Politik | Österreich

(K)ein roter Teppich für den Despoten

Hassan Rouhani wollte am 30. März Wien besuchen - und ließ es dann doch bleiben.

Am 30. und 31. März sollte mit Hassan Rouhani erstmals seit Mohammad Khatami 2005 ein amtierendes Staatsoberhaupt des Irans auf offiziellen Besuch nach Österreich kommen. Nun wurde der Besuch bei Bundespräsident Heinz Fischer verschoben – aus Sicherheitsgründen, wie es offiziell hieß. 

Von Anfang an stand Rouhanis Besuch in Österreich stark in der Kritik: Jüdische Organisationen, Menschenrechtsorganisationen, die Österreichische Hochschüler_innenschaft an der Uni Wien und viele andere sahen in dem Besuch einen Versuch des iranischen Regimes, auf das internationale diplomatische Parkett zurückzukehren. Sie prangerten vor allem die Lage der Menschenrechte im Iran an: Hinrichtungen, katastrophale Haftbedingungen, Diskriminierung von Frauen*, LGBTIQ-Personen und Minderheiten sowie massive Repression gegen Oppositionelle, Journalist_innen und Kritiker_innen. Allein 2015 wurden 969 Personen  - darunter Minderjährige! - hingerichtet, so viele wie seit zwanzig Jahren nicht mehr. Nur weil Rouhani in seinem Auftritt gemäßigter ist als sein Vorgänger Mahmud Ahmadinedschad, heißt das noch lange nicht, dass die klerikale Diktatur einer Demokratie gewichen ist. Unter dem Hashtag #RouhaniNotWelcome kritisierten Aktivist_innen in Wien den Staatsbesuch auch im Netz: Rouhani den roten Teppich auszurollen, bedeute Geschäfte mit Holocaustleugnern und Massenmördern zu machen.

Menschenrechtsaktivist_innen kritisieren außerdem die massive Benachteiligung von Frauen* nach iranischem Recht: Sie unterliegen nicht nur den Schikanen von Sittenwächter_innen und Polizei, sondern sind außerdem von zahlreichen Berufen ausgeschlossen. Gleichzeitig sind sie ihrem Ehemann zu sexuellem Gehorsam verpflichtet. Dabei haben Frauen im Iran allgemein ein hohes Bildungsniveau: 65% der Studierenden sind Frauen* - und das, obwohl ihnen der Zugang zu bestimmten Fächern wie Betriebswirtschaft, Computerwissenschaften, Archäologie und andere mehr ausgeschlossen sind. Nicht umsonst kritisierte die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGfM), dass der Iran nach wie vor Mitglied in der Frauenrechtskommission der Vereinten Nationen ist, obwohl er systematisch gegen die Frauenrechtskonvention verstößt.

Zentrales Element der Kritik an Rouhani ist – gerade in Österreich von nicht zu unterschätzender Bedeutung – seine Haltung Israel gegenüber: Nach wie vor stehen im Iran Forderungen nach der Vernichtung des israelischen Staates an der Tagesordnung. Anfang März beispielsweise führte der Iran Raketentests mit Raketen durch, auf denen die Aufschrift „Israel muss ausgelöscht werden“ zu lesen war. Während Ahmadinedschad noch ein offener Holocaustleugner war, veranstaltet der Iran unter Rouhani nach wie vor die umstrittenen Holocaust-Karrikaturen-Wettbewerbe, in denen Israel teilweise mit dem Dritten Reich gleichgesetzt wird.

Absage aus Sicherheitsgründen

Neben dem offiziellen Besuch bei Bundespräsident Heinz Fischer wird der zweite Teil des Besuches kaum thematisiert: Rouhani wollte offiziell in einem österreichisch-iranischem Forum mit Vertreter_innen der Wirtschaftskammer über die zukünftige, wirtschaftliche Zusammenarbeit diskutieren. Viele sahen darin bereits ein Ende der Isolationspolitik, das sich aus dem mittlerweile abgeschlossenen Atomwaffen-Abkommen ergab: Diese Verhandlungen wurden im Sommer 2015 abgeschlossen, nachdem sie seit 13 Jahren nicht vorangekommen waren. Dass das Abkommen irgendeine Auswirkung auf die beschriebene innenpolitische Lage hatte, wurde von zahlreichen NGOs wiederholt verneint. Damit hat die EU – schon vor dem kürzlich abgeschlossenen, umstrittenen Türkei-Deal – ein Abkommen mitverhandelt, das universelle Menschenrechte außen vor lässt, anstatt sie zur Bedingung für den Abschluss zu machen.

Die Absage des Staatsbesuches von Rouhani kam unerwartet und vonseiten des Irans, als Grund dafür gab die Österreichische Präsidentschaftskanzlei Sicherheitsbedenken an. Auch der Besuch Rouhanis von 27. bis 29. März im Irak fand nicht wie geplant statt.  Informationen zufolge, auf die sich die Tageszeitung Die Presse beruft, könnte die Absage aber auch an den angekündigten Demonstrationen des Bündnisses "Stop the Bomb" und zahlreicher anderer Organisationen - etwa der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) am Heldenplatz liegen. Laut Presse-Informationen habe der Iran gefordert, die Demonstrationen nicht zuzulassen, woraufhin Österreich sich auf die Demonstrationsfreiheit berufen hätte. 

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gorgias Mi., 30.03.2016 - 10:48

Was ich mich frage hier ist, ob es dem Land hilft oder schadet sich zu Reformieren, wenn man es weiter wirtschaftlich boykottiert. Oder geht es hier einfach mal dem "Despoten" eines auszuwischen?
Davon abgesehen, dass Hassan Rouhani in der islamischen Republik Iran nicht einmal de facto die Rolle des Despoten einnimmt.

Mi., 30.03.2016 - 10:48 Permalink
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Alfonse Zanardi Mi., 30.03.2016 - 10:53

Ich finde ihre Darstellung etwas zu sehr aus lokaler Sicht gedacht: während der Iran sicher nicht die Wiege der Menschenrechte ist, so ist seine relativ gemässigte und stabile Position im Nahen Osten in diesen Tagen schon Grund für eine positive Bewertung. Und Rouhani selbst muss in Relation zu seinem Vorgänger schon als Fortschritt gesehen werden, z.B. seine Neujahrswünsche an die jüdischen Nachbarn.

Mi., 30.03.2016 - 10:53 Permalink
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MENA Watch Mi., 30.03.2016 - 12:21

"Müsste dies doch zugleich auch die grundsätzlichere Frage aufwerfen, ob ein revolutionär-antiwestliches Regime wie das iranische sich überhaupt dem verhassten Westen gegenüber öffnen kann, oder ob solche Vorstellungen letzten Endes nichts als Illusionen sind: durch deren Charakter nicht gedeckte Hoffnungen auf eine interne Transformation der Islamischen Revolution hin zur friedvollen Koexistenz."

Zum Weiterlesen: http://www.mena-watch.com/eine-neujahrsansprache-die-in-oesterreichisch…

Mi., 30.03.2016 - 12:21 Permalink
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Mensch Ärgerdi… Mi., 30.03.2016 - 12:38

Sonst "pakteln" wir (die Nationen des Westens) mit jedem Schurken-Staat samt Gaunern an der Spitze, aber beim Iran muss (wieder mal= ein mords Tamtam veranstaltet werden. Hinrichtungen gibt es in China und den USA auch um mal nur die Spitze des Eisbergs zu nennen, was die netten Israelis sich alles im Gazastreifen erlauben lassen wir auch mal links (!) liegen und Diskriminierung von Frauen und Minderheiten sind sogar in Teilen Europas noch an der Tagesordnung.
Ich hab so den Eindruck, dass mache einfach nur einen Grund brauchen um auf der Straße im Akkord ihre Slogans zu schreien.

Mi., 30.03.2016 - 12:38 Permalink
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Stephan H. Mi., 30.03.2016 - 13:10

Der Iran ist sicher nicht das beste Beispiel was die Menschenrechte betrifft, aber gegenüber Ländern wie etwa Saudi-Arabien - der Partner Nr. 1 des sog. Westens im mittleren Osten- doch einigermaßen gemäßigt. Was die wenigsten wissen, der Iran hat laut UNESCO weltweit die höchste Quote (65%) von studierenden Frauen.

Mi., 30.03.2016 - 13:10 Permalink
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MENA Watch Mi., 30.03.2016 - 13:12

Auf Nachfrage bestätigte der iranische Innenminister, dass die letzte Woche gestarteten Raketen die Aufschrift „Israel muss von der Landkarte gelöscht werden“ getragen haben. Auch die darin zum Ausdruck kommenden Vernichtungsphantasien gegenüber dem jüdischen Staat sind keineswegs das Monopol der als „Hardliner“ Titulierten. So bezeichnete der ebenfalls stets als „Reformer“ charakterisierte Präsident Hassan Rohani Israel in der Vergangenheit wiederholt als „eiternden Tumor“, als „alte Wunde im Körper der islamischen Welt“ sowie als „großen zionistischen Satan“.

Weiterlesen: http://www.mena-watch.com/reformer-die-sich-nicht-von-hardlinern-unters…

Mi., 30.03.2016 - 13:12 Permalink
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gorgias Mi., 30.03.2016 - 13:21

Antwort auf von MENA Watch

Was ist das eigentlich für ein Kasperle-Think-Tank. Laut MENA-Menschenrechts-Index hat Saudi Arabien 82 Punkte während der Iran 91 Punkte hat: http://www.mena-watch.com/wp-content/uploads/2015/11/mena_mi_a3_apr2015…

Saudi Arabien ist das Land wo Frauen und Mädchen daran gehindert werden brennende Gebäude zu verlassen, weil sie nicht verhüllt sind.

Da hat man sich wohl ganz toll auf den Iran eingeschossen, oder was?

Im Iran ist vieles noch nicht in Ordnung, aber wie man einen Index erstellen kann wo dieser schlechter abschneidet als Saudi Arabien sagt scho alles.

Mi., 30.03.2016 - 13:21 Permalink
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gorgias Mi., 30.03.2016 - 14:11

Antwort auf von MENA Watch

>Frauendiskriminierung basiert auf dem „Global Gender Gap
Index 2014“ des „World Economic Forum“, wobei die Zahlen
die Platzierung in einer Liste von 1 bis 142 darstellen (http://
reports.weforum.org/global-gender-gap-report-2014/rankings/
(Zu den Palästinensergebieten, zum Irak und zu Libyen liegen
keine Daten vor.) Für eine Indexierung von 1 bis 100 wurde der
Platz 142 mit dem Index von 100 definiert.<

Hier wird ein Ranking mit einer prozentuellen Quantifizierung übersetzt. Das ist ein gravierender Fehler der zu vielerlei Verzerrungen führen kann. So können zwischen zwei Staaten sich zwar relativ wenig Zwischenpositionierte befinden, aber trotzdem ein hohes Gefälle vorhanden sein. HIER WIRD EIN RANKING ZU EINEM (TEIL)INDEX UMFUNKTIONIERT!
Hier wird einfach davon ausgegangen dass das Ranking eine lineare Steigung darstellt war grundfalsch ist. Um es bildlich zu verdeutlichen. Wer sich bei einer Schiabfahrt die Plazierungen und die Zeiten ansieht wird sehen, dass es manchmal ganz wenig Hunderstel zwischen zwei aufeinanderfolgenden Plazierungen sind und zwischen anderen ganze Sekunden. Wenn sich ein Fehler von Plazierung zu Plazierung vermehrt, weil es durchaus nicht linear sein muss. z.B. bei den letzeren Plätzen kann es auch sehr stark auseinander gehen dann stellt sich da eine Starke Verzerrung dar wenn man hergeht und einfach davon ausgeht dass der Zeitabstand bei den Plazierungen immer gleich ist. Allgemein kann man sagen, wo sich ein Feld verdichtet sind die angenommenen Abstände zu groß und wo sich ein Feld streckt sind sie zu niedrig.

Wer in der Grafik den Balken für Frauendiskriminierung (rosa/rot) zwischen Iran und Saudi Arabien vergleicht kann sehen dass es da kaum einen Unterschied gibt.
In einem Land dürfen Frauen nicht Autofahren und ohne männliche Belgeitung aus dem Haus und im anderen sind 65% der Studenten Frauen.

Wo solche Ergebnisse rauskommen sieht man mit bloßen Auge dass etwas faul ist.

>Auf Basis dieser Werte errechnete MENA den Menschenrechtsindex. <

Mangelnde Transparenz liegt auch darin dass nicht erklärt wird wie aus den verschiedenen "harmonisierten" Werten der der MONA-Menschenrechtsindex entsteht.
Durch ein arithmenisches Mittel, geometrisches Mittel. ein gewichtetes Mittel. Und mit welcher Begründung hat man sich für ein bestimmtes Verfahren entschieden mit dem Hinblick auf die gezielte Aussagekraft?

Kann es sein dass man hier sich keine Gedanken gemacht hat, alles zusammengezählt hat und durch 6 dividiert?
Das ist doch purer Dilettantismus. funktionaler Analphabetismus ersten Ranges!

Mi., 30.03.2016 - 14:11 Permalink
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MENA Watch Mi., 30.03.2016 - 14:22

Antwort auf von gorgias

Im Iran kann man für das "Vergehen" verurteilt werden, Frauen die Hand zu schütteln:

"Und das ausgerufene Tauwetter wird auch nicht dadurch beeinträchtigt, dass nicht nur in Saudi-Arabien, sondern eben auch im Iran Menschen zu barbarischen Auspeitschungen verurteilt werden – wie zuletzt zwei Poeten, die für ihre Arbeit langjährige Haftstrafen ausfassten und darüber hinaus des „Verbrechens“ überführt wurden, Frauen die Hände geschüttelt zu haben. Während Saudi-Arabien für das Auspeitschen von Gefangenen zu Recht an den Pranger gestellt wird, erregt dieselbe Barbarei im Iran keinerlei Aufmerksamkeit."

Weiterlesen: http://www.mena-watch.com/zweierlei-mass-auspeitschungen-im-iran/

Mi., 30.03.2016 - 14:22 Permalink
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MENA Watch Mi., 30.03.2016 - 14:31

Antwort auf von gorgias

"Auch in den Ausführungen der iranischen Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi anlässlich des internationalen Tages der Menschenrechte war von Optimismus nicht viel zu spüren: „Leider hat sich die Menschenrechtssituation in den vergangenen zehn Jahren in Iran ständig verschlechtert. Keine meiner Erwartungen wurde erfüllt. Schlimmer noch: In einigen Bereichen ist das Land rückschrittlicher als zuvor.“ Als Beispiel dafür, dass die Hoffnungen auf Öffnung unter Präsident Rohani eben nicht mehr sind als Hoffnungen, führte Ebadi die kürzlich verabschiedete „Quotenregelung bei der Zulassung zur Universität“ an, die Frauen diskriminiere, sowie die Verabschiedung eines Gesetzes, das Männern die Heirat ihrer Adoptivtöchter erlaubt."

Weiterlesen: http://www.mena-watch.com/zwischen-wunsch-und-wirklichkeit/

Mi., 30.03.2016 - 14:31 Permalink
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MENA Watch Mi., 30.03.2016 - 13:25

"Doch nicht nur auf soziale Medien beschränken sich die Aktionen derjenigen, die das Land vor ‚schädlichen Einflüssen‘ und ‚unzüchtigen Handlungen‘ schützen wollen. Wie Fars News berichtet, ist in den Straßen Teherans eine Welle von Festnahmen im Gange. Betroffen sind Frauen, die in den Augen der Sittenwächter den geltenden Auflagen zur Zwangsverschleierung nicht ausreichend Genüge tun."

Weiterlesen: http://www.mena-watch.com/zunehmende-repression-durch-das-iranische-reg…

Mi., 30.03.2016 - 13:25 Permalink
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Stephan H. Mi., 30.03.2016 - 13:38

Sagen wir so. Diese Staaten sind heute in etwa in der Lage wie wir in Europa im 30jährigen Krieg. Dort schlachten sich Sunniten und Schiiten (oder Alawiten usw.) gegenseitig ab und rücken keinen Millimeter von ihrer eigenen Sichtweise ab wie damals Katholiken und Protestanten bei uns im Christentum. Es wäre zu schön mitzuerleben, dass dies bald ein Ende hat und man sich wie Katholiken und Protestanten in die Augen sehen kann oder zumindest nicht mehr gegenseitig bekämpft. Und man kann sich für die dortigen Bevölkerungen nur ein Mindestmaß an Menschenrechten wünschen.
Aber sich auf die Seite der einen oder anderen zu schlagen bringt doch auch nix, man müsste schon etwas ausgewogen sein.

Mi., 30.03.2016 - 13:38 Permalink