Gesellschaft | Charakterköpfe

Pioniere des Aufschwungs

Grand Hotels, Eisenbahn, Kraftwerke, Konsumvereine und Genossenschaften. Aufbruch in eine neue Zeit.
Negrelli. Luigi
Foto: upi
Am Ende des 19.Jahrhunderts erlebte das südliche Tirol einen großen Aufschwung. Eine wesentliche Rolle spielte bei diesem Aufbruch in eine neue Zeit die verkehrstechnische Erschließung des südlichen Tirols durch neue Straßenbauten, vor allem aber durch die Eisenbahn. 1860 erfolgte der Anschluss an das oberitalienische Eisenbahnnetz,
1867 rollten die Eisenbahnwaggons erstmals über den Brenner nach Bozen, 1871 ins Pustertal, 1881 nach Meran und 1906 in den Vinschgau. Meran und in etwas abgeschwächter Form Gries bei Bozen entwickelten sich ab den 1880er Jahren zum beliebtesten Treffpunkt des Hoch- und Geldadels im alten Kaiserreich.
Man müsste heute Wolkenkratzer errichten, um eine ähnliche Veränderung von Siedlung und Landschaft zu erzielen, wie diese in der späten k.k. Zeit durch den Bau von Grand Hotels stattfand. Im Zuge des sich rasant entwickelnden Alpinismus gelangte der Gästestrom auch in bisher abgelegene Gebiete.
 
 
In der Landwirtschaft sorgte die Gründung von Fachschulen in San Michele (1874) und Rotholz (1879), die Etschregulierung, der Aufstieg des Obstbaues und die Gründung von Genossenschaften ebenfalls zu einem Aufschwung. Auch das produzierende Gewerbe begann sich zu entwickeln. Beispiele dafür sind die Holzschnitzerei in Gröden, die Marmorwerke in Laas, die Porphyrbrüche in Branzoll, sowie die Textilfabriken in Bozen, Klausen, Brixen, Sterzing und Bruneck.
1902 wurden im Lande 29 Industriebetriebe gezählt, wovon allerdings nur 8 mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigten.
1902 wurden im Lande 29 Industriebetriebe gezählt, wovon allerdings nur 8 mehr als 50 Mitarbeiter beschäftigten. Als Antriebskraft konnte die neue Stromenergie genutzt werden, welche in den ab den 1890er Jahren erbauten Wasserkraftwerken produziert wurde. Sie lieferten auch den Strom für die Haushalte, wo die Glühbirne das bisherige Gaslicht ersetzte.
Mit dem Tourismus und dem produzierenden Gewerbe entstanden im südlichen Tirol zahlreiche neue Arbeitsplätze. Der Bau von Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen, sowie neue Sozialgesetzte, wie die Einführung der Unfall- und Krankenversicherung, verbesserte die Lebenssituation der Menschen.
Die Gründung von Genossenschaftsbanken nach dem Modell Raiffeisen kam den stark verschuldeten landwirtschaftlichen Betrieben zu Gute und ermöglichte tragbare Finanzierungen von Investitionen. Von 1889 bis zum Ende der Monarchie entstanden im heutigen Südtirol 126 „Spar- und Darlehens-Kassenvereine“. Wesentlich gefördert wurden diese Entwicklungen durch eine Machtverschiebung in der Landespolitik von der bisher dominierenden klerikal-konservativen zur Christlichsozialen Partei.
Treibende Kraft für den Aufschwung des Landes waren einzelne Persönlichkeiten, welche durch ihren Erfindungsgeist und unternehmerische Tüchtigkeit die Weichen stellten. Die Erfindungen von Johann Kravogl (1823-1889) und Peter Mitterhofer (1822-1893) gelten als Vorläufer des Elektromotors und der Schreibmaschine.
 
 
Als Bauingenieure setzten Josef Diulle und Alois Negrelli, der Projektant des Suezkanals, im Bereich der Wildbachverbauung und des Straßenbaues neue Akzente. Technische Perfektion und unternehmerischen Geist vereinte der Bozner Josef Riehl (1841-1917) in seiner Person. Er war als Planer oder Financier an zahlreichen innovativen Projekten beteiligt, von der Zahnradbahn auf den Ritten über die Überetscherbahn bis zur Pusterer- und Taufererbahn. Gemeinsam mit dem ebenfalls aus Bozen stammenden Ingenieur und Bauunternehmer Karl Innerebner baute er das damals größte Wasserkraftwerk der österreichischen Monarchie an der Sill in Nordtirol, sowie mehrere Elektrizitätswerke für die Städte Brixen, Meran und Bozen.
Als Tourismuspionier ist neben dem Meraner Langzeitbürgermeister Josef Valentin Haller der Wahlmeraner Theodor Christomannos zu nennen, dem unter anderem die verkehrstechnische Erschließung der Ortlergruppe und der Dolomiten zu verdanken ist.