Politik | Polemik

Im Diesel-Nebel

Wegen des möglichen Dieselverbots kritisiert Thomas Widmann Landesrat Richard Theiner. Dabei hat Widmann selbst 2011 Ja zu einem einschneidenden Fahrverbot gesagt.
Fahrverbot
Foto: Pixabay

Es war zu erwarten, dass das mögliche Diesel-Verbot für dicke Luft sorgen würde. Insbesondere, weil man die Motoren für den Wahlkampf warm laufen lässt. Doch dabei scheinen die Abgasdiskussionen in der SVP für Gedächtnislücken zu sorgen.

 

Ultima Ratio: Verbot

Seit Anfang des Monats steht ein Fahrverbot für Dieselfahrzeuge im Raum. Am 9. März verkündet Umweltlandesrat Richard Theiner: “Entlang der Autobahn und auch in einigen Wohnvierteln in Bozen, Meran, Brixen und Leifers besteht Handlungsbedarf.” Dort wird der von der EU festgelegte Jahresgrenzwert für Stickstoffoxid (NO2) – die EU-Richtlinie über Luftqualität und saubere Luft in Europa sieht einen Wert von 40 Mikrogramm pro Kubikmeter vor – seit Jahren regelmäßig merklich überschritten.

Montag dieser Woche wird der Landesrat deutlicher: Ab 2019 könnten Dieselverbote für Fahrzeuge bis zur Schadstoffklasse Euro 3 in Kraft treten und in den kommenden Jahren schrittweise bis Euro 5 ausgedehnt werden.

Eingreifen kann das Land, da die Autonome Provinz Bozen in Sachen Luftqualität eine Reihe von Kompetenzen innehat. So kann Südtirol in Gebieten, wo die von der EU festgelegten Grenzwerte überschritten werden, Pläne erstellen und Maßnahmen anwenden, die so schnell als möglich zur Einhaltung der Richtlinie führen. Innerhalb April 2018 soll nun ein Maßnahmenpaket der Landesregierung zur Beschlussfassung vorgelegt werden. Ausarbeiten werden es Land, Stadtgemeinden, Wirtschafts- und Umweltverbände sowie die Landesumweltagentur.

Theiner selbst sieht ein Dieselfahrverbot als ultima ratio. Wie der Landesrat am Montag ausführt, wird das Dieselverbot nur greifen, falls die Gemeinden bis 2019 die Überschreitungen nicht mit anderen Maßnahmen in den Griff bekommen.

 

Fahrverbot stinkt

Ein Aufschrei der Empörung kommt sogleich von den Handwerkern. Das mögliche Dieselverbot sei “ein unverdauliches Ei so kurz vor Ostern”. “Wir unterstützen das Vorhaben, die Luftqualität in unserem Land zu verbessern, allerdings nur, wenn dies nicht auf Kosten der heimischen Betriebe, sondern mit Augenmaß geschieht”, stellt lvh-Präsident Gert Lanz klar. Ein Dieselfahrverbot würde das lokale Handwerk “existenziell bedrohen”, vor allem weil ein Großteil der Handwerkerflotte Diesel tanke.

Dass ein Dieselverbot auch in der SVP gar einigen stinkt, wird nicht verborgen. Am deutlichsten wird Thomas Widmann, der von der SVP mit der Leitung des Wahlkampfes für die Landtagswahlen beauftragt worden ist. “Ich hoffe, dass diese völlig überzogene Maßnahme ein Aprilscherz ist”, lässt sich Widmann am Donnerstag in den Dolomiten zitieren. “Nicht nur kleine Handwerker und Transporteure, sondern Tausende Familien” würde ein Dieselverbot schädigen, poltert Widmann. “Ich hoffe, Theiner meint das nicht ernst.”

Dabei könnte gerade Thomas Widmann etwas vorsichtiger sein, wem er den Schwarzen Peter nun zuschiebt. War er es doch selbst, der vor nicht allzu langer Zeit einem Diesel-Fahrverbot zugestimmt hat.
Als Mobilitätslandesrat unter Landeshauptmann Luis Durnwalder sagte Widmann Anfang 2011 Ja zu einem einschneidenden Fahrverbot für Dieselfahrzeuge auf Bozner Gemeindegebiet.

 

Vernebelte Erinnerung

Mit dem Beschluss Nr. 38 genehmigt die Landesregierung am 17. Jänner 2011 das “Programm zur Reduzierung der NO2-Belastung”.

Basierend auf einem Beschluss des Gemeinderates von Bozen werden “Verkehrsbeschränkungen für bestimmte Fahrzeugtypen” eingeführt.
Seit 2005 gelten in der Landeshauptstadt in den Wintermonaten (von November bis März) und nur in den als “Umweltzonen” deklarierten Gebieten zeitlich begrenzte Fahrverbote für Fahrzeuge der Euro-Klasse 0 und 1 sowie für alle Zweitakt-Motorräder.

Mit dem Beschluss Nr. 38/2011 werden die Fahrverbote laut angehängtem Dokument ab 1. November 2011 “das ganze Jahr über in Kraft bleiben” und “auf das gesamte Gemeindegebiet ausgedehnt”. “Ab November 2013 wird es zudem auf alle Diesel-Fahrzeuge der Euro-Klasse 2 ausgedehnt.”

Der Beschluss wird “mit Stimmeneinhelligkeit” gefasst, also auch mit der Stimme des damaligen Mobilitätslandesrates Thomas Widmann, der heute gegen Dieselverbote wettert.

Diese Fahrverbote sind bis heute in Kraft.
Daran erinnert auch Landesrat Theiner am Montag. “In Bozen etwa sind Euro 0, 1 und 2 Fahrzeuge schon seit Jahren an bestimmten Tageszeiten verboten. Auch ein Fahrverbot für Euro 3, 4 und 5 Fahrzeuge wäre rechtlich möglich, wenn diese Maßnahme in den Luftreinhalteplänen oder im Programm zur Reduzierung der NO2-Belastung enthalten ist.”

Der Erinnerung von Thomas Widmann scheint er nicht auf die Sprünge geholfen zu haben.

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Karl Lunger Do., 29.03.2018 - 20:46

Das Problem ist, dass Euro 5/6 - Diesel ein Betrug waren. Wir haben brav Diesel gekauft und CO2 gespart, aber die NO2-Grenzwerte wurden nur auf dem Prüfstand eingehalten. Und jetzt sollen wir Dieselbesitzer die Rechnung dafür bezahlen? Ohne Dieselgate hätten wir wohl kein NO2-Problem in Südtirol. Aber diese Berechnung/Schätzung hab ich noch nicht gelesen! Herr Landesrat, bitte nachrechnen!

Warum verklagen die Bürgermeister nicht die Hersteller jener Autos, welche die versprochenen Grenzwerte nicht einhalten? Ist wohl einfacher vor Ort unsere Diesel anzuhalten, oder? Eine Rückgabe der Diesel mit Entschädigung wären eine Lösung.

Eine andere Möglichkeit wäre die Nachrüstung unserer Diesel? Viele wären sicher bereit etwas für ihr Auto zu investieren, aber darüber redet man nicht. VW muss wohl nur in Deutschland oder in den USA Lösungen anbieten, in Südtirol ist der Kunde der Depp! Und wer freiwillig nachrüstet, darf der weiterfahren?

Aber so mancher hat kein Problem die Euro-Norm-Rally mitzumachen und kann sich alle 3 Jahre ein neues Auto kaufen, da ist das alles kein Problem.

2005/2006 wurden in Bozen vom damaligen Kurzzeitbürgermeister alle Autos ein Wochentag angehalten, die nicht der neuen Euro 4 Norm entsprochen haben, das alles wegen der PM10-Werte. Egal ob man Benzin oder Diesel gefahren hat, alle mussten die Rechnung bezahlen! Und jetzt lebt wieder jemand seinen Aktivismus und andere müssen dafür bezahlen!

Hätte es fast vergessen, wie will der Landesrat seine Klimaziele einhalten, wenn wir die CO2-sparenden Diesel verkaufen sollen? Oder sind die Klimaziele nicht mehr wichtig? Nur der Diesel kann heute eine entscheidende Reduzierung des CO2-Ausstoßes garantieren, denn die E-Autos sind nur umweltfreundlicher, wenn für jedes E-Auto dann auch eine CO2-arme E-Produktion garantiert wird. Wir müssen also viel mehr CO2-armen Strom zur Verfügung stellen, damit E-Autos auch klimafreundlich werden!

In diesem Sinne, Grüße nach Schilda
~ Karl Lunger

Do., 29.03.2018 - 20:46 Permalink
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Andrea Terrigno Fr., 30.03.2018 - 12:06

Mahlzeit!
Ich denke wenn die Leute endlich selber etwas weniger geh- und tretfaul würden und die Brennerautobahnmaut an die anderen angeglichen würde, sich schon mal etwas zum Besseren wenden.
Das Volk ignoriert leider weiterhin, dass der Verbrennungsmotor einen Haufen Dreck verpustet bevor er erst einmal richtig warmgelaufen ist; bis dahin ist das Ziel meistens schon erreicht.
Wenn wir weiterhin auf Lösungen durch kompetente Politik- und Industriebonzen warten, sind wir selber schuld.
Unser Euro 3 Diesel Bj. 2005 legt im Durchschnitt jährlich 9000 km zurück, zu 99% um am Wochenende um aus der Stadt zu fliehen. Das kann leider nicht statistisch/legislativ berücksichtigt werden. Oder vielleicht doch? Please track me!

Fr., 30.03.2018 - 12:06 Permalink
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Michael Bockhorni Sa., 31.03.2018 - 17:06

Lieber Thomas Widmann, einen Schaden haben die Familien so oder so. Entweder bei ihrer Gesundheit oder bei ihren Automobilen Gewohnheiten.
Frage an Ralph Kunze: und wie schaut es mit der "Enteignung" von Immobilien aus, die durch Lärm und schlechte Luftqualität an Wert verloren haben?

Sa., 31.03.2018 - 17:06 Permalink