Wirtschaft | Vortrag im Bozner Kolpinghaus

„Wir investieren in Hände“

Für den österreichischen Tee- und Gewürzspezialisten „Sonnentor“ ist das Bekenntnis zur Gemeinwohlökonomie Teil der Firmenphilosophie. Dafür hat man sogar ein Zertifikat.
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Der Begriff Gemeinwohl“, sagt Angelika Unterrainer, langjährige Mitarbeiterin von Sonnentor, „ist alt und zugleich neu.“ In vielen Verfassungen steht bereits drin, dass die Wirtschaft dem Gemeinwohl dienen solle. Allerdings ist der Bezug zu diesem Grundgedanken mit den Jahren immer mehr verloren gegangen. Mittlerweile gibt es jedoch, ausgehend von der Initiative des österreichischen Attac-Gründers Christian Felber, eine breit aufgestellte Initiative, die eine Wende in der Wirtschaft - weg vom Gedanken der Gewinnmaximierung, des Verdrängungswettkampfes und des grenzenlosen Wachstums - hin zu einer Gemeinwohlökonomie einleiten will. Ein Wirtschaften bei dem Kooperation, Sinnhaftigkeit und qualitatives Wachstum im Vordergrund stehen.
Mehr als 1.400 Unternehmen in 26 Ländern haben sich bereits dieser Initiative angeschlossen und eine Gemeinwohlbilanz für ihr Unternehmen erstellt. Zu diesen Unternehmen gehört auch Sonnentor. Im zugehörigen Audit wurden die Bereiche Werte, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit sowie demokratische Mitbestimmung und Transparenz von externen Auditoren untersucht. Daraus wird eine Bilanzsumme erstellt, die durch weitere Maßnahmen immer weiter verbessert werden kann und soll.

Es geht den Initiatoren um nichts weniger als darum, ein neues Wirtschaftssystem zu begründen. „Es geht um eine Demokratisierung der Wirtschaft, um einen sozialen Mehrwert, den Nutzen für die Gesellschaft, um lokale Kreisläufe, aber auch um den ökologischen Fußabdruck einer Firma“, sagt Angelika Unterrainer. Werte, die laut Unterrainer seit mehr als 20 Jahren zum Leitbild von Sonnentor gehören. Das Unternehmen war Ende der 1980iger Jahre als Ein-Mann-Betrieb von Johannes Gutmann im abgelegenen Weiler Sprögnitz im Waldviertel gegründet worden. In der strukturschwachen Gegend wagte Gutmann, gerade Anfang Zwanzig und ohne Job, den Schritt in die Selbständigkeit, um aus Kräutern, die ihm eine Hand voll Biobauern aus der Umgebung lieferten, Tees und Gewürze herzustellen. Heute, 25 Jahre später, hat Sonnentor 180 Mitarbeiter und wird von 150 Biobauern beliefert. Das Angebot umfasst mittlerweile 700 Produkte, darunter neben Gewürzen, Tee und Kaffee auch Suppen, Kekse und Kosmetik. In mehr als 50 Ländern erwirtschaftet man damit einen Umsatz von mehr als 25 Millionen Euro.

Gemeinwohlökonomie bei Sonnentor

  • Verwendung nachwachsender Energieträger – seit mehr als 20 Jahren setzt man auf Ökostrom und produziert 10 Prozent des Energiebedarfs mittels eigener Photovoltaikanlage, Niedrigenergiebetrieb
  • Verpackung  ist vollständig recyclebar, Teeverpackungen sind kompostierbar – Zellulose statt Plastik, Verzicht auf mineralölhaltige Farbstoffe
  • Höchstes Gehalt im Betrieb beträgt maximal das 3,5 fache des niedrigsten Lohnes
  • Mehr als 50 Prozent Frauenanteil in der Führungsetage
  • Gewinne werden nicht entnommen, sondern wieder im Betrieb investiert
  • Schaffung von lokalen Arbeitsplätzen durch verstärkten Einsatz von Handarbeit
  • Nebenerwerb für Bauern und Hausfrauen durch Heimarbeit beim Trocknen der Kräuter und in der Verpackung
  • Errichtung eines Betriebskindergartens am Hauptsitz in Sprögnitz
  • Förderung des sanften Tourismus im Waldviertel durch „Kräuterdorf“, Erlebnisgarten und Kräuterwanderweg, ab Frühjahr 2014 Biogasthaus und Seminarzentrum
  • Einsatz von Elektroautos, Minimierung der Flugkilometer und Investition in Aufforstungsprojekte zum Emissionsausgleich
  • Faire Handelsbeziehungen mit Lieferanten, langjährige Zusammenarbeit, Abnahmegarantien, ökosoziale Projekte in Ländern wie Nicaragua oder Tansania, Schul- und Brunnenbau
  • Schwesterunternehmen und Franchising-Projekte in Tschechien, Bulgarien, Rumänien, Kroatien und Albanien
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Wilfried Meraner Mi., 30.10.2013 - 12:31

Ich danke euch allen und bin- ja, wenn ich jetzt begeistert sage, dann werde ich nicht mehr als objektiv eingestuft, oder? Ich sage es trotzdem.
Ich finde einfach super was ihr macht. Danke an euch und an Christian Felber. Wer ernsthaft interessiert ist an Gemeinwohlökonomie sollte am besten sein geniales Buch darüber lesen. Aber es gibt auch viele überzeugende Videos auf Youtube dazu. Noch viel besser wäre ein Vortrag von ihm.
Apropos objektiv: ich bin nicht mit allem in dem Buch von Christian Felber einverstanden. Aber die Details der Durchführung sind vollkommen offen und sollen demokratisch festgelegt werden.

Mi., 30.10.2013 - 12:31 Permalink
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Oskar Egger Fr., 01.11.2013 - 06:59

Ja, Gott sei Dank ist der Kopf rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann! Eine Bank nach dieser Ökonomie soll es auch schon geben?

Fr., 01.11.2013 - 06:59 Permalink
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Günther Reifer Fr., 01.11.2013 - 16:02

Kurz zur Info: hier in Südtirol gibt es um die 30 GWÖ-Unternehmen - aller Branchen, von Hotels zu Industrie, von Handel bis zu Non-Proft. Im Vinschgau gibt es vier Pilot-Gemeinden die derzeit an der Erstellung der Bilanz arbeiten und sich zu einer Gemeinwohl-Region zusammenschließen möchten. Eine erste Präsentation der Ergebnisse gibt es am 28.11 (14.00 bis 18.00 Uhr) in Schloss Goldrain. Nächste Woche finden in den vier Gemeinden (Latsch, Schlanders, Laas, Mals) jeweils Abenddiskussionen mit interessierten Bürgern statt. In Rahmen des Projekts erstellen wir auch eine Machbarkeitsstudie zum Thema Regio-Geld und entwickeln in Zusammenarbeit mit der EURAC Indikatoren zur ländlichen Wohlfahrtsmessung. Jede(r) Interessierte ist in Goldrain willkommen. Bitte weitersagen :)

Fr., 01.11.2013 - 16:02 Permalink
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Wilfried Meraner Di., 05.11.2013 - 21:50

@Roland Kofler
Es tut mir leid, aber Ihr Kommentar ist für mich vollkommen absurd. Verwechseln Sie Bio mit Esoterik?
Wer ist die "selbstverwirklichte Herde"? Zählen Sie da alle dazu, die versuchen, naturverträgliche Lebensmittel zu kaufen?
Was bedeutet denn Bio? Diesen Begriff bräuchte es eigentlich gar nicht zu geben. Denn es ist die ganz normale und natürliche Nahrung, die schon viele Jahrtausende lang ausschließlich verwendet wurde. Die andere Nahrung müsste eigentlich einen eigenen Namen bekommen, die "nicht natürliche", die ihre eigenen Grundlagen- die Natur- zu zerstören droht.
Was heißt droht, ein großer Teil ist schon zerstört (natürlich auch durch andere rücksichstlose Techniken) . Aber wer das nicht selber sieht, dem kann es wohl auch keiner zeigen. Man kann alles anders interpretieren, auch physikalische Gesetze- bis einem das Dach über dem Kopf einstürzt.
Im Vergleich zur Weltgeschichte gibt es die degenerierte Nahrung erst eine winzige Zeit lang.
Ein kurzer Ausrutscher von "Wissenschaftlern" die glaubten, die physikalischen Gesetze besser zu beherrschen als die Natur selber?

Ach, vergessen wirs am besten. Freuen wir uns lieber über vorbildliche und zukunftsfähige Betriebe wie Sonnentor.

Di., 05.11.2013 - 21:50 Permalink