fasziniert von unseren schönen Radwegen.“

Aus Begegnungen werden Geschichten, wird ein Kennenlernen und ein Verstehen. Eine der Motivationen, warum er, Thalheimer, den Flüchtlingen das Leben hier in Südtirol ein wenig erleichtern möchte, ist in seiner eigenen Biografie zu suchen. Sein Großvater und sein Vater mussten als Juden aus Deutschland vor den Nazis fliehen. „Mein Vater kam 1937 als 13-Jähriger nach Florenz, er wurde von meinem Großvater dorthin geschickt; Großvater war später auch in Dachau interniert und kam in allerletzer Minute frei. Meine Familie musste ebenfalls mit Schleusern in die Schweiz fliehen, ist in einem Arbeitslager gewesen; die damaligen Lebensumstände sind denen der Flüchtlinge von heute nicht unähnlich.“ Ludwig Thalheimers Devise heißt demnach Solidarität, aktive und gelebte Solidarität. Aus diesem Grund kann es der Fotograf auch nicht verstehen, warum das Museion seinen hotspot, seinen freien Internet-Zugang gekappt hat. „Da ich mein Studio vis-a-vis vom Museion habe, sind mir die Leute natürlich aufgefallen, die den Platz dazwischen mehr und mehr zu dem ihren machten. Ich habe sie auch zu mir ins Studio gebeten, um sie kennezulernen und zu fotografieren; einige von ihnen habe ich dann später im Haus Aaron wiedergetroffen.“ Er sei bereits dabei, einen Antrag auf einen freien Internet-Zugang zu stellen, um den hotspot wieder zu aktivieren. „Wenn es das Museion nicht macht, mache ich es!“