Wirtschaft | Stellungnahme

Sanfte Nutzung der Almhütten

Der Direktor des Südtiroler Bauernbundes Siegfried Rinner zur Verschärfung der Urlaub auf den Bauernhof-Regeln und die Sinnhaftigkeit des Locher-Vallazza-Vorschlages.
Almhütte
Foto: Othmar Seehauser
Christoph Franceschini gefällt offensichtlich die Schwarz-Weiß-Malerei: hier der gute Landesrat, dort der böse Bauernbund. Auf diese falsche Feststellung wird der gesamte Artikel zum Urlaub auf dem Bauernhof (UaB) aufgebaut. 
Warum falsch? Weil bewusst einige Tatsachen verschwiegen werden. 
Der Landesbauernrat hat am 19. Juli 2019 (!) beschlossen, die lizenzrechtlichen  Voraussetzung für den Urlauf auf dem Bauernhof zu verschärfen (bzw. dies zu fordern). Die Zugangskriterien für den UaB und die Kontrollen sollen verschärft werden, u. a., indem der Viehbesatz erhöht wird. Zudem muss das Vieh an der eigenen Hofstelle gehalten werden. Pferde, Esel, Alpaka und ähnliches zählen nicht mehr für den Viehbesatz. Für landwirtschaftliche Kleinbetriebe gilt: Sie müssen mindestens drei bäuerliche Produkte selbst herstellen und verkaufen. Inhaber einer gewerblichen Beherbergungslizenz (Hotel, Residence, Gasthof) dürfen keine Lizenz für den UaB mehr erhalten. Und nicht zuletzt soll die Landesverwaltung zusätzlich zu den Gemeinden die Voraussetzungen für den UaB kontrollieren. 
 
Christoph Franceschini gefällt offensichtlich die Schwarz-Weiß-Malerei: hier der gute Landesrat, dort der böse Bauernbund.
 
Diese Vorschläge wurden von einer Arbeitsgruppe, der Beamte der Landesabteilung Landwirtschaft, Funktionäre und Mitarbeiter des SBB sowie die Landtagsabgeordneten Vallazza und Locher angehört haben, erarbeitet und vom Landesbauernrat gutgeheißen. Landesrat Schuler hat an der betreffenden Sitzung des Landesbauernrates teilgenommen und die Vorschläge (mit Ausnahme der zusätzlichen Kontrolle durch die Landesverwaltung) gutgeheißen. Zwei dieser Vorschläge (Unvereinbarkeit mit der gewerblichen Beherbergung und die Ausdehnung der Kontrollen) müssen per Gesetz eingeführt werden. Die übrigen Vorschläge können mit Beschluss der Landesregierung umgesetzt werden, was bisher aus unerfindlichen Gründen noch nicht geschehen ist.
 
 
Im Omnibusgesetz wird jetzt die Unvereinbarkeit mit der gewerblichen Tätigkeit festgeschrieben (so wie es der Landesbauernrat beschlossen hat) und zusätzlich vorgesehen, dass UaB an der Hofstelle ausgeübt werden muss. Mit beiden Änderungen haben die Bauern und Bäuerinnen kein Problem. Derzeit gibt es keine Handvoll Betriebe, welche UaB nicht an der Hofstelle ausüben. Diese Bestimmung wird sogar rückwirkend angewandt, d. h. die Betriebe müssen sich – sofern nötig - innerhalb von zwei Jahren in Ordnung bringen. Die zusätzliche Kontrolle der UaB-Betriebe durch die Landesverwaltung wollte und will Landesrat Schuler nicht umsetzen.
Der Südtiroler Bauernbund ist keine okkulte Lobbyorganisation, sondern die „Gewerkschaft“ der bäuerlichen Familien und des ländlichen Raums in Südtirol. 
Nun zu zwei Dingen, die ich zurechtrücken muss.
Der Südtiroler Bauernbund ist keine okkulte Lobbyorganisation, sondern die „Gewerkschaft“ der bäuerlichen Familien und des ländlichen Raums in Südtirol. 
Der Urlaub auf der Alm hat nichts mit der Verschärfung der Kriterien für den Urlaub auf dem Bauernhof zu tun. Darum widerspricht der Vorschlag von Vallazza und Locher auch nicht der geplanten Reform von Landesrat Schuler und des Landesbauernrats. 
Es liegt nämlich bereits seit Jahren der Vorschlag auf dem Tisch, dass aktive Bauern und Bäuerinnen, die ihre Almen und einen entsprechend großen Viehbestand selbst bewirtschaften, in den bestehenden Almhütten (Zubauten sind nicht möglich) Urlaub auf der Alm anbieten dürfen. Die Autos der Gäste bleiben natürlich im Tal. Vernünftiger und sanfter geht es wohl nicht mehr. 
 
 
Überall im Alpenraum ist der Urlaub auf der Alm möglich, nur in Südtirol nicht. Zumindest nicht für Bauern.
Überall im Alpenraum ist der Urlaub auf der Alm möglich, nur in Südtirol nicht. Zumindest nicht für Bauern. Gewerbliche Anbieter bauen derweil munter immer neue Hotels und Almdörfer im alpinen Grün und auf den Almen. 
Es gibt kein Argument gegen die sanfte Nutzung der bestehenden Almhütten durch die Bergbäuerinnen und -bauern. Sie brauchen auch in Zukunft Zuerwerbsmöglichkeiten, denn die Einnahmen aus der Milch- und Viehwirtschaft stagnieren seit Jahren. Zudem ist die Umsetzung der neuen und zusätzlichen Vorschriften bei der Bewirtschaftung, den Maschinen und der Tierhaltung ohne eine Querfinanzierung über Förderungen, Zuerwerb oder Nebenerwerb für unsere landwirtschaftlichen Betriebe nicht machbar. 
Landesrat Schuler glaubt, mit dem Verbot der Privatzimmervermietung am Bauernhof den Verkauf von Bauernhöfen an Landwirtschaftsfremde zu verhindern. Er sagt, dass wer einen Bauernhof kauft, soll das wegen der Landwirtschaft (der landwirtschaftlichen Bewirtschaftung) tun. 
Zunächst muss ich feststellen, dass in Südtirol kein Ausverkauf der Bauernhöfe stattfindet.
Zunächst muss ich feststellen, dass in Südtirol kein Ausverkauf der Bauernhöfe stattfindet. Weiters muss ich feststellen, dass finanzstarke landwirtschaftsfremde Personen einen Bauernhof wohl nicht wegen der Landwirtschaft oder wegen des Urlaubs auf dem Bauernhof kaufen, sondern weil sie ein Haus im Grünen wollen, um dort ihre Ruhe zu haben. 
Wenn Landesrat Schuler also die Privatzimmervermietung am landwirtschaftlichen Betrieb verbietet, dann trifft er nicht diese finanzstarken Investoren und verhindert auch keinen Verkauf, sondern er trifft die vielen kleinen landwirtschaftlichen Betriebe, die zu klein sind, um UaB auszuüben, aber mit Leidenschaft und Fleiß ihre Flächen bewirtschaften und nebenher noch eine Privatzimmervermietung anbieten möchten -  so wie es jeder andere Hauseigentümer in Südtirol auch tun kann. 
Wenn die Politik etwas gegen den Verkauf von Höfen an landwirtschaftsfremde Personen unternehmen will, soll sie den Grundverkehr einschränken, wie das bereits in Österreich der Fall ist. Landwirtschaftlichen Grund oder geschlossene Höfe sollen nur mehr an aktive bäuerliche Familien verkauft werden dürfen, womit die Flächen der Landwirtschaft erhalten bleiben. 
Ich weiß, dass es gut ankommt, wenn man Feindbilder schafft. Dieses Niveau hat unsere Landwirtschaft aber nicht verdient.
Ich weiß, dass dies rechtlich schwierig ist, aber allemal besser als eine Maßnahme, die für unsere tausenden Kleinbetriebe nur Schaden anrichtet und keinerlei Nutzen bringt.
Ich weiß, dass es verführerisch ist, die Dinge bis zur Unkenntlichkeit zu vereinfachen, dass es Mode ist, Einzelfälle zu grundsätzlichen Problemen hochzustilisieren und dass es gut ankommt, wenn man Feindbilder schafft. 
Dieses Niveau hat unsere Landwirtschaft aber nicht verdient. Und da unsere Bauern und Bäuerinnen mit ihrer Arbeit genug zu tun haben, rücke ich gerne für sie einige Dinge zurecht.
 
Siegfried Rinner
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Sepp.Bacher Sa., 01.02.2020 - 08:40

"Diese Bestimmung wird sogar rückwirkend angewandt, d. h. die Betriebe müssen sich – sofern nötig - innerhalb von zwei Jahren in Ordnung bringen." Herr Rinner, heißt das, wenn es nicht gelingt, sich in Ordnung zu bringen, müssen die dann auch die zu Unrecht erhaltenen Beiträge für UaB zurückzahlen? Denn sonst wäre es immer noch ein Geschäft. So wie es auch ein Geschäft für jeden Bauern ist, der sich bis zu sechs Wohnungen über den UaB-Beiträgen finanzieren lässt, um vorerst dort Gäste unterzubringen. Nach Jahren und je nach Entwicklung des Marktes können diese Wohnungen von den heranwachsenden Kindern bezogen werden. Wer sonst in Südtirol kann so billig und einfach Wohnungen für die Kinder bauen? Viele Kontrollen sind ja nicht zu erwarten und sonst kann man ja - wie in Südtirol üblich - im Nachhinein eine Umwidmung vornehmen lassen. Welcher Bürgermeister ist gegen leistbares Wohnen?!

Sa., 01.02.2020 - 08:40 Permalink
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Elisabeth Garber Sa., 01.02.2020 - 11:11

Rinner und Franceschini schreiben von zwei Paar Schuhen. So richtig bunt...SüdTirol hat von Felix Mitterers "Piefke-Saga" nichts gelernt. Es genügt, sich umzuschauen und umzuhören - die Saga wird zunehmend internationaler.

Sa., 01.02.2020 - 11:11 Permalink
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Meister Haus Mo., 17.02.2020 - 17:46

Antwort auf von Elisabeth Garber

Es ist erstaunlich wie beharrlich, arrogant und skrupellos sich die Führungsriege der Bauern - und ich betone „Führungsriege“! – um die kontinuierliche Verschlechterung der ohnehin angespannten Beziehung zum „Rest“ der Bevölkerung bemüht. Das Image der Landwirtschaft, ist durch weitgehende Steuerfreiheit, ungezählte Subventionsmöglichkeiten und raumordnerische Vorteile bei gleichzeitig massiver Belastung der Umwelt durch schädliche Bewirtschaftungsmethoden angeschlagen wie noch nie. Die weinerliche Arroganz (eine Spezialität dieser Führungsriege), mit der sich diese Funktionäre jede „Einmischung in ihre Angelegenheiten“ durch „grüne Spinner“ und „Stodtfockn“ verbieten, mit deren Steueraufkommen der ganze Privilegienstadl und damit ihre Macht finanziert wird, tut ein weiteres.
Und jetzt, wo die Frage des Übertourismus massiv im Raum steht, müssen auch noch die Almen herhalten, damit sich „arme Bauern ein paar Euro“ dazuverdienen können.
Gottseidank gibt es immer mehr junge Menschen in der Landwirtschaft, die diesen Wahnsinn in Frage zu stellen beginnen.

Mo., 17.02.2020 - 17:46 Permalink