Umwelt | Libellen

Bestandstrends Libellen

Viele Libellenarten sind gefährdet und in Deutschland gibt es positive Bestandstrends durch Renaturierungen. In Südtirol blieben Erfolge aus.
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1994 erschien eine erste Rote Liste der Libellen Südtirols, welche für Südtirol 54 Arten mit gesichertem Nachweis und 15 weitere Arten mit möglichem Vorkommen anführt. 2018 wurde eine neue Rote Liste erstellt. Insgesamt 60 Libellenarten sind angegeben, 45 davon – 16 Kleinlibellen und 29 Großlibellen – sind aktuell bodenständig.

Rote Listen geben Auskunft über die Gefährdung einer Art und für die Einstufung werden die Häufigkeit, der Bestandstrend und die Lebensraumgefährdung herangezogen. Für jede Libellenart wurde auch eine Gefährdungsursache angegeben, sofern eine solche erkennbar ist.

Neun Libellenarten gelten in der Roten Liste als regional ausgestorben oder verschollen (RE), darunter auch Arten, die ehemals recht verbreitet waren. Vier Arten sind als vom Aussterben bedroht (CR) eingestuft, drei als stark gefährdet (EN), fünf als gefährdet (VU) sowie acht als potentiell gefährdet (NT). Weniger als die Hälfte der für Südtirol bekannten Arten, gelten als nicht gefährdet (LC).

Die meisten gefährdeten Arten sind typische Bewohner ursprünglicher dynamischer Flusslandschaften mit einem abwechslungsreichen Lebensraumangebot aus langsam fließenden Wiesenbächen, schnell fließenden kalten Hauptgewässern mit Seiten- und Altarmen, ausgedehnten Feuchtflächen, Staumulden und flachen temporären Tümpeln. Der Rückgang bzw. das Verschwinden dieser Artengemeinschaft sei anhand des Vergleichs mit den historischen Daten wohl erst ab Mitte der 1950er Jahre erfolgt, also lange Zeit nach den umfangreichen Regulierungs- und Meliorierungsarbeiten in den Talsohlen unseres Landes, wird in der Roten Liste festgestellt.

Gefährdungsursachen Südtirol:

Der Artenrückgang ist auf die starke Urbanisierung der Talsohlen bzw. auf die Intensivierung und Industrialisierung des Obstanbaus, mit dem qualitativen und quantitativen Anstieg von Pflanzenschutzmitteln und der Mechanisierung der Grabenpflege, zurückzuführen.

Urbanisierung bedeutet hier die Verrohrung und Trockenlegung von Gewässerlebensräumen, Quellfassungen und Gewässerverbauungen (Begradigung, Uferbefestigung). Dringender Handlungsbedarf wird in Bezug auf den Schutz und die fachgerechte Pflege von potentiellen Lebensräumen gefordert. Da insbesondere Arten der Talsohlen von einer Gefährdung betroffen sind, sollten vor allem noch vorhandene Feuchtlebensräume erhalten und biotopspezisch gepflegt werden. Die Schaffung neuer Feuchtlebensräume als Vernetzungselemente zu den bestehenden und die Verbesserung der Grabenpflege sind anzustreben, wird in der Roten Liste gefordert.

Renaturierungen und Libellen

Südtirols Flüsse und Auen werden seit 20 Jahren renaturiert und revitalisiert. Lebendige dynamische Auen wären das Ziel dieser Arbeiten und von einer Aufwertung der Gewässer ist dabei die Rede, wobei jedoch keine Zustandserfassung der zu rentaturierenden Fläche erfolgt, weder auf Artebene noch auf Ökosystemebe, wie in der Studie zur Fluss- und Auenrenaturierung in Südtirol bemängelt wurde.

In der Roten Liste der Libellen 2018 gibt es keinen Hinweis, dass die Umbauarbeiten im Zuge der Renaturierung und Revitalisierung der Fließgewässer eine Trendumkehr in Bezug auf Häufigkeit der Libellenarten erbracht haben. Die Vielzahl der gefährdeten Arten der dynamischen Flusslandschaften lassen nicht erkennen, dass ihr Bestand zugenommen hätte oder Lebensräume weniger gefährdet seien.  Eine Zunahme der charkteristischen Libellenarten der Flüsse in den Talsohlen außerhalb der Obstbaugebiete etwa an der Ahr oder Rienz ist ebenfalls nicht feststellbar.

Im Gegensatz zum fehlenden Erfolg für Südtirols Libellenfauna haben Libellenarten in Deutschland von Renaturierungen profitiert. Die aktualisierte Rote Liste der Libellen Brandenburgs zeigt positive Trends und auch bei Fischen und Rundmäulern wurde dies in der Roten Liste Brandenburgs bereits festgestellt. Fachlich gute Renaturierungen und die Verbesserung der Wasserqualtiät wirkten sich positiv auf die Libellen aus.

Langjährige Entwicklung der Libellenfauna in renaturierten Abschnitten der Lippeaue in Deutschland im Kreis Soest haben zu einem Anstieg der Arten geführt. Das Flussbett wurde renaturiert, Kleingewässer und Blänken angelegt und Flutrinnen initiiert. Die Zahl der pro Jahr festgestellten Libellenarten hat von 9 beziehungsweise 15 Arten vor den Renaturierungsmaßnahmen Anfang der 1990er Jahre auf 27 beziehungsweise 29 Arten in den Jahren 2012 und 2013 zugenommen. Dabei konnten sich auch auentypische und für naturnahe Gewässer typische Arten ansiedeln. Die Zunahme der Artenzahl ist auf das verbesserte Lebensraumangebot durch Schaffung neuer Gewässer und die Zunahme der Strukturvielfalt der Fließgewässer zurückzuführen, fanden unabhängige Wissenschaftler heraus. Die Lippe wurde renaturiert, indem der Fluss einen schlängelnden Lauf bekam und neue Feuchtgebiete in Wiesen und Äckern geschaffen wurden.

In Südtirol dagegen werden Flussauen renaturiert, indem Ufergehölze und Auwälder weggebaggert werden und eine noch nie dagewesene systematische Zerstörung der Auwälder und Ufergehölze stattfindet. Besonders hart betroffen sind die Grauerlenauwälder der Ahr. Auwälder sind weniger für Libellen als vielmehr für zahlreiche andere Insektengruppen, wie Schmetterlinge oder Käfer, wichtige Lebensräume, die unbedingt erhalten werden müssten.

Im Natura 2000 Gebiet Ahrauen bei Kematen gäbe es auch intensiv genutzte artenarme und stark gedüngte Wiesen, welche jedoch nicht renaturiert und zu Feuchtgebieten umgebaut wurden. Die Hauptgefährdungsursachen für das Natura 2000 Gebiet Ahrauen bei Kematen sind laut Managementplan: Durch intensive Beweidung ist die Auwaldvegetation stark gefährdet. Die Düngung der Wiesen im Biotop führt zur Eutrophierung.

An der Lippe wurde hingegen in den landwirtschaftlich genutzten Flächen u.a. ein neuer mäandrierender Flusslauf geschaffen und die Lippe schlängelt sich ähnlich wie im Naturzustand wieder durch die Landschaft. Keine Auwälder wurden an der Lippe weggebaggert.

Im Natura 2000 Gebiet Ahrauen bei Kematen wurde Auwald weggebaggert und “renaturiert”, obwohl Auwälder auch gesetzlich geschützt sind. Es sind prioritär zu schützende Lebensräume nach der FFH- Richtlinie und durch das Naturschutzgesetz geschützt. Die Ahr und ihre Auwälder waren vor den vielen Umbauarbeiten eine relativ naturnahe Flussaue. Inzwischen gibt es an der unteren Ahr fast keinen Abschnitt mehr, der nicht einmal von Baggern umgewühlt wurde. Der Renaturierung an der Ahr fallen hektarweise Auwälder zum Opfer wie an der Etsch im Etschtal die Ufergehölze.

Natur kennt keine Grenzen und die Freude über die erfolgreichen Renaturierungen an der Lippe und die positiven Bestandstrends von Libellen und Fischen in Brandenburg sind ein Beleg, dass es möglich ist, durch gute Renaturierungen auch Erfolge zu erziehlen. Ausbleibende Erfolge in Südtirol verwundern nicht weiter, eine Zustandserfassung vor einer Renaturierung und auch die Berücksichtigung von Gefährdungsursachen, wie Stoffeinträge aus der Landwirtschaft (z.B. Überdüngung von Wiesen in Natura 2000 Gebieten oder Pestizideinträge durch Obstanbau) wurden nicht weiter berücksichtigt, weder bei der Renaturierung an der Etsch noch an der Ahr.