Gesellschaft | Dossier

Fakten auf den Tisch

Präsentation statistisches Jahrbuch zur Einwanderung: In Südtirol waren 2014 ca. 46.000 Ausländer ansässig. Doch es sind mehr Menschen ab- als zugewandert. Die Daten.

Dass auch der amtierende UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon einst ein Flüchtling war, dürfte wohl den wenigsten bekannt sein. Seine Geschichte nimmt er zum Anlass, um an die Gesellschaften der Welt zu appellieren: “Migranten können es zu etwas bringen und einen großen Beitrag für euch leisten.” Mit dieser Szene beginnt der Kurzfilm, der anlässlich der Präsentation des Statistischen Jahrbuchs zur Einwanderung am Donnerstag Mittag im Palais Widmann gezeigt wurde. Im “Dossier statistico immigrazione 2015” werden jährlich die jüngsten statistischen Daten zur Einwanderung veröffentlicht. Herausgeber ist die nationale Antidiskriminierungsstelle UNAR. Italienweit wurde das Dossier heute, am 29. Oktober, vorgestellt.

In Bozen waren neben Verena Nicolussi-Leck, Direktorin im Ressort Bildungsförderung, Deutsche Kultur und Integration, auch Fernando Biague, Matthias Oberbacher und Monika Weissensteiner teil. Biague und Oberbacher haben für das Jahrbuch die statistischen Daten für Südtirol zusammengetragen und sortiert, während Weissensteiner gemeinsam mit Salvatore Saltarelli für die Alexander Langer Stiftung einen Beitrag zur Brennerroute verfasst hat.


“Brücken statt Mauern”

Wer im knapp 500 Seiten starken Dossier blättert, erfährt, dass Ende 2014 etwas mehr als 5 Millionen Ausländer in Italien ansässig waren, 92.000 mehr als im Jahr zuvor. “Das ist vor allem auf die steigende Zahl der Geburten und der Familienzusammenführungen zurückzuführen”, erklärt Biague. Er ist überzeugt: “Die statistischen Daten belegen: Eine Zukunft ohne Immigranten ist nicht denkbar.” Vor allem angesichts des ökonomischen Beitrags, den sie für die Wirtschaft und das Pensionssystem leisten. Zahlenmäßig kommen die meisten Einwohner mit ausländischer Staatsbürgerschaft aus Rumänien (etwas mehr als eine Million), gefolgt von den Albanern (rund 500.000), Marokkanern (etwa 450.000), Chinesen (knapp 270.000) und Ukrainern (zirka 230.000).

Während der Vorführung des RAI-Kurzfilms zum “Dossier statistico immigrazione 2015”.

Neben den in Italien wohnhaften Einwanderern liegt ein weiterer Schwerpunkt des Dossiers auf den Flüchtlingen. So wurden in Italien im vergangenen Jahr 64.426 Anträge auf Asyl gestellt, mehr als das Doppelte als 2013. Damit liegt Italien EU-weit an dritter Stelle, gefolgt von Frankreich und Ungarn. Nur Schweden und Deutschland hatten mehr Asylanträge zu bearbeiten. Die meisten Asylbewerber kommen aus afrikanischen Ländern wie Nigeria, Mali und Gambia. Doch auch aus der Ukraine suchen immer mehr Menschen in Italien Zuflucht. Im ersten Halbjahr 2015 hat die Anzahl der Asylanträge von ukrainischen Bürgern bereits jene der gesamten Anträge von 2014 überschritten.

Neben weiteren nationalen Daten zu Beschäftigung, Arbeitslosigkeit, Frauen- und Minderjährigen-Anteil sowie Schulbesuch ging Fernando Biague auch auf die mehr als 1.000 Fälle von ethnisch-rassisch motivierten Diskriminierung ein, die 2014 von der UNAR registriert wurden. “In fast einem Drittel der Fälle handelte es sich um Diskriminierung durch die Medien, etwa ein Fünftel fand im öffentlichen Leben statt”, berichtete Biague, der gleichzeitig die Medien an ihre Verantwortung in Berichterstattung und Meinungsbildung erinnerte. Seine Anleitung für die Zukunft leitet Biague von einem päpstlichen Zitat von Jorge Mario Bergoglio ab: “Wir brauchen Brücken, keine Mauern.”


Südtirol

Die Daten zu Südtirol präsentierte Matthias Oberbacher. Am Jahresende 2014 waren insgesamt 46.045 Ausländer in der Provinz ansässig, das sind 8,9 Prozent der Gesamtbevölkerung und 567 Personen mehr als 2013. Doch gleich wie für Italien gilt auch für Südtirol: “Der Zuwachs ist nur durch die positive Geburtenrate zu erklären. Der Migrationssaldo für 2014 ist nämlich negativ”, informiert Oberbacher. In Summe sind 2014 117 Menschen mehr aus Südtirol aus- als eingewandert. Was die Herkunftsländer betrifft, stammen die meisten Einwanderer aus Albanien (12,1 Prozent), gefolgt von den deutschen Staatsbürgern (9,5 Prozent), Marokkanern (7,8 Prozent) und Pakistanern (7,3 Prozent). Ganze 138 Nationen sind in Südtirol vertreten. Mehr als die Hälfte der im Land lebenden Ausländer, nämlich 53,5 Prozent sind Frauen, knapp ein Viertel sind minderjährig.

Ausländische (links) und Südtiroler (rechts) Bevölkerung 2014 im direkten Vergleich.

Auch Oberbacher unterstrich den Beitrag, den die Migranten in Südtirol leisten würden. Neben den stetig zunehmenden ausländischen Unternehmensgründungen und somit für die Wirtschaft, auch im sozialen Bereich. “Es gibt einige Kindergärten, die wahrscheinlich hätten schließen müssen, wenn sich nicht Kinder mit Migrationshintergrund eingeschrieben hätten”, erklärt Oberbacher. Einziger Wermutstropfen in Sachen Bildung: Verhältnismäßig wenige ausländische Jugendliche entscheiden sich für einen höheren Bildungsweg, dadurch bliebe ihnen der Zugang zu universitären Einrichtungen verwehrt, wie Oberbacher bedauert.

Anteil der Kinder mit Migrationshintergrund an den Südtiroler Schulen im Schuljahr 2014/2015.
 

Der Brenner im Fokus

“Der Brenner hat seit 2014 einiges an Sichtbarkeit gewonnen”, liest man im Bericht von Monika Weissensteiner und Salvatore Saltarelli zur Brennerroute. Und das auch aufgrund der immens angestiegenen Anzahl an Rückführungen über die Grenze nach Italien. Vor allem Syrer und Eritreer sind im vergangenen Jahr von den österreichischen Behörden zurückgeschickt worden. Denn von den 42.320 syrischen und 34.330 eritreischen Staatsbürgern, die 2014 Italien erreichten, haben nur 502 beziehungsweise 474 auch dort einen Asylantrag gestellt. Die meisten wollen weiter, nach Norden. Die Alexander Langer Stiftung ist seit September 2014 gemeinsam mit der oew im Rahmen der “Brenner/o Border Monitoring”-Initiative am Brenner präsent und beobachtet die Situation. Zwischen 2010 und 2014 wurden insgesamt 8.472 Rückführungen an der Grenze von Österreich Richtung Italien durchgeführt, mehr als die Hälfte davon, nämlich 4.408, allein im vergangenen Jahr.