Gesellschaft | Schule

“Digitalisierung oft noch Fremdwort”

In einem Brief an Südtirols Oberschüler ruft der LBS zum Durchhalten auf und bittet um Nachsicht für Lehrpersonen, die mit digitalem Unterricht weniger gut zurechtkommen.
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Foto: Pixabay

Ivan Gufler und Nadia Zuggal wollen Mut machen – all den Schülern, die derzeit zu Hause sitzen und sich mit dem Fernunterricht zurecht finden müssen. Nun wenden sich die beiden Vorsitzenden des Landesbeirats der Schüler (LBS) einen offenen Brief an die Oberschüler des Landes. Darin rufen Gufler und Zuggal zum Durchhalten auf, klären über Rechte und Pflichten auf – und bitten, Verständnis und Nachsicht für die Professoren der älteren Generation zu zeigen, wenn diese mit dem digitalen Unterricht nicht gleich gut zurechtkämen wie die Schüler selbst.

Der Brief im Wortlaut:

”Liebe Mitschülerinnen und Mitschüler,

Seit Anfang März fällt der Unterricht aus, ganz Italien bleibt zuhause. Zwar gilt das auch für uns Schülerinnen und Schüler, aber nicht für die Schule. Das Lernen geht weiter, über digitale Wege. Zurzeit sieht es danach aus, dass dies auch in den nächsten Wochen so weitergehen wird. Diese für uns unbekannte Unterrichtsmethode, der Fernunterricht, kam den meisten von uns zu Beginn noch ganz spannend vor: Lernen von zuhause aus. Hausaufgaben im Pyjama erledigen. Endlich ausschlafen, Aufgaben kann man ja am Nachmittag erledigen. Ein Traum, der wahr wird.

Die Realität sieht aber anders aus. Denn wir mussten alle feststellen: Zuhause lernen ist nicht so einfach. Sich tagtäglich hinzusetzen und die vielen Arbeitsaufträge zu erledigen, obwohl man das zuhause nicht gewohnt ist, ist alles andere als leicht. Dazu müssen wir uns den Unterrichtsstoff nun mehr oder weniger selbst beibringen. Plötzlich gibt es keinen Stundenplan mehr, keine festgelegten Uhrzeiten und Pausen: Die Routine ist dahin, und mit ihr auch die Struktur des Lernens. So scheint man schnell den Überblick zu verlieren, so viele Fächer, so viele Arbeitsaufträge und Abgabetermine. Das Wie und vor allem das Wann, kein Kinderspiel. Selbstorganisation erfordert ein hohes Maß an Disziplin, das wissen wir genauso gut wie ihr.

Die meisten Schulen in Südtirol sind auf die Bewältigung des digitalen Unterrichts nicht vorbereitet gewesen

Außerdem hapert es beim Unterricht auf digitalen Plattformen noch gewaltig. Seien wir ehrlich, die meisten Schulen in Südtirol sind auf die Bewältigung des digitalen Unterrichts nicht vorbereitet gewesen. Digitalisierung ist oft noch ein Fremdwort, viele Lehrpersonen sind im Umgang mit digitalen Hilfsmitteln schlecht geschult.
In diesem Sinne bitten wir auch euch um ein wenig Nachsicht. Ältere Generationen sind mit den heutigen digitalen Möglichkeiten nicht aufgewachsen und tun sich dementsprechend schwer. Habt Geduld und versucht euren Professorinnen und Professoren, die genauso wie ihr gestresst sind, unter die Arme zu greifen, wenn sie nicht wissen, wie man einen Skype-Anruf startet, wie man Google Drive und Dropbox verwendet oder was auch immer für Probleme anfallen.

Zwar ist Rücksicht das Gebot der Stunde, doch vergesst bitte nicht: Es handelt sich um eine Ausnahmesituation, doch das heißt nicht, dass alles ohne Widerspruch zu dulden ist. Wochenende bleibt Wochenende, egal ob zuhause oder nicht.
Prüfungen an einem Montag sind weiterhin nur mit eurem Einverständnis möglich. Bewertungen müssen immer noch transparent und fair sein. Und ihr habt selbstverständlich das Recht, diese Punkte gegenüber den Lehrpersonen durchzusetzen – egal ob Notstand oder nicht.
Stichwort Bewertungen: Die Lehrpersonen müssen uns bewerten, jetzt eben digital, und wir Schülerinnen und Schüler haben auch die Pflicht, uns diesen Bewertungen zu stellen. Die Bewertung muss jedoch nachvollziehbar sein, es muss begründet werden, warum ihr eine bestimmte Note erhaltet, und das Feedback der Lehrperson muss es euch ermöglichen, eure Fehler zu erkennen und euch zu verbessern. Das ist fundamental, auch in Krisenzeiten.

Der Fernunterricht kam den meisten von uns zu Beginn noch ganz spannend vor. Die Realität sieht anders aus

Der digitale Unterricht ist eine Herausforderung, für die Lehrpersonen und für uns. Doch achtet auch auf euch und sitzt nicht stundenlang am PC, sondern versucht euch auch abzulenken. Und macht eure Professoren darauf aufmerksam, wenn die Aufträge zu viel oder die Videolektionen zu lang werden. Wenn wir nur noch mit der Schule beschäftigt sind, stimmt etwas nicht. Der Unterricht findet nun zwar zuhause statt, aber nicht 24 Stunden am Tag, nicht 7 Tage die Woche. Vergesst eure Hobbys nicht, nutzt die Zeit zuhause auch, um das zu tun, was euch Spaß macht, euch zu entspannen. So schnell kommt eine Gelegenheit dieser Art (hoffentlich) nicht mehr.
Wenn ihr Schwierigkeiten habt, dann wendet euch an eure Professoren, an eure Schulführungskräfte, an eure Eltern. Sie wissen, dass es auch für uns eine schwere Situation ist.

Eine kleine Anmerkung: Es ist klar, dass wir in diesen Zeiten alle informiert sein wollen, dass wir alles wissen wollen, aber zu oft kommt es vor, dass Falschmeldungen in den Sozialen Netzwerken kursieren, die die momentane Situation betreffen. Glaubt nicht alles, was ihr seht! Hinterfragt es, informiert euch bei den offiziellen Stellen, wie beim Unterrichtsministerium oder bei der Deutschen Bildungsdirektion. Auch wir als Landesbeirat informieren euch in den Sozialen Netzwerken über Neuigkeiten, jedoch ausschließlich mit bestätigten Informationen.

Je konsequenter wir jetzt sind, umso schöner wird unser Sommer werden

Abschließend möchten wir euch, liebe Mitschülerinnen und Mitschüler, noch um eines bitten: Wir alle wissen, dass die Tage zuhause an uns zehren, dass wir sehnsüchtig nach draußen blicken, jetzt wo die Tage wieder wärmer und angenehmer werden. Aber bitte haltet durch! Je konsequenter wir jetzt sind, umso schöner wird unser Sommer werden. #savethesummer Doch das schaffen wir nur, wenn wir alle an einem Strang ziehen. Zeigen wir, dass auch wir Schülerinnen und Schüler dazu gehören, zum Südtirol, das zusammen hält. Zusammen schaffen wir das.

Wir wünschen euch viel Kraft, Ausdauer und vor allem Gesundheit für die nächsten Wochen. Pfiat enk,
Ivan Gufler und Nadia Zuggal Vorsitzender und stellvertretende Vorsitzende des Landesbeirates der Schüler*innen”