Gesellschaft | Rassismus

"Ignoranz ist keine Entschuldigung mehr"

Nur weil sich Rassismus heute weniger offensichtlich zeigt, heißt es nicht, dass er überholt ist. Dafür sensibilisieren die Aktionswochen gegen Rassismus der OEW.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
una foto di anteprima della campagna di quest’anno
Foto: @OEW

Zur Zeit laufen die Aktionswochen „Stop Racism“ – eine Serie von Veranstaltungen in ganz Südtirol verteilt, die zum Thema Rassismus sensibilisieren und Räume zur Begegnung zwischen Kulturen schaffen.
Von Lesungen über Ausstellungen bis hin zu Straßenmanifesten und Workshops ist alles dabei. Bei einigen Events sprechen auch Betroffene – z.B. Flüchtlinge oder ein bosnischer Rom – über ihre Erfahrungen mit Rassismus.
Eine der MitorganisatorInnen ist Samia Kaffouf, Absolventin der Kommunikations- und Kulturwissenschaften an der Universität in Brixen. Ihr Geheimtipp aus der Veranstaltungsreihe: „Zum Beispiel gibt es einen bengalischen Kochabend, wo man sich einer neuen Kultur über das Essen annähern kann“, erzählt Samia. „Essen ist die beste Art, verschiedene Kulturen zusammenzubringen“, scherzt die 22-jährige.
Manche Veranstaltungen regen zur interkulturellen Begegnung an, andere widerum thematisieren Rassismus und haben damit zum Ziel, Menschen dafür zu sensibilisieren.
Besonders freut sich Samia, die für die Gestaltung der Social Media Kampagne der Veranstaltungswoche verantwortlich ist, auf die Zusammenarbeit mit der preisgekrönten, italienischen Künstlerin Takoua Ben Mohamed. In ihren Graphic Novels thematisiert sie unter anderem das Thema Diskriminierung auf ironische Art: https://www.takoua.net/

Die Aktionswochen „Stop Racism“ wollen eine bestimmte Form des Rassismus thematisieren, erklärt Samia:


„Ich habe das Gefühl, dass heutzutage niemand über Rassismu reden will, weil die Leute denken, das Thema sei überholt.“


Rassismus sei früher zwar direkter gewesen, etwa in Form von offenen Beschimpfungen auf der Straße. Doch so wie sich die Gesellschaft entwickle, hätten sich auch die Dynamiken des Rassimus verändert. Heute sei Diskriminierung aufgrund der Hautfarbe und Herkunft oft weniger sichtbar, und spiele sich nicht unbedingt in der Interaktion zwischen Menschen ab. Dieser versteckte Rassimus von heute heißt "systemischer Rassismus" und widerspiegelt sich in unserem Alltag, in unseren Institutionen.

„Zum Beispiel gibt es Frauen wie mich, die ein Kopftuch tragen, und deshalb nicht eingestellt werden“, nennt Samia ein Beispiel aus der Welt der Arbeit. Die Tatsache, dass das Gesetzt vor dieser spezifischen Form der Diskriminierung nicht ausreichend schützt, zeige eine weitere Verankerung von Rassismus im System. Neben den vielen Erzählungen von betroffenen Menschen, bestätigen etliche Studien, dass ausländisch klingende Namen und ein Foto mit Kopftuch im eingereichten Lebenslauf die Chance auf ein Vorstellungsgespräch verringern.

Das Problem laut Samia: meistens werde diese Art des rassistischen Handelns damit entschuldigt, es sei nicht böse gemeint, oder geschehe nicht bewusst. "Doch Ignoranz ist heute keine Entschuldigung mehr", entgegnet die Studentin.

Samia betont, sie wolle auf niemanden mit dem Finger zeigen. "Ich selbst bin auch in rassistischen Denkmustern gefangen", reflektiert sie kritisch.

Es gehe darum, wach zu rütteln. Die Menschen sollten sich aber nicht angegriffen fühlen, und sofort auf Defensive oder Konfrontation gehen, sondern einfach mal zuhören, was die oder der andere aus ihrer oder seiner Perspektive zu sagen habe.

Im Bestenfall führe das dazu, dass man die eigene Mentalität sowie automatisierten Denkweisen kritisch reflektiert. "Man muss sich immer ins Gedächtnis rufen, dass wir mit unserem Verhalten Menschen verletzen können," so Samia.

Im Umgang mit People of Colour, also nicht-weißen Menschen, empfielt Samia: "Wir müssen uns bewusst machen, dass die Person ein Individuum ist. Ein erneutes Nachhacken nach der eigentlichen Herkunft, wenn ich doch in Italien geboren bin, kann mich kalt lassen; es kann aber eine andere Person verletzen." Am besten solle man also versuchen, die Gefühle der anderen zu berücksichtigen im Zweifelsfall nachfragen: Verletzt dich diese Frage? Wie möchtest du, dass ich über dieses bestimmte Phänomen spreche?

"Man muss die Leute dabei nicht behandeln, als seien sie ein zerbrechliches Püppchen", sagt Samia lachend. Es gehe aber darum, eine gewisse Sensibilität an den Tag zu legen.

Die Aktionswochen sollen daran erinnern und die Menschen zum Nachdenken anregen. Nachdenken auch über das eigene Privileg, diese Formen des Rassimus nicht zu kennen – besonders für diejenigen, die jetzt denken, das sei alles übertrieben und Rassismus gebe es heute nicht mehr.

Vom 21. März bis 03. April können die Events der Aktionswoche „Stop Racism“ besucht werden. Koordiniert werden die Wochen von der Organisation für Eine solidarische Welt (OEW), die einzelnen Events organisieren die beteiligten Vereine.

Detaillierte Infos unter: http://www.stopracism.it/

Das Programm (das ständig aktualisiert wird) gibt es hier: http://www.stopracism.it/events/

Betroffene in Südtirol können sich bei Diskriminierungsfällen an die Diskriminierungsstelle der OEW wenden:

0472 208 209
[email protected]

Dieser Blog wird von der Autonomen Provinz Bozen und vom Ministerium für Arbeit und Sozialpolitik unterstützt.