Wirtschaft | Tourismus

Sanft gegen Spekulation

Die Meraner Hotelbranche könnte ordentlich aufgemischt werden. Doch schon jetzt macht sich weitläufige Skepsis breit.
Touriseum Meran
Foto: Touriseum Meran–Südtirolfoto/Helmuth Rier

Die Rekordmeldung kam Anfang Dezember: 19,7 Millionen Nächtigungen hat Südtirol in der vergangenen Sommersaison verzeichnet. Und das Tourismusjahr 2016 dürfte ein weiteres Rekordergebnis bereit halten. Noch sind die genauen Zahlen nicht da, doch allein zwischen Jänner und Oktober 2016 wurden 28,9 Millionen Nächtigungen gemeldet – ein Zuwachs von 7,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Anlass für Jubelstimmung geben die Zahlen allemal, aber zugleich stellt sich für viele die Frage: Wie viel genug und wann wird es zu viel? “Es kann nicht unser Ziel sein, diese Zahl immer weiter zu steigern”, betont selbst IDM-Präsident Thomas Aichner. In der Heimatstadt des Direktors der Marketinggesellschaft Meran scheint man das in gewissen Kreisen anders zu sehen. Im Meraner Rathaus liegen mehrere Anträge um Ausweisung neuer Hotelzonen auf. Aber in der Kurstadt regt sich Widerstand – und das nicht nur unter jenen, von denen man ihn erwartet hätte.

Lust auf mehr

Offiziell hat sich die Stadtregierung zu den Projekte noch nicht geäußert. Doch seit einiger Zeit rumort es in Meran. Der Grund dafür: Gleich sieben Ansuchen sind in den Ratsstuben der Gemeinde hinterlegt worden – allesamt mit dem Ziel, Beherbergungsbetriebe neu zu errichten beziehungsweise um- oder auszubauen. Wie salto.bz in Erfahrung gebracht hat, handelt es sich dabei um folgende Vorhaben: Errichtung eines Hotelkomplexes bei Schloss Pienzenau; ein neuer Campingplatz im Grünen; eine Terrassensiedlung in der Verdistraße; Abbruch und Neubau des Hotels “St. Valentin” oberhalb des botanischen Gartens sowie des Hotels “Einsiedler”, das dem ehemaligen Stadtrat Diego Cavagna (Civica per Merano) gehört; und je ein neues Projekt in Gratsch und Obermais.

Spekulanten unerwünscht

Vor allem gegen den Pienzenau-Bau braut sich eine breite Protest-Front zusammen. Einbringer des Projekts ist der ehemalige Präsident der Meraner Kurverwaltung Rainer Schölzhorn. Im Schlossgarten will er ein Hotel der gehobenen Klasse mit 80 Zimmern errichten und hat es geschafft, eine ungewöhnliche Allianz heraufzubeschwören: Die Bauern der Umgebung, der Ortsausschuss der SVP in Obermais, der Bürgermeister und die Grünen finden sich alle auf derselben Seite wieder, nämlich auf der der Gegner – gemeinsam mit dem HGV Meran. Allesamt sind sich einig, dass Erweiterungen bestehender Betriebe grundsätzlich zu begrüßen, die Errichtung neuer Hotels hingegen mit äußerster Vorsicht zu begutachten seien. Dass sich sogar der HGV skeptisch zeigt, kommt für einige überraschend. “Wenn heimische Hoteliers Lust haben, zu investieren, dann kann ich nur sagen: Kompliment! Aber ein Vorhaben, das wahrscheinlich auswärtige Investoren anlockt und Spekulationszwecken dienen könnte, können wir nicht gutheißen”, erklärt Johannes Gufler vom HGV Meran im Gespräch mit salto.bz die Position seines Verbandes. So habe man zum Beispiel nichts gegen den Ausbau von Cavagnas Hotel “Einsiedler”, im Gegenteil: “Solche Projekte genießen unsere volle Unterstützung und sind auch für die heimische Wirtschaft wohltuend”, betont der Meraner Hotelier.

Es sind vor allem Bauten, die aus dem Nichts mitten ins Grün der Peripherie gepflanzt werden sollen – wie etwa in der Verdistraße oder im Fall von Pienzenau, das direkt am Sissiweg und damit zudem in einer verkehrstechnisch denkbar ungünstigen, weil schwer zugänglichen Zone liegt –, die für Stirnrunzeln sorgen. “Wenn ein Investor mit der Kalkulation hergeht, dass er den Wert einer Wiese, die vielleicht 500.000 Euro Wert ist, durch den Bau eines Hotelobjekts auf 1,5 Millionen Euro steigern kann, ist das nicht der Tourismus, den wir uns wünschen”, so Gufler. Es mache einen Unterschied, ob einer der zahlreichen Meraner Familienbetriebe seine 50 Zimmer um 10 aufstocke oder ob ein Großkonzern 80 neue Einheiten schaffe, mit der Überlegung “wenn es sich rentiert, gut, ansonsten bin ich wieder weg”. Mit Angst vor Konkurrenz habe das absolut nichts zu tun, versichert der Hotelier, sondern meint schlicht: “Das braucht Meran nicht.”

Am Limit?

Damit spricht er gar einigen aus der Seele. Darunter der Grünen Cristina Kury. “Unsere Position deckt sich mit jener des HGV und der Bauern, die sich aus Gründen des Landschaftsschutzes auch ablehnend zeigen”, sagt sie. Ohne bei den einzelnen Projekten ins Detail gehen zu wollen, stellt sie fest, dass in den letzten Jahren in Meran und in Südtirol insgesamt sehr viel Grün verloren gegangen sei. “Daher sind keine Umwidmungen von Grün in Zonen erwünscht, sehr wohl aber eine Verbesserung, dort, wo bereits Grund verbaut worden ist, wie bei den Hotels ‘St. Valentin’ und ‘Einsiedler’”, steht für Kury fest.

Abgesehen von der aktuellen Debatte um die sieben Gesuche, stellt sich die Grüne Rätin die Grundsatzfrage: Wie viel Tourismus verträgt die Stadt? “Meran hat bereits 1 Million Nächtigungen, eine sehr hohe Dichte an Beherbergungsbetrieben und eine sehr lange Saison. Und wir dürfen die Gäste aus den umliegenden Tourismushochburgen wie Dorf Tirol und Schenna nicht vergessen, die bei regnerischen Tagen nach Meran strömen.” Erwägungen, die auch der Meraner Bürgermeister gemacht hat. Mit dem Satz “Oft ist weniger mehr” hat Paul Rösch jüngst seine Bedenken zum Ausdruck gebracht. Johannes Gufler stimmt in diesem Punkt mit Rösch und Kury nicht zu 100 Prozent überein. “Der Tourismus in Meran ist noch nicht an seine Grenzen gestoßen, aber er muss verträglich gestaltet werden”, sagt er. Nichtsdestotrotz – und auch wenn eine offizielle Stellungnahme der Stadtregierung zu den einzelnen Projekten noch aussteht – ist sich das HGV-Vorstandsmitglied sicher: “Was wir brauchen, ist ein sanfter Tourismus. Und mit Paul haben wir den richtigen Partner. ” Sanft und verträglich, das ist die Botschaft, die dieser Tage aus Meran Richtung williger Investoren und Hoteliers beziehungsweise solcher, die es werden wollen, geht. Ob die Ansage ankommt und das ein oder andere Vorhaben noch einmal überdacht oder gar zurückgezogen wird, wird sich zeigen.