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„Jetzt müssen alle spuren“

Wie günstig ist eine Südtirol-Lösung tatsächlich für die heimischen Raiffeisenkassen? Walter Pichler, Direktor der Raika St. Martin, stellt so manches in Frage.
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Foto: Walter Pichler

salto.bz: Herr Pichler, die Raiffeisenkasse Ritten hat entschieden, sich der Trentiner Cassa Centrale Banca statt der Südtiroler Landesbank als Mutterbank anzuschließen. Wird die Raika St. Martin folgen?  
Walter Pichler: Unser Verwaltungsrat muss noch entscheiden. Doch man muss dazu sagen, dass wir schon heute nicht mehr mit der Südtiroler Landesbank zusammenarbeiten. Wir haben sowohl unser EDV-Zentrum als auch unsere Korrespondenzbank bei der nationalen Gruppe, also dem ICCREA, in Rom.  Sollte der Verwaltungsrat also entscheiden, wieder zu einer Südtiroler Lösung zurückzukehren, wäre das für uns aufgrund der hohen Umstellungskosten absolut existenzgefährdend. Und außerdem hätten wir eine großen Qualitätsverlust bei unserer EDV.

Weil Rom ein besseres EDV-System anbietet als Bozen mit dem Raiffeisen Information System (RIS)?
Auf jeden Fall. Man muss bedenken, dort sind 165 Raiffeisenkassen aus ganz Italien angeschlossen, wobei die größte Kasse, also jene von Rom, so groß ist wie alle Raiffeisenkassen Südtirols zusammen. Wir reden da von ganz anderen Dimensionen und natürlicherweise von ganz anderen Kosten. Das heißt, wir zahlen heute für unsere EDV ein Drittel von dem, das andere Raiffeisenkassen gleicher Größenordnung an das RIS in Südtirol zahlen. Und das in der heutigen  Zeit, wo wir als Banken ja ohnehin keine Verdienste haben.

Wie kommt es, dass eine kleine Kasse im Passeiertal mit Rom zusammenarbeitet? Schließlich wurde letzthin auch politisch viel Einsatz gezeigt, um den Kassen im Zuge der Reform einen autonomen Südtiroler Weg zu ermöglichen und eben nicht unter einer nationalen Mutter zu landen?
Das ist eine lange Geschichte, die vor allem mit unserem EDV-System zusammenhängt. Wir hatte lange ein gemeinsames Rechenzentrum mit anderen Kassen im Burggrafenamt, die Burg-Data, die von der Raiffeisenkasse Algund betrieben wurde. Als diese dann zum Raiffeisen Information System (RIS) wechselte, haben wir eine andere Lösung gesucht, die keine so große Umstellung mit sich brachte. Und damals hat man uns bei der Raiffeisen Landesbank gesagt: Wenn ihr nicht zu unserem Rechenzentrum wechselt, können wir Euch auch als Landesbank nicht mehr bedienen. Wir hatten zwar intern die Information bekommen, dass es technisch kein Problem gewesen wäre, doch man wollte das natürlich ausnutzen, um uns zum RIS zu zwingen. Wir haben dann aber statt dessen die  Cassa Centrale im Trentino als Korrespondenzbank gewinnen können. Als das bekannt wurde, kam dann noch einmal ein Anruf aus der Landesbank, dass wir doch bleiben könnten. Doch dann wollten wir nicht mehr.

Und seitdem wickeln Sie weder den Zahlungsverkehr noch ihren Datenverkehr über das Südtiroler System ab?
Nein, wir sind dann in mehreren Schritten in Rom gelandet. Lange mussten wir überhaupt keine Umstellungen vornehmen, die ja bei einem EDV-System für eine Bank immer sehr zeit- und ressourcenraubend sind. Einiges mussten wird dann doch anpassen, als wir uns gemeinsam mit 180 anderen Banken an das Rechenzentrum Iside in der Nähe von Mailand anschlossen. Das wurde dann vor zwei Jahren vom Zentralinstitut ICCREA  übernommen. Seitdem heißt es BCC Sistemi Informatici, es sollte eigentlich auch das einzige Rechenzentrum der italienischen Raiffeisenkassen werden. Diesen Weg geht man auch im Ausland, wo beispielsweise in Deutschland heute auch nur mehr ein Rechenzentrum alle Genossenschaftsbanken bedient.

Doch in Südtirols Raiffeisensektor hält man am eigenen Rechenzentrum fest – auch wenn es daran schon seit Jahr Kritik gibt? 
Im Moment schon noch. Aber ich bin mir sicher, dass es das RIS nicht mehr lange durchhalten wird, alleine weiterzumachen. Man hört jetzt schon, dass sie erste Maschinen nach Rom verlegt haben. Es kostet einfach viel zu viel und hat noch dazu eine niedere Qualität. Die kommen ja nicht mehr einmal mehr all den Änderungen nach, die es ständig gibt. Es liegt aber auch auf der Hand, dass ich ganz andere Standards und niedrigere Kosten habe, wenn ich als Rechenzentrum 165 Genossenschaftsbanken mit meist großen Dimensionen bediene als zuletzt 47 kleine in Südtirol.

Bis auf die Raika Meran, Ritten und St. Martin ziehen aber dennoch alle Raiffeisenkassen brav beim Rechenzentrum des Südtiroler Raiffeisenverbandes mit. Wie können sie sich das leisten?
Das frage ich mich auch oft. Es wird zwar ordentlich geschimpft, aber sie kennen halt alle auch nur das Südtiroler System und wissen nicht so recht über die Alternativen Bescheid. Und vor allem streitet der Verband auch alles konsequent ab, was man über deren Vorteile sagt. Man muss aber auch sehen, dass es für die Kassen hohe Umstellungskosten mit sich bringen würde, vom RIS auf unser Rechenzentrum umzusteigen. Ich kann schon verstehen,  dass dann viele sagen: Da zahle ich lieber mehr. Die Frage ist nur, wie lange sie sich das noch leisten können.

Auf die Raika St. Martin wurde nie mehr Druck ausgeübt, an die Brust des Südtiroler Mutter zurückzukehren?
Natürlich. Erst unlängst haben uns Verbands-Obmann Herbert von Leon und der Präsident der Landesbank Michael Grüner besucht, um uns davon zu überzeugen, zur Südtiroler Gruppe zu kommen. Da kommen dann auch so Argumente wie „Ihr im Andreas-Hofer-Tal werdet doch nicht Südtirol verlassen und zu den Walschen gehen.“ Aber ich habe ihnen schon gesagt: Wenn wir jetzt umstellen würden, wären wir in fünf Jahren doch wieder dort, wo wir jetzt sind. Denn auch sie werden mit der EDV letztendlich in Rom landen.

Verbandsdirektor Paul Gasser meinte nach der Entscheidung der Raiffeisenkasse Ritten unter anderem, dass die Einflussmöglichkeiten einer Kasse in Bozen sicherlich weiter größer sind als bei Gruppen außerhalb Südtirols. Hat er zumindest damit recht?
Ach wo, die tun doch eh immer schon was sie wollen. Das ist aber ein europaweites Problem, dass man in den Raiffeisenverbänden schon seit Jahrzehnten vergessen hat, dass sie eigentlich Dienstleister sind und die Raiffeisenkassen die Kunden. Statt dessen spielen sich die Verbände auf wie die Kommandeure und alle müssen das tun, was sie sagen. Ich kenne den Raiffeisenverband als Direktor seit 1970 und da wird immer Druck ausgeübt. Ich würde mir deshalb auch nicht zutrauen zu sagen, dass die Rittner eine unkluge Entscheidung getroffen haben. Das muss man jetzt erst sehen. Sicher ist aber, dass der Verband und die Landesbank mit der Reform tatsächlich tun können, was sie wollen. Denn jetzt haben sie wirklich alles in der Hand. Davor hatten sie zumindest mit 47 Meinungen zu kämpfen. Doch als capogruppo kann die Landesbank nun wirklich kommandieren und alle anderen müssen spuren.

Und wie läuft das beim römischen Zentralinstitut?
Ich muss sagen, wir haben bis jetzt sowohl mit den Trentinern als auch mit den Römern immer nur gute Erfahrungen gehabt. Wir haben ein gutes Verhältnis zu allen, kennen die Leute, auch den Direktor und Vize-Direktor der ICCREA- Holding, das sind alles patente Menschen.

Doch was haben die mit einer der kleinsten Raikas von Südtirol am Hut?
Wir waren größenmäßig zuletzt an 42. Stelle von 47 Raikas. Doch im Rating der Landesbank sind wir jetzt schon vier Jahre hintereinander an erster Stellte. Das heißt, wir sind die Besten - oder eben klein, aber fein.

Und das wollen Sie bleiben?
Ja. Wir wollen eigenständig bleiben, solange es geht. Sollte sich unser Verwaltungsrat aber doch für eine Südtiroler Lösung aussprechen, wäre die einzige Überlebenschance eine Fusion mit der Raiffeisenkasse Passeier. Dann würde es uns halt nicht mehr geben. Und das wollen zumindest weder der Obmann noch ich.