salto.music | Hospiz 2022

Live Electronics

Letzten Samstag, 28. Mai 2022, St. Florian/Neumarkt: „Hospiz” bot Techno mit teilweise live agierenden Artists. Einige Fotos plus Interview mit einem der Organisatoren.
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Foto: rhd
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Nur eine Bühne, die das Publikum jedoch bestens zu bedienen wusste: Das „Hospiz 22” fand am vergangenen Wochenende innerhalb der alten Mauern des Klösterles von St. Florian/Neumarkt statt. Foto: rhd

 

salto.music: Positiv aufgefallen ist uns beim „Hospiz”-Event am letzten Wochenende, dass ihr nur 250 Personen eingelassen habt. Das war angenehm, weil es überall auf dem Gelände viel Bewegungsfreiheit (und also stressfreie Möglichkeit zum Smalltalk und kaum Wartezeiten an der Bar) gab. War das euer Ziel?

Philipp Kieser: Die Begrenzung der Teilnehmerzahl war eine bewusste Entscheidung unsererseits. Nicht um den Event exklusiv zu halten, sondern wir haben das in erster Linie für uns selbst, für uns als Organisatoren gemacht. Wir kennen das auch mit größeren Besucherzahlen und der Organisationsaufwand ist da ein völlig anderer, schon allein genügend verlässliche freiwillige Mitarbeiter zu finden.

Wir sind sind nicht gewinnorientiert, sondern wir sind ein gemeinnütziger Verein, der den eventuellen Gewinn in zukünftige Acts oder Veranstaltungen investieren kann.

Wenn man es klein hält und es preislich etwas anpasst, dann ergibt sich ein ausgeglichenes Verhältnis. Es ist eine Größe, die wir stemmen können, nachdem wir letztes Jahr ein Event mit nur 150 Tickets hatten.

Man hat also ein interessiertes Publikum und das wirkt sich sehr positiv auf die Stimmung des Events aus.

Der Eintritt war heuer 15 Euro als Standard, damit sich jede/r das auch leisten kann, aber es gab auch die Möglichkeit mehr zu bezahlen: 25 Euro mit der Vereinsmitgliedschaft für ein Jahr, 35 mit zusätzlichem T-Shirt und 50 mit einem Hoodie.

Die Begrenzung der Tickets hat auch zur Folge, dass nur Leute kommen, die sich um diese rechtzeitig bemühen. Man hat also ein interessiertes Publikum und das wirkt sich sehr positiv auf die Stimmung des Events aus.

Die Location selbst würde das dreifache an Publikum zulassen, aber dann müsste man auch zwei oder drei Bühnen aufstellen. Beim ersten und zweiten Festival hatten wir drei Bühnen, weitere Episoden hatten nur eine Stage. Im September werden wir wieder eine zweite Bühne vor den Toren aufstellen und die andere Bühne in die Kapelle verlagern, damit im Atrium, im Hof, ein Begegnungsort entstehen kann. Das Klösterle ist eine sehr modular nutzbare Location.

 

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Einer der Liveacts, die an diesem Abend das zu erleben waren: Der Elektronik-Musiker Joachim Planer mit seinem hybriden Setup. Foto: rhd

 

salto.music: Drei der insgesamt sechs Acts waren live. Ist das eine Tendenz im Techno, in der elektronischen Musik?

Philipp Kieser: Es hat immer schon Leute gegeben, die Techno oder elektronische Musik live gespielt haben. Nach meinem Gefühl gibt es letzthin aber mehr davon. Das hat vor allem auch damit zu tun, dass durch die Technologien die Möglichkeiten vereinfacht wurden.

Aber es gibt ja verschiedene Formen von „live”. Es gibt die puren, analogen Liveacts, wie Miki, und das ist in meinen Augen eine hohe Kunst. Dann gibt es die hybriden Liveacts, und es gibt jene die mit einem Laptop in Verbindung mit iPads oder iPhones Livesets spielen.

Es ist ein Versuch, sich als Künstler zu differenzieren. Es muss nicht immer besser sein, als ein DJ-Set, aber es ist eine andere Dynamik.

Es ist ein Versuch, sich als Künstler zu differenzieren. Es muss nicht immer besser sein, als ein DJ-Set, aber es ist eine andere Dynamik und es ist eine andere Arbeit. Alpi, und auch Joachim Planer, haben anspruchsvolle Live-Sets gespielt, aber um diese vorzubereiten braucht es viele Monate bis alles sitzt, und dann musst du es auch noch performen.

Ich kann mich für beides begeistern. Ein Live-Set enthält halt viel vom Künstler selbst, Sachen die er selbst produziert. DJs greifen oft auf Material von anderen zurück, aber auch da gibt es wieder solche, die nur eigenes Material auflegen.

Die Live-Komponente ist für Hospiz auf alle Fälle wichtig, weil sie dem Ganzen einen anderen Charakter verleiht. Vor allem aber gibt es den Künstlern die Möglichkeit, sich selbst auszudrücken, und das ist mir beim Booking mit das Wichtigste. Der Künstler muss sich frei fühlen, es ist ein Raum für Experimente, für neue Sachen. Und das war auch letztes Wochenende der Fall: Joachim Planer hat seinen ersten Liveset gespielt, Alpi haben erstmals ihr neues Set gespielt und ebenso Miki. Und das ist die Essenz des Bookings: Der Künstler soll das spielen können, was er sonst vielleicht nirgendwo spielt.

salto.music: Und wie reagiert das Publikum darauf?

Philipp Kieser: Bis jetzt waren die Feedbacks immer sehr positiv. Die Leute werden angeregt und sagen, sie hätten so etwas noch nie gehört oder noch nie gesehen. Das macht schon Spaß.

 

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Neben den drei Liveacts Joachim Planer, Alpi und Miki, legten auch drei DJs ihre Sets auf: Reddey, Nirak und, abschließend, DJ Clè boten unterschiedliche Varianten von Techno und verwandter Richtungen. Foto: rhd

Das heißt zum Beispiel, eine gewisse Radikalität darin, genau das zu tun was einem taugt.

salto.music: Miki, der mit unterschiedlichen analogen Synthesizern und ähnlichem Gerät gearbeitet hat, ist Teil des Aurer Kollektivs Sonomad. Es gibt also eine Zusammenarbeit zwischen Hospiz und Sonomad...

Philipp Kieser: In gewissen Kontexten haben wir bereits zusammengearbeitet. Sonomad sind für mich eine große Inspiration. So wie sie ihre Sachen aufziehen, hat sehr viel mit D.I.Y. zu tun und mit einer gewissen Haltung, und diese Haltung respektiere ich. 

salto.music: Das heißt?

Philipp Kieser: Das heißt zum Beispiel, eine gewisse Radikalität darin, genau das zu tun was einem taugt. Sonomad ist ein Mikrokosmos hier im Unterland. Ihre Erfahrungen in der Free-Szene spielen da natürlich hinein und sie ziehen ihr Ding durch. Sehr inspirierend!

 

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Auch wenn die Musik mitunter unerwartet war, das Publikum von „Hospiz 22” nahm das Angebot sehr positiv und mit Neugier auf: Der Hof im Klösterle von St. Florian/Neumarkt war eine sich ständig bewegende Tanzfläche. Foto: rhd

 

salto.music: In der Bandszene ist während der Covid-Zeit die Diskussion zu den Gagen aufgekommen. Wie geht ihr damit um?

Philipp Kieser: Es gibt intern angeregten Dialog zum Thema. Ich finde, dass man die Leute gut bezahlen muss, das heißt, das schlägt sich dann natürlich auch auf den Eintrittspreis nieder. Da gehen die Meinungen diametral auseinander. Kultur muss auch leistbar bleiben, deshalb die verschiedenen Optionen beim Ticketpreis.

Und, was einigen von uns gefallen würde, ist die Öffnung zum Punk, einfach Vollgas!

salto.music: Versucht Hospiz die musikalische Gegenwart einzufangen oder nehmt ihr einfach was sich bietet? Oder anders gefragt: Widerspiegelt das LineUp vom letzten Wochenende die elektronische Musik von 2022? 

Philipp Kieser: Man muss natürlich unterscheiden, zwischen der elektronischen Musik, die als Pop-Musik wahrgenommen wird und jener, die Teil der Sub-Kultur ist. Was die weltweite Situation betrifft, so deckt sich das teilweise, weil es eine Rückbesinnung auf die Neunziger Jahre gibt. Ein Beispiel dafür ist die Verschmelzung der Genres, egal ob es Breakbeat mit Techno oder Ambient mit HipHop ist. Auch die DJ-Sets sind Multi-Genre, wie in den alten Rave-Days. Das ist eine neue Strömung, vor allem bei den jungen Leuten, weil diese, meiner Meinung nach, durch die Playlists von Spotify viele unterschiedliche Genres vorgeschlagen bekommen und für sich entdecken. Und so entstehen DJ-Sets von fünf bis sechs Stunden, in denen – wie früher – von House, Jungle, Ambient, Techno bis hin zu HipHop alles verschmolzen wird.

Das ist auch mein Zugang für mein Projekt Moira, bei dem Ambient, Breaks, Jungle und Techno zu einer eigenen Story, einer eigenen Geschichte, miteinander verflochten wird.

Was bei uns fehlt, und daran arbeiten wir, ist die Repräsentation der Frauen im Line Up. Da haben wir – Stefan Gabalin aka Rudi Ratte und ich – uns sehr schwer getan, passende Acts zu finden, die leistbar, aber auch verfügbar waren und stilistisch auch dazu passten.

Und was noch fehlt ist diese ganz neue hybride, trappige, HipHop-lastige, Bass-lastige Musik mit Live-Gesang, also die Kombination von Stimme und Electronic.

Und New Wave, Wave-Music mit Post-Punk-Elementen. Ich weiß nicht woher das so plötzlich kommt, aber es wird viel gehört im Moment.

Und, was einigen von uns gefallen würde, ist die Öffnung zum Punk, einfach Vollgas! Und es können dabei auch durchaus Livebands sein, es muss nicht unbedingt elektronisch sein. Das wäre eine spannende Verbindung.

 

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Präsentierte erstmals einen vollen, einstündigen Liveset: Joachim Planer wusste dabei Techno-Elemente und „klassische” elektronische Musik miteinander zu verschmelzen und schuf damit eine packende Mischform. Foto: rhd

Mein Ziel wäre es, alles mit dem europäischen Feld zu verknüpfen. So wie es Hannes Götsch mit der BASIS Vinschgau Venosta macht. Er leistet da wirklich Pionierarbeit.

salto.music: Ist der Verein Hospiz nur in dieser Location aktiv?

Philipp Kieser: Nein, wir machen auch Events im Jugend- und Kulturzentrum Point in Neumarkt und am 30. Juli sind auf wir Einladung von Thomas Kobler zu Gast im Ost-West-Club Country Club, eine sehr wichtige Location für die Meraner Subkultur. Mitte Juni zeigt der Filmclub in Neumarkt drei Filme zum Techno und wir wurden gefragt, ob wir den Aperitivo bespielen.

Die Leute im Lande kennen uns mittlerweile und wissen wofür wir stehen und was wir machen. Mein Ziel wäre es, alles mit dem europäischen Feld zu verknüpfen. So wie es Hannes Götsch mit der BASIS Vinschgau Venosta macht. Er leistet da wirklich Pionierarbeit und bringt uns als Südtirol auf die europäische Landkarte. Das wird uns noch sehr viel bringen, weil wir den Input von draußen unbedingt brauchen, sonst stagnieren wir zu sehr.

salto.music: Abschließend: Was kannst du zum Festival im September sagen?

Philipp Kieser: Das Booking wird internationaler sein, es wird mindestens zwei Bühnen geben, wir werden die Kapazitäten etwas erhöhen, es werden zwei Festival-Tage sein und es wird Panels geben, bei denen unterschiedliche Themen diskutiert werden. Zudem soll versucht werden, einen Prozess einzuleiten, bei dem der Frage nachgegangen wird, was mit diesem Ort passieren könnte.

Bei der dieser letzten Edition haben wir und das Publikum das Klösterle mit Umfeld exkursionistisch mit dem Archäologen Hanns Oberrauch und dem Historiker Christian Pernter untersucht, um zu verstehen was hier los war die letzten 2000 und mehr Jahren.

Zu guter Letzt gibt es auch noch die Option, beim vor/während/nach dem Festival zu helfen und damit seinen Beitrag zu leisten. Da suchen wir immer motivierte Leute.

Und: Wir werden viel Spaß haben und viel gute Musik hören.

 

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Der Blick von der Bühne ins Publikum: Im September wird es mindestens zwei Bühnen geben und der Innenhof vom Klösterle wird zum Begegnungspunkt. Foto: rhd 

 

Links: 

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Joachim Planer Spotify: https://open.spotify.com/artist/2t6m0VGDi1lSCLVR2avJzl
Alpi Soundcloud: https://soundcloud.com/thisisalpi