Politik | Erde

Lieber Alex, es fehlt uns an Menschen wie dir!

Bergoglio spricht von „ganzheitlicher Ökologie“ und ruft ganz explizit zur „ökologischen Umkehr“ auf, wie sie schon Langer vorhersagte.
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Die schönste Art – und das soll nicht wie ein Paradox klingen – um sich an den Tod von Alex Langer vor 20 Jahren am 3. Juli, zu erinnern, hat uns Papst Franziskus mit seiner Enzyklika „Laudato si’“ vorgemacht. Wir müssen hier nicht eigens die Bedeutung dieser Enzyklika unterstreichen, die nicht nur die katholische, sondern die gesamte Welt aufrüttelte, weil sie direkt die Herren unseres Planeten Erde anspricht, die im Rahmen eines absurden Fortschrittsprozesses das Schicksal der ganzen Menschheit aufs Spiel setzen. Bergoglio spricht von „ganzheitlicher Ökologie“ und ruft ganz explizit zur „ökologischen Umkehr“ auf, wie sie schon Langer vorhersagte. Und sie ist der jüngste Beweis dafür – nicht, dass es noch einen gebraucht hätte – wie weitblickend Langers Gedanken waren, in mancher Hinsicht leider sogar zu weitblickend.  Leider, weil ich Zweifel daran hege, dass sich die Lage in den letzten 20 Jahren erheblich verbessert hätte.

Nun erinnert uns der Papst selbst daran (und es ist fast, als hörten wir dabei die Stimme Alexanders), dass die Erde, unser gemeinsames Haus, „gegen das Übel protestiert, das wir durch die unverantwortliche Nutzung und Ausnutzung der Güter hervorrufen, die Gott in die Erde gesteckt hat. Wir sind groß geworden in der Annahme, dass wir ihre Besitzer und ihre Beherrscher seien und es uns erlaubt sei, sie auszubeuten.“  Bergoglio sagt weiter, dass der Schutz der Umwelt nicht von Gerechtigkeit gegenüber den Armen und der Lösung struktureller Probleme einer Wirtschaft getrennt werden kann, der es ausschließlich um den Profit geht.

Langer schrieb in den Toblacher Gesprächen von 1.8.1994: „Wir haben falschen Reichtum geschaffen, um falsche Armut zu bekämpfen. An solchem Überreichtum – wie an Übergewicht, Überfütterung, Überverarztung – kann man auch zugrunde gehen. Der falsche Wohlstand als Befreiung von der falschen Not ist unsere Krankheit, im industrialisierten und sogenannten „hochentwickelten“ Teil der Welt. Von Handarbeit, Wetter, Natur, Krankheit, Mühe, Schwäche und irgendwann vielleicht sogar dem Tod sind wir weitgehend losgekommen, dafür leiden wir an Atomstrahlung und Müllberg, aber auch an Auszehrung unserr Fantasie und Schwindsucht unserer Wünsche. Alles ist machbar und käuflich geworden, doch jedes Gleichgewicht ist abhanden gekommen.“

Es hört sich tatsächlich an, als spräche dieselbe Stimme, wenn nun der Papst behauptet, dass „der Zugang zum Besitz von Gütern und Ressourcen durch ein strukturell verdorbenes System kommerzieller Beziehungen und Besitzverhältnisse verwehrt wird“ und dass „die bedingungslose Rettung von Banken, deren Preis die Bevölkerung zu zahlen hat, eine absolute Herrschaft der Finanzwelt untermauert, die keine Zukunft hat.“ Natürlich erkenne ich in diesen Worten Alex Langer wieder, der ein Linker war und von den Franziskanern erzogen wurde. Wen ich nicht wiedererkenne in diesen Worten, ist dagegen die große Mehrheit der Politiker von heute, von ein paar wenigen, wichtigen und lobenswerten Ausnahmen abgesehen. Ich wünsche mir mehr Gewerkschafter, Bürokraten und Leader, die von Umwelt, Ökologie und Futur nicht in den abgegriffenen Klischees ihrer eigenen Gedankenwelt sprechen, sondern konkret und effizient. Ich wünsche mir einen Leader, der sich nicht nur zugunsten der eigenen Interessen und der eigenen Lobby verrenkt, sondern der ins Zentrum seines Handelns Begriffe wie Gemeinwohl, Armut, Rechte stellt. Dann könnten wir uns heute an Alex Langer vielleicht auf andere Art erinnern. Erfüllt von mehr Freude, von größerer Hoffnung. So ist es an uns, an gewöhnlichen Sterblichen, den bislang ungehörten Worten von Langer Glauben zu schenken und die ökologische Umkehr, so wie er es sagte, in etwas sozial Erwünschtes zu verwandeln. Nur dann haben wir die Gewissheit, dass sie auch wirklich realisiert werden kann. Lieber Alex, es fehlt uns an Menschen wie dir.

Michil Costa