Wirtschaft | Flughafen

Nebelkerzen auf der Startbahn

Die Handelskammer hat ihr Interesse an der Führung des Bozner Flughafen bekundet. Widerspricht dieses Engagement einer öffentlichen Institution nicht dem Volksentscheid?
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Foto: salto
Die Ausschreibung endete heute um 12 Uhr Mittag. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden im Amt für Eisenbahnen und Flugverkehr drei verschlossene Kuverts hinterlegt. Es sind die Interessenbekundungen zur Übernahme des Bozner Flughafens.
Zur Erinnerung: Am 12. Juni 2016 hatte das Land südtirolweit eine Volksabstimmung zum Flughafen abgehalten. Die Fragestellung war zwar etwas verklausuliert, doch es ging um die Finanzierung des Bozner Airports. Ein Ja sollte die künftige Finanzierung des Flughafens durch die öffentliche Hand sichern, ein Nein sie beenden.
Das Ergebnis des Flughafenreferendums war eindeutig: 70,6 Prozent haben mit Nein gestimmt, 29,4 Prozent mit Ja. Folgerichtig stellte das Land die Finanzierung der Flughafen-Trägergesellschaft ABD ein. Weil man den Flughafen aber nicht einfach schließen kann, beschloss die Landesregierung, die Betreibergesellschaft ABD zu veräußern.
Am 23. August 2017 schrieb die zuständige Abteilung Mobilität eine öffentliche Interessenbekundung aus. „Es geht hier ausschließlich um eine Marktsondierung“, erklärt die zuständige Amtsdirektorin Carmen Springer gegenüber RAI Südtirol. Bis 12 Uhr am heutigen Freitag musste die unverbindliche Interessenbekundung hinterleget werden.
 

Die Privaten

 
Eingegangen sind zwei Angebote privater Unternehmer. Eines von SAD-Besitzer Ingemar Gatterer und ein zweites vom Bozner Multiunternehmer Josef Gostner. „Mir geht es um das Fortbestehen des Südtiroler Flughafens“, sagt Gostner zu salto.bz. Der begeisterte Pilot und Besitzer mehrerer Flugzeuge erklärt, dass er nur eine Absichtserklärung hinterlegt habe. Von Kauf, Pacht oder gar möglichen Beträgen sei noch keine Rede.
Man weiß überhaupt nicht, was ausgeschrieben wird“, meint Josef Gostner. Das wichtigste am Flughafen ist die Konzession - doch die ABD hat nur eine provisorische. „Bevor diese grundlegenden Dinge nicht geklärt sind“, meint Josef Gostner, „wird man ganz sicher nicht übers Geld reden können“.
 
Das ist jetzt die Hausaufgabe des Landes. Die zuständigen Ämter wollen, nachdem drei Interessenten am Tisch sitzen, noch in diesem Jahr den Verkauf der ABD ausschreiben. Für Josef Gostner ist dabei eines sicher: „Ich gehe davon aus, dass wir alle drei gemeinsam an einem Strick ziehen werden“.
Das heißt: Die drei Interessenten werden am Ende mit größter Wahrscheinlichkeit zusammenarbeiten. „Ich habe darüber konkret mit der Handelskammer schon gesprochen“, plaudert der Bozner Großunternehmer aus der Schule.
 

Die Handelskammer

 
Denn eine der Interessenbekundungen, die im Landesamt für Eisenbahnen und und Flugverkehr hinterlegt wurden, stammt von der Bozner Handelskammer.
Diese öffentliche Institution setzt sich traditionell für den Bozner Flughafen ein. Bereits im Herbst 2015 hat der Kammerausschuss der Handelskammer Bozen beschlossen, den Betrieb des Flughafens Bozen mit bis zu 50 Prozent mitzutragen, sollte das Referendum positiv ausgeht. Mit bis zu 2,5 Millionen Euro wollte sich die Handelskammer jährlich an den Führungskosten beteiligen.
Handelskammerpräsident Michl Ebner hielt bereits damals über sein Tagblatt den Kritikern dieser Entscheidung entgegen: „Das ist kein Steuergeld, sondern das sind die Gelder von 58.000 Südtiroler Unternehmen, die ihre Beiträge an die Handelskammer zahlen.
 
Vergangene Woche beschloss der zwölfköpfige Ausschuss der Handelskammer, dass man diesmal das Interesse an der Führung des Bozner Flughafen bekunden wird. Deshalb hat der Generalsekretär der Handelskammer, Alfred Aberer, am Freitagvormittag auch eine schriftliche Interessenbekundung im zuständigen Amt hinterlegt.
Dabei wurden einige Mitglieder des Ausschusses völlig überrumpelt. Der 48-köpfige Rat der Handelskammer, in dem alle Sozialpartner sitzen, wurde mit dem brisanten Thema selbstredend erst gar nicht befasst.
 

Keine Steuergelder?

 
Der Volksentscheid im Juni 2016 ist klar: Es darf kein Steuergeld mehr für die Finanzierung des Bozner Flughafens verwendet werden.
Die Handelskammer Bozen ist eine autonome öffentliche Körperschaft, die der Region untersteht. Sie wird maßgeblich von der Region und vom Land finanziert. Im abgelaufenen Jahr 2016 erhielt die Handelskammer insgesamt 5.485.892 Euro an direkten Beiträgen von der Region bzw. vom Land. Dazu kommen noch einmal über 2,5 Millionen an Spesenrückerstattungen für Dienstleistungen, die die Handelskammer für die öffentliche Hand erfüllt.
Die gesamten „Einnahmen und Erlöse aus institutionellen Tätigkeiten“, wie es in der offiziellen Bilanz der Handelskammer heißt, betrugen für das Geschäftsjahr 2016 15.344.448 Euro. Den Löwenanteil bilden dabei neben den öffentlichen Beiträgen die Jahresgebühren (6.724.771) und die Sekretariatsgebühren und Verwaltungsstrafen (3.133.785).
 
Michl Ebner argumentiert seit Jahren, dass diese Gelder die Beiträge der Südtiroler Wirtschaft sind und damit keine Steuergelder. Die Schlussfolgerung: Demnach könne die Handelskammer damit tun, was sie will. Auch den Flughafen finanzieren.
Es ist eine Argumentation, die auf sehr tönernen Füßen steht. Denn die Gebühren und Verwaltungsstrafen sind Zwangsgebühren, die der Staat festlegt und die Unternehmer, Handwerker und auch Bauern von Gesetzes wegen jährlich entrichten müssen.
Die Bezahlung dieser Gebühren an die Handelskammer erfolgt wie die Zahlung fast aller übrigen Steuern per Vordruck F24. Demnach sind diese Gebühren Abgaben. Genau das steht denn auch im offiziellen Jahresabschluss der Handelskammer. Ein Teil dieses Abschlusses ist die Gewinn- und Verlustrechnung, die formal nach Maßgabe eines Dekrets erstellt werden muss, welches das Finanz- und Wirtschaftsministerium am 27. März 2013 erlassen hat.
In diesem Schriftstück kommt das Wort "Jahresgebühren" nicht vor. Sondern die Kammerbeiträge von 6,7 Millionen Euro werden unter dem Titel „Steuer- oder steuerähnliche Einnahmen“ verbucht.
Demnach dürfte mehr als klar sein, dass es sich auch bei diesen Geldern rechtlich um Steuergelder handelt. Rechnet man aber diese 15,3 Millionen Euro weg, bleibt der Handelskammer kaum mehr Geld für den Bozner Flughafen. Außer man greift auf die durch öffentliche Beiträge und Steuergelder angehäuften Ersparnisse zurück.
 

Der Interessenkonflikt

 
Es gibt auch noch eine andere Seite des finanziellen Engagements der Handelskammer am Bozner Flughafen, die man weniger gerne beleuchtet.
Der Präsident der Handelskammer Michl Ebner ist auch Eigentümer des größten Südtiroler Reise- und Charterfluganbieters. Zur Athesia-Holding gehört auch die Reiseagentur „Athesia Tourdolomit“. Das Unternehmen ist in Südtirol nicht nur führend beim Verkauf von Linienflugtickets, es hat auch eine Tochterfirma gegründet, die Charterflüge vom Bozner Flughafen aus anbietet. Die „Aveo Tours“ ist seit Jahren der größte Charterfluganbieter Südtirols. Allein im Sommer 2015 hat man – nach eigenen Angaben - 5.472 Tickets verkauft. Wenn man bedenkt, dass der Bozner Flughafen im Jahr 2013 insgesamt 25.303 Passiere verzeichnete, dann sind die über 5.000 Passagiere der Aveo Tours keine Peanuts.
Das Flughafen-Engagement der Handelskammer kommt deshalb der Reisebürokette des Präsidenten und seinem Charterflugunternehmen mehr als gelegen.
 

Die Vermittlerrolle

 
Dass das geplante Engagement der Handelskammer nach dem deutlichen Volksentscheid eine Gratwanderung ist, weiß auch Michl Ebner.
Deshalb versucht man öffentlich etwas abzulenken. In einer Pressemitteilung erläuterte die Handelskammer ihre noblen Absichten:
 
„Die Handelskammer Bozen ist sich der Bedeutung des Flughafens Bozen für die Südtiroler Gesellschaft bewusst und hat deshalb Interesse daran, den Betrieb des Bozner Flughafens aufrecht zu erhalten. Dafür braucht es aber eine zentrale Koordinationsstelle. Diese Aufgabe wird die Handelskammer übernehmen.
 
Wir haben diese Möglichkeit im Kammerausschuss besprochen und sind, im Sinne der Südtiroler Bevölkerung, zu dem Entschluss gekommen, dass eine Übernahme des Flughafens durch private Investoren für alle – nicht nur für die Wirtschaft - die beste Lösung sei“, lässt sich Handelskammerpräsident Michl Ebner zitieren.
Alfred Aberer, Generalsekretär der Handelskammer ergänzt: „Damit eine Beteiligung von Privaten möglich und interessant ist, braucht es einen gemeinsamen und koordinierten Auftritt bei den zukünftigen Verhandlungen mit dem Land.“
Es gibt einen Begriff, der diese Art der Kommunikation wohl am Besten beschreibt: Das Nebelkerzenwerfen.
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kurt duschek Fr., 29.09.2017 - 20:12

Er hat zwar keine Erfahrung mit Nebelkerzen, dafür kennt er sich bei den Schneekanonen aus!!
Hier bietet sich förmlich ein neues Aufgabengebiet für den gerade von Gletscherproblemen freigestellten ehemaligen Journalisten und Landespolitiker EPR (Elmar Pichler Rolle) an.
Weiters wäre er geeignet durch seine Erfahrung mit Eingaben der Umweltverbände und nicht genehmigten Schipisten. Diese kostbaren Erfahrungen von EPR könnten perfekt für die "Optimierung" (...oder Verlängerung?) der Landebahn des Bozner Flughafens eingebracht werden. Gleichzeitig würden brachliegende Personalresourcen optimal im Sinne der Wirtschaft Südtirols und der Handelskammer Bozen zum Einsatz kommen.
NB: diese Informationen sind reine Spekulation, könnten aber trotzdem zutreffen.

Fr., 29.09.2017 - 20:12 Permalink
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Sigmund Kripp Fr., 29.09.2017 - 20:50

"Das ist kein Steuergeld, sondern das sind die Gelder von 58.000 Südtiroler Unternehmen, die ihre Beiträge an die Handelskammer zahlen."
Eben!
Darum muss auch unter den 58.000 Unternehmen eine Umfrage durchgeführt werden, ob sie diese Beteiligung der von ihnen finanzierten Handelskammer am Flughafen überhaupt wollen! Ich bin dagegen! Die Handelskammer ist nicht dafür da, selbst Unternehmerin zu werden!

Fr., 29.09.2017 - 20:50 Permalink