Umwelt | Laimburg

Falsche Fische

Was folgt, wenn die mit Millionen an Euro gefütterte Landesfischzucht zu 95 % genetisch veränderte Tiere hervorbringt? Ein Kurswechsel - ohne personelle Konsequenzen.

Maximale Transparenz und Offenheit – das war das Motto, unter der am Mittwoch Vormittag eine nicht gerade einfache Pressekonferenz von Landesrat Arnold Schuler und Laimburg-Direktor Michael Oberhuber zum Thema Landesfischzucht stand. Über das Maximum ließ sich zwar streiten, wie nicht nur die Vertreter der Fischer am Rande der Pressekonferenz kritisierten. Denn so manch unangenehme Wahrheit wie Power-Point-Folie wurden erst auf Nachfrage oder wohl überhaupt nicht präsentiert. Doch angesichts der mittlerweile bestätigten Fakten musste vor allem der Laimburg-Chef die Hose zweifelsohne weiter runterlassen als ihm lieb war: Wie nun eine Stichprobe der Mach-Stiftung in San Michele all'Adige bestätigt hat, scheint ein Großteil der rund 8000 marmorierten Forellen, die von der Landesfischzucht mit Millionen an Steuergeldern gezüchtet worden waren, tatsächlich eine Kreuzung aus marmorierter Forelle und atlantischer Bachforelle zu sein. „Von den 406 untersuchten Fischen der Stichprobe wiesen nur 5 % die geforderte genetische Reinheit von rund 95 % auf“, verkündete der Landesrat das unangenehme Ergebnis.

Das keineswegs genehmer wird, wenn es in seinen Zusammenhang gestellt wird. Immerhin gab das Land in den vergangenen Jahren viel Geld aus, um die bedrohte und standorttypische Forellenart in den heimischen Gewässern zu erhalten. Dort wird ihr seit langem nicht zuletzt von der atlantischen Bachforelle der Garaus gemacht. Ein nicht heimischer Fisch, der sich, wie auch in einer Titelgeschichte des Wochenmagazins ff Anfang Februar beschrieben worden war, seit Jahren immer stärker in Europas Gewässern ausbreitet. Auch deshalb hat sich die vor rund 20 Jahren gegründete Landesfischzucht zunehmend auf die Züchtung der marmorierten Forelle konzentriert. Diese wurde teils vom Land selbst in Südtirols Gewässern ausgesetzt, teils an Fischereibewirtschafter weiterverkauft. Und zwar um ein Vielfaches des Preises anderer Fischarten – unter Verweis auf die intensive wissenschaftliche Begleitung der Fischzucht.

Ein schlechter Witz, wie sich nun herausstellt. Denn wie Laimburg-Chef Oberhuber auf der Pressekonferenz bestätigte, fand die letzte genetische Untersuchung der Fische im Jahr 2008 statt. Seit damals hatte man sich auf eine sogenannte phänotypische Selektion beschränkt, also die Auswahl nur aufgrund des Aussehens der Fische getroffen. „Nachdem das Ergebnis noch 2008 bei 90% der Fische eine genetische Reinheit anzeigte, dachte man, es reicht, erst nach einigen Generationen wieder genetische Untersuchungen vorzunehmen“, erklärte Oberhuber die Entscheidung. Heute, da sich zeige, dass die Enkelgeneration zu 90 % hybridisiert ist, sei man natürlich klüger.

Bozner Züchter mit weit besseren Ergebnissen

Wie allerdings die zahlreich vertretenen Fischereivertreter verstehen ließen, hätte ein solcher Super-Gau schon allein mit ein wenig Austausch unter den Fischereiverantwortlichen des Landes verhindert werden können. So hat beispielsweise der Fischereiverein Bozen die eigene Zucht von Marmorierten Forellen in einem aus Mitteln des Energiefonds finanzierten Projekt genetisch überprüfen lassen. Denn, im Rahmen der eigenen Aktivitäten habe man erkannt, dass „die Unterscheidung von Marmorierten Forellen von Hybriden mit der Bachforelle auf Basis einer phänotypischen Selektion nicht fehlerfrei sein kann“, heißt es in einem Artikel über das Projekt. Das dortige Ergebnis fiel jedoch weit vorteilhafter aus als bei der Landesfischzucht, erklärt der Vize-Präsident des Landesfischereiverbandes Rudi Messner.  Denn beim Bozner Verein musste beim Mutterfischstock nur ein Anteil von 4 % aufgrund eines zu hohen Hybridisierungsgrades ausgeschieden werden.  „Wir sind aber auch immer davon ausgegangen, dass die Genetik in der Landesfischzucht passt – auch weil in den Arbeitsberichten der vergangenen Jahre immer angeführt wurde, dass eine genetische Überprüfung durchgeführt wird“, meinte Messner.  Auch wurden seit 2013 über den Fischereifonds alljährlich Gelder für genetische Untersuchungen der marmorierten Forelle genehmigt und bezahlt. Was passierte also mit diesen Geldern? Und: Warum verließ man sich bei einem Forschungszentrum wie der Laimburg trotz der vorhandenen Mittel auf solch oberflächliche Untersuchungen?

Wirklich aussagekräftige Antworten auf solche Fragen konnte Michael Oberhuber auch am Mittwoch nicht geben. Klarerweise könne man mit so einem Ergebnis nicht zufrieden sein; ja, es tut ihm sehr leid, dass man die Erwartungen nicht erfüllen habe können – das waren die maximalen Zugeständnisse, die man von ihm zu hören bekam. Deutlicher wurde da schon der Landesrat: „Das Image der Landesfischzucht, das Image der Laimburg und des Landes insgesamt hat unter dieser Geschichte sehr stark gelitten“, erklärte Arnold Schuler. Doch die Ergebnisse würden „eine klare Sprache sprechen, zu denen wir stehen müssen“. 

Personelle Konseuqenzen? Vorerst keine

Allerdings nicht über unmittelbare personelle Konsequenzen. Der langjährige und seit längerem umstrittene Verantwortliche der Landesfischzucht Peter Gasser wurde nicht einmal erwähnt; auf Nachfrage erklärte Schuler jedoch, dass er zumindest vorerst weiter sein Amt bekleiden werde. Über personelle Neuerungen werde erst gegen Jahresende entschieden – also dann, wenn die gesamte Reorganisation der Laimburg abgeschlossen sei. Zumindest bis dato scheint also niemand den Kopf für die schwerwiegenden Fehler samt materieller wie immaterieller Schäden hinhalten zu müssen.

Klare Konsequenz ist jedoch ein deutlicher Richtungswechsel, der auch auf anderen Laimburg-Baustellen wie den Gärten von Trauttmansdorff  oder dem Landesweingut bereits im Zuge von Schulers Reorganisation im vergangenen Herbst beschlossen worden war. „Das bisherige Konzept der Landesfischzucht ist als gescheitert anzusehen“, stellte der Landesrat klar. Statt dessen soll sich die Landesfischzucht künftig als Artenschutzzentrum positionieren – mit Schwerpunkt auf offener Mutterfischhaltung unter Verwendung wilder Laichfische zur Produktion von Eimaterial. Deutlich ausgebaut  werden soll die angewandte Forschung. Schwerpunkt sollen dabei neben angewandter Fischökologie und aquatischer Ökologie die Forschung im Bereich Aquakulturen sein. Damit will das Land landwirtschaftlichen Betrieben wissenschaftliche Unterstützung bei einem vielversprechenden, neuem Nebenerwerbszweig geben.

Und was passiert mit den bestehenden 8000 Forellen, die sich nun als alles andere als reinrassig marmoriert herausgestellt haben? Jener kleine Teil, der als genetisch hochwertig eingestuft wird, soll für die zukünftigen Zuchtaktivitäten behalten werden. Die große Masse an Hybriden könnte dagegen in geschlossenen Gewässern ausgesetzt werden, stellten Oberhuber und Schuler in Aussicht. Dort würden sie zumindest keinen weiteren Schaden anrichten. Denn der ist auch jetzt schon groß genug. 

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Martin B. Mi., 30.03.2016 - 17:42

Also Genetiker scheinen beim Land keine zu sein: soweit ich mich noch erinnere definiert ein Phänotyp nur äußerlich feststellbare Merkmale und niemals das Genom bzw. die inneren DNA-Eigenschaften, insbesondere bei verwandten Arten (Hybridtauglichkeit). Wirklich peinlich.

Mi., 30.03.2016 - 17:42 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 30.03.2016 - 18:03

Die Landesregierung blamiert sich jede Woche aufs neue! Wie viele Millionen wurden nun ausgegeben um diese im reinsten Sinne des Wortes Bastarde in unseren schönen Gewässern zu befreien? Und wie immer ist wieder mal keiner Schuld! Südtirol ist Italien!

Mi., 30.03.2016 - 18:03 Permalink