Kultur | Salto Afternoon

Spiegel der Gesellschaft

Die Schauspielerin Bibiana Berglau weilte für Dreharbeiten zum Film „Crescendo“ in Südtirol. Ein Gespräch über gesellschaftspolitisches Engagement im Schauspielberuf.
beglau
Foto: Bildquelle: Die Agenten/ Foto: Jeanne Degraa

Schloss Englar in Eppan dient als Filmkulisse für das Filmdrama Crescendo des israelischen Regisseurs Dror Zahavi. Gedreht wird in Margreid, am großen Montiggler See und auf der Seiser Alm.

Crescendo dreht sich um ein israelisch-palästinensisches Jugendorchester welches sich in Südtirol aufhält. Die Nazi-Rattenlinie durch Südtirol nach Argentinien spielt im Drehbuch ebenso eine Rolle wie die Autonomie. Peter Simonischeck ist in der Rolle des Dirigenten Eduard Spork zu sehen.

Ihm zur Seite steht Bibiana Berglau, in der Rolle der Karla. Mit dem Bühnenstück Wer hat Angst vor Virginia Woolf? war sie im Oktober 2015 in Meran und Bozen zu Gast.

salto.bz: Wie entscheiden Sie, ob ein Drehbuch, eine Bühnenrolle, gut oder schlecht für Sie ist?
Bibiana Beglau: Natürlich muss ich hinter meiner Arbeit stehen, sonst kann ich sie nicht machen und es wäre lächerlich. In diesem Fall, also bei Crescendo, war es tatsächlich so, dass ich die Arbeit von Dror Zahavi kenne und schätze. Ich habe ihm auch gesagt, warum ich es wichtig finde, solche Geschichten immer und immer wieder zu machen - Geschichten vom Frieden, vom möglichen Frieden.

Sie zeigen auch immer wieder politisch Haltung – in Interviews, auf der Bühne, im Film. Das ist nicht selbstverständlich…
Blablabla zu machen, da kann ich mich auch an die Nord- oder Ostsee stellen und mit den Wellen quatschen. Das bringt nichts. Ich sehe meinen Beruf als Spiegel der Gesellschaft.

Mit Volker Schlöndorffs „Die Stille nach dem Schuss“ (2000) kam ihr Durchbruch. Wenige Jahre später haben Sie sogar mit Christoph Schlingensief gearbeitet. Die Zusammenarbeit mit diesen beiden Persönlichkeiten kann auch als klares politisches Statement interpretiert werden. Oder?
Es stimmt. Viele der Regisseure mit denen ich zusammengearbeitet habe, zählen zu den – würde ich mal sagen – Tafferen, die mitgemischt und die Schnauze nicht gehalten haben. Ob das meine Lehrerin Jutta Hoffmann war, Regisseure wie Matti Geschonneck, Volker Schlöndorff. Oder auch Einar Schleef.
Momentan mache ich meinen ersten Kinderfilm. Auch da geht es um ein gesellschaftliches Moment, das verdeutlicht: Es ist besser miteinander zu leben, als Krieg zu führen.

Woher rührt Ihr politisches und soziales Engagement?
Ich bin ein Ost-West-Kind, grenznah im Westen aufgewachsen, aber eben sehr grenznah zum Osten. Natürlich hab ich mich als Kind gefragt: Warum gibt es einen Zaun? Was ist da los? Dazu habe ich häufig seltsame Antworten bekommen, auch jene, die mich politisch gebildet hat.

Und die wäre?
Ich hatte als Kind meinen Vater bezüglich eines Fahndungsplakates befragt: Was haben die abgebildeten Menschen gemacht? Er hat geantwortet: Die werfen Bomben. Ich fragte nach dem Warum und er sagte: Ja um die Welt zu verbessern.
Das war natürlich ein Paradox. Und so musste ich mich als Kind fragen: Schlimme Bomben sollen für den Frieden sein? In diesem Zwiespalt wächst man auf. Die Fragestellungen bleiben und werden komplexer.

Auch Ihre Rolle im Film „Crescendo“ ist eine zwiespältige Figur…
Ich spiele die Karla, eine Altruistin. Sie wirkt im Superkapitalismus, treibt den Superkapitalismus voran und holt gleichzeitig aus dem Superkapitalismus große Gelder heraus, um damit Hilfsorganisationen zu unterstützen, etwa ein großes Malariaprojekt im Südsudan. Aber eben füttert sie auch den Kapitalismus. Sehr eigenartig wie das zusammengeht.

Was ist Karlas Leitsatz?
Sie hat folgenden Satz, der ihr Leben bestimmt: Willst du einen oder hundert? Sie will damit sagen: Wenn du zuviel Empathie für einen Menschen empfindest, kann es sein, dass du die 100 verpasst.
Die Rolle erfordert eine unglaubliche Selbstdisziplin – Karla ist eine streng denkende, klare Person. Sie hat das richtige Maß an Empathie.