Umwelt | Revitalisierung

WRRL und Nachhaltigkeit

Gedanken zur Nachhaltigkeit und die Frage nach den Auswirkungen der Revitalisierung, der Umsetzung der Wasserrahmenrichtlinie (WRRL) in Südtirol.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Bei einem Spaziergang mit Roberta Bottarin an der Talfer, warfen wir einen Blick auf eine für Fische angelegte Fischwalze. “Wie lange wird das wohl halten?” War eine Frage. Bäche transportieren Material mit sich, lagern es ab und füllen Vertiefungen auf. Wie lange wird es dauern, bis die Fischwalze von Geschiebe aufgefüllt ist und als solche nicht mehr erkennbar ist? Schotterflächen werden mit der Zeit wieder bewalden, Fischwalzen verschüttet und Grundwasserteiche wieder verlanden. Es stellt sich die Frage nach der Nachhaltigkeit der angelegten Strukuren. Da Bäche dynamisch sind und gerade bei Spitzenhochwässern auch grosse Mengen an Material verfrachten, sind viele Revitalisierungsarbeiten nicht geeignet um langfristig und nachhaltig den Gewässerlebensraum aufzuwerten. Degradiert wird der Gewässerlebensraum dann, wenn sich invasive Neophyten auf den revitalisierten Flächen einstellen oder gestörte Ruderalflächen geschaffen werden.

In der Studie „Fluss- und Auenrenaturierung in Südtirol“ K. Alvera et al. wird festgestellt: “Im Falle der Renaturierung von Rückhaltebecken (z.B. Kurtatscherbach und Payersbergbach bei Nals) wird die natürliche Verlandung bzw. Sukzession als limitierender Faktor angegeben, da diese natürlichen Prozesse durch entsprechende Maßnahmen kontinuierlich aufgehalten werden müssen.” Die als Renaturierung bezeichnteten Maßnahmen des Ausbaggerns des Bachbettes oder Ausbaggerns von Rückhaltebecken verdeutlichen, dass die Arbeiten nicht nachhaltig sind, da Bäche Material transportieren und Bäume oberhalb der Mittelwasserlinie wachsen. Die natürliche Entwicklung der Bewaldung und die natürlichen dynamischen Prozesse werden zum limitierenden Faktor. Der limitierende Faktor bezeichnet jenen Faktor, der am weitesten vom Optimum entfernt ist. Ziel oder Optimalzustand bei vielen Revitalisierungen sind Pionierstadien der Entwicklung. Um diese Pionierstadien nachhaltig zu fördern, wären Maßnahmen notwendig gewesen, welche den Geschiebetransport und die Dynamik erhöhen. Der Rückbau von Verbauungen (Querbauwerken, Rückhaltebecken usw.) wäre notwendig gewesen, damit Bäche wieder mehr Matieral transportieren und größere Flächen für die Pionierstadien zur Verfügung stehen. 

Wie wenig nachhaltig die Arbeiten sind, verdeutlichen auch die gepflanzten Tamarisken, eine der Zielarten, die nach Rodungen von Auwäldern und Ufervegetation an vielen Bächen gepflanzt wurden. Wissenschaftler der Universität Padua haben die Orte, an denen diese Pflanzen gepflanzt wurden, aufgesucht und verglichen, wie viele tatsächlich angewachsen sind und überlebt haben. Es kam meist zu einem Ausfall von 30 bis 100%. Auch hierin zeigt sich, wie wenig nachhaltig und kurzlebig Arbeiten sein können. Ganz unabhängig vom Erfolg der Pflanzungen, stellt sich die grundsätzliche Frage nach der Sinnhaftigkeit solcher Pflanzungen. Wäre es nicht ausreichend gewesen, nur die natürlichen Vorkommen der Tamariske zu erhalten und Maßnahmen zur langfristigen Bestandssicherung zu ergreifen?

Über die Auswirkungen der Revitalisierungen hat sich Walter Blaas in einer Landtagsanfrage erkundigt: In der Studie zur "Fluss- Auenrenaturierung in Südtirol" (Alverà, Zerbe, Hecher, Gallmetzer) wird festgestellt: "Auch liegen meist keine detaillierten Erhebungen des Ausgangszustands vor, sei es auf der Art- oder Ökosystemebene. Lediglich die Fotodokumentationen lassen zumindest auf Landschaftsebene eine erste Bewertung der Renaturierung zu. Eine Zustandserfassung vor einer Renaturierung ist allerdings essentiell, um den Erfolg bzw. den Zielerreichungsgrad nach Abschluss der Maßnahmen qualitativ und quantitativ bewerten zu können."

In der Studie wird eine detaillierte Qualitätserfassung zur Bewertung vorgeschlagen, in der Wassergüte, Hydromorphologie, Naturnähe und Diversität herangezogen werden. Walter Blaas hat sich danach erkundigt, ob dieser Katalog angewandt wird. Der Katalog zur Qualtiätserfassung wird nicht angwandt, da aus diversen Gründen (Zeit, Personal) diese Arbeit nicht erledigt werden kann, wird geantwortet. Der Aspekt der Naturnähe betrifft degradierte Gewässerabschnitte (z.B. vom Asiatischem Staudenknöterich monodominierte Bestände, wie sie z.B. Thomas Wilhalm in einem Interview beschrieben hat) oder auch die Umgestaltung von naturnahen Lebensräumen (Rodung von Fichtenwäldern, Auwäldern usw).

In der Studie zur Fluss- und Auenrenaturierung wird eindringlich darauf hingewiesen, dass eine Zustandserfassung vor einer Renaturierung essentiell (!) ist. “Die Studien sind als Monitoring und Erfolgsmessung zu betrachten” wird in der Antwort der Landtagsanfrage von Schuler wiederholt. Doch können bei den allerwenigsten Revitalisierungen Fragen beantwortet werden wie etwa, ob sich der Zusand verbessert oder verschlechtert hat, ob die Arbeit erfolgreich war, ob man das Ziel erreicht hat, ob Arten zugenommen oder abgenommen haben, ob das Ökosystem degradiert oder aufgewertet wurde usw. 

In der Antwort von Landesrat Schuler fällt auf, dass das Amt für Landschaftsökolgie keine Erwähnung findet. Erwähnt wird das Amt für Jagd und Fischerei (Fischmonitoring alle 6 Jahr in mehrern Gewässern), das Amt für Gewässerschutz und das Biologische Landeslabor. Obwohl 90% der vom Aussterben bedrohten Arten an Feuchtgebiete gebunden sind und Gewässerökosysteme so bedeutende Lebensräume wie prioritär zu schützende Auwälder beherbergen, wird das Amt für Landschaftsökologie und die eigentlich zuständige Abteilung Natur Landschaft und Raumentwicklung nicht erwähnt.

Die Abteilung Wasserschutzbauten gestaltet Südtirols Flusslandschaften weiter und einen nachweisbaren Erfolg wird die Landesregierung bis 2027 schuldig bleiben. Ob die Umweltgelder sinnvoll eingesetzt werden, kann Landesrat Schuler nicht belegen. Sätze wie “ Individuen- und Artenzahlen nehmen zu” gehören in das Reich politischer Sonntagsreden und nicht in den Bereich rational-empirischer Betrachtungen. Die Verbesserung des ökologischen Zustands durch Aufwertung degradierter Gewässer wird man auch in Zukunft nicht vornehmen und das Vorkommen bekannter geschützter Arten und Lebensräume wird auch in Zukunft bei der Revitalisierung nicht beachtet.