Kultur | Nachruf

Stuart Gordons bester Film, Re-Animator

Vor knapp einer Woche verstarb der Regisseur Stuart Gordon im Alter von 72 Jahren. Ein paar Gedanken zu seinem großartigen Film "Re-Animator".
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Foto: Die Zukunft

Von Hitchcock zur Exploitation

Stuart Gordons Re-Animator scheint sich zumindest vordergründig bereits in seiner Titelsequenz ästhetisch zu verorten. Nicht nur beim Titeldesign des legendären Saul Bass, sondern auch bei den nicht minder ikonischen Partituren aus Bernard Hermanns Score zu "Psycho" bedient er sich großzügig - was noch gelinde gesagt wäre. "Psycho" stellt in den Augen vieler eine Zäsur in der Geschichte des Horrorfilms dar, nicht nur weil der Film den Schrecken, der sonst entlegenen Schlössern oder miefigen Familiengruften vorbehalten war, direkt in die Mitte der amerikanischen Gesellschaft (und ganz im Wortsinne: Mitten auf den Highway) verlegte. Sondern auch weil er ihn in doppelter Form in diese Mitte drängte, indem er ihn als Audruck verdrängter Begierden und unterdrückter Konflikte ganz explizit als Ödipuskomplex mit voyeuristischen Vorzeichen durchdeklinierte. Die von Alfred Hitchcock vorgezeichneten Traditionslinien führten mehr oder weniger direkt zum Explotationkino, jener von von triebhaftem Exzess, ausgestellter Billigkeit und expliziter Gewalt dominierten Art der Filmproduktion, die das unabhängige amerikanische Genrekino von den 60ern bis in die 80er dominierte. "Re-Animator" zelebriert das Bekenntnis zum Pulp, das frivole Spiel mit Kunstblut und Bildern körperlicher Zersetzung von der ersten Szene an.

Die Grundprämisse seines Vorbildes variiert Gordon dabei entscheidend: Nicht die neurotischen Mütter sind hier Auslöser des Schreckens oder Anstoß zur bildstürmerischen Rebellion, sondern die gut situierten Vaterfiguren. Diese präsentiert Gordon in Form des bedrohlichen Dr. Carl Hill und des spießigen Krankenhausleiters Dean Halsey. Beide stellen zum Anfang korrumpierte und heuchlerische Männer dar, die zuerst den Anschein erwecken, dass hier implizit eigentlich nur ein relativ simpel gestrickter Generationskonflikt duzrchexerziert wird. Die Ästhetik die Gordon in zusammenarbeit mit Produzent Brian Yuzna anpeilt spielt dementsprechend auch mit der "soapiness", dem weichgezeichneten Look eines Filmes der sich am liebsten im High-School-Millieu bequem einrichten und gelassen von den pubertären Sorgen seiner Figuren erzählen will (und sieht dabei öfter wie "Clueless" als zum Beispiel "Hellraiser" aus).  Wahrscheinlich hat kein Stoff, den das Gespann später noch bearbeiten sollte sich so sehr für diese spezifische Art von Bildgestaltung geeignet,wurden die Ängste junger Menschen so virtuos unterhalb des aseptischen Oberflächenglanzes der Erwachsenen- und Krankenhauswelt verbildlicht.

 

Aufbegehren und Aufbewahren

Natürlich ist Re-Animator ein Film des Aufbegehrens und der Rebellion, die Verhälnisse werden dabei jedoch zunehmen unklarer. Dafür sorgt vor allem der von Jeffrey Combs gespielte Hubert West, als mad scientist, der direkt aus der alten Welt eingeflogen kommt um den Tod höchstpersönlich zu besiegen und dabei natürlich einerseits Genrechiffre durch und durch ist. Andererseits ist er menschlicher Reibungspunkt, verschroben in seinem asozialen Charme, kompromisslos in seiner Forciertheit das letzte Geheimnis der Menschheit zu lüften und natürlich getrieben vom absolutem Größenwahn. Als klare Identifikationsfigur ist er sicher nicht besetzt, befähigt ganze Szene mit der Großaufnahme seines Gesichtsausdruckes zu dirigieren schon. Er stellt eine drigend notwendige Schnittstelle dar, zwischen dem klassischen Horrorkino der 30er bis 50er und dem modernen Horrorkino ab den 60ern. Denn obwohl sich dieser Film im Sensationalimus purer Exploitation sichtlich wohlfühlt, geht ihm keinesfalls das Bewusstsein für klassisches Horrorkino verlohren. Seinen Spannungsaufbau entwickelt er entlang langer Kamerafahrten durch dunkle Gebäude, seinen Figuren lässt er Freiraum sich den Schrecken ihrer Welt erkundend zu erschließen, seine Haltung ist nicht nihilistisch, sonden suchend. Während sich Brian Yuznas Debütfilm "Society" der Zweideutigkeit seiner Erzählung (dass man sie nämlich sowohl als metaphorische Darstellung einer korrupten Wohlstandsgesellschaft als auch als teenage nightmare verstehen kann) vielleicht etwas zu sehr im klaren ist, erreicht dieser Film -trotz des beständigen über die Stränge Schlagens- ein wundervolles Gleichgewicht und betont im Grunde ein höchst romantischer Film zu sein.

 

In (un)toten Körpern, auf der Suche nach Wahrheit

Im Zentrum der Erzählung steht nämlich auch das junge Liebespaar Megan (Barbara Crampton) und Dan (Bruce Abbott), der anfangs erwähnte Dean Halsey wird, als dem jungem Paar indirekt seinen Segen gebender, gütiger Vater noch einmal umgedacht - allerdings erst nach Tod, Wiederbelebung und Lobotomie. Der trockene Humor Gordons wird allerdings nie gegen die Figuren, und vor allem nie gegen die Vorstellung, dass es irgendwo noch eine Idee einer alles überwindende Liebe ausgespielt. In seinem furiosen Finale stellt er sich auch -vielleicht bewusst, vielleicht unbewusst- noch einmal zwischen zwei der wichtigsten Vertreter des Zombiefilms: Von Victor Halperins "White Zombie" (1932) hat er den Untoten als Opfer finsterer Mächte, als romantisch-tragische Figur übernommen, von George Romeros "Living Dead"- Serie (1968-1985), sein revolutionäres Moment. Dieses Finale ist ein Ballett der garstigen Körperlichkeit, in dem alles kulminiert: Der hintersinnige Humor, die Gewalt, das Aufbegehren und das Sexuelle und vor allem die morbide Faszination für den Tod. 

Das Kino erzählt in irgendeiner Form immer vom Tod, ist ein Film doch auch immer das Grab tausender vergangener -also toter- Momente. In Re-Animator ist der Tod ein Geheimnis, dass sich lüften lässt. Er ist Quell einer neuen Körperlichkeit und Sexualität,  Zünder für eine Revolution und vor allem Anlass, das Leben selbst in bewegten Bildern zu feiern. Stuart Gordon hat einen Film gedreht der den Tod diskursiv behandelt, sich ihm gedanklich annähert und bildlich verhandelt. Was er aber nicht gedreht hat ist einen hüftsteifen Thesenfilm, der den Affeckt zugunster irgendeiner mutmaßlichen Tiefe oder Stringenz opfert. Das Kino, das von Gordon und Yuzna in seiner späten Phase noch erheblich mitgeprägt wurde, ist auch längst begraben, seine Produktionsweisen nicht mehr umsetzbar. Das einzige was übrigbleibt, wenn große Filmemacher sterben, ist ihre Filme zu schauen. Und zu hoffen, dass sie so bereichernd sind wie Re-Animator.