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Im Westen gibts Neues

Ein Austausch mit Florian Margesin und Florian Geiser über die Arbeit in der Postproduktion eines Films im Oscarrennen, Filmförderung und den Filmstandort Südtirol.
Florian Geiser
Foto: Cine Chromatix Italy

Florian Margesin ist „Digital Compositor“ (fügt also Bilder zusammen) und Teamleiter in Italien, Florian Geiser ist der Studio Manager für Italien bei der Meraner Firma Cine Chromatix Italy. Beiden gemein ist die Freude an der Beteiligung am neunfach, auch im Effekt-Sektor, Oscar-nominierten „Im Westen nichts Neues“.

Salto.bz: Darf man nur zur Nominierung bereits gratulieren, oder erst wenn diese ein eventueller Gewinn wird?
 
Florian Margesin: Zur Nominierung darf man bereits gratulieren, weil es jetzt schon ein historisches Ergebnis ist für einen deutschen Film. Das gab es davor erst einmal, mit „Das Boot“, der sechs Nominierungen erhielt. Es ist zum ersten mal ein Deutscher Film sowohl für „Best Picture“, als auch „International Feature Film“ nominiert. In der Hinsicht ist das schon jetzt ein großer Erfolg.
 
Hat man das Gefühl daran, auch in den Hauptkategorien, durch die Effekte einen Teil dazu beigetragen zu haben?
 
Margesin: Ich finde schon. Der Film wurde bereits mit vielen Spezialeffekten am Set gedreht. Was wir gemacht haben ist das bereits Vorhandene zu erweitern. Man baut das aus. Mehr Explosionen, mehr Personen und Schnee insgesamt… auch ein Teil des Set-Dressing, wie Einschusslöcher und Brandflecken, all diese Teile, die nachträglich noch eingebaut worden sind.
 
 
Die Frage vorweg, weil es immer interessiert: arbeitete man mit oder ohne IDM-Förderung?
 
Florian Geiser: Ohne. „Im Westen nichts Neues“ ist ein Projekt, das über unser Mutterhaus akquiriert wurde. Am Ende haben das ganze VFX Team („Visual Effects“, Anm. d. Red.) und die Kollegen in Berlin mitgearbeitet.
 
Für moderne Kriegsfilme hat sich durch Regisseure wie Christopher Nolan ein gewisser Look etabliert. Versucht man sich dieser Bildsprache anzupassen oder überlegt man sich eher, was man anders machen könnte?
 
Margesin: Wir haben relativ wenig dabei zu bestimmen. Unsere Aufgabe war es bestimmte Elemente ein- oder auszubauen, das heißt Retuschen machen oder Explosionen einbauen. Deswegen hatten wir recht konkrete Vorstellungen von Regisseur Edward Berger umzusetzen. Der Look ist bei Kriegsfilmen definitiv ziemlich ähnlich, aus dem Grund, dass das Color Grading sehr viel mit den Gefühlen der Menschen macht und man daher in eine bestimmte Richtung gehen muss. Wenn ein Film den typischen „Mexiko Look“ hat, also einen Sepia-Filter, dann fühlt man sich wohl, das wirkt warm und angenehm. Kriegsfilme dagegen sind grau und kalt, haben wenige gesättigte Farben, was genau die beängstigende Stimmung hervor streicht.
 
Geiser: Wie gesagt, in die Entwicklung des Looks waren wir nicht involviert gewesen, dieser war vorgegeben.
 
Der Film ist im September in den Kinos gestartet, seit Oktober ist er auf Netflix zu sehen. Fordert euch das in der Arbeit gewissermaßen doppelt? Da Ihr doch für zwei komplett verschiedene Nutzererfahrungen ein geeignetes Produkt liefern müsst.
 
Margesin: Ja und nein. Ja in der Hinsicht, dass man gleich vorweg mehr gefordert ist. Fürs Kino muss man natürlich bis auf den letzten Pixel darauf achten, dass alles passt und dem entsprechend muss die Arbeit viel genauer sein, als für eine Fernsehproduktion. Weil „Im Westen nichts Neues“ von Beginn an als Kinoproduktion geplant war, war es für uns aber kein Umweg, da wir in dieser Richtung gestartet sind.
 
 
Habt Ihr den Film auf Netflix gesehen? Welchen Eindruck macht er im Heimkino?
 
Margesin: Wir haben den Film bei Release gemeinsam in der Firma gesehen. Das war das erste Mal, dass man eine Produktion, bei der man selbst mitgewirkt hat in dieser Form auf der Leinwand sehen konnte. Das ist natürlich ein großer Unterschied, ob ich den Film im Review-Kino auf der großen Leinwand sehe, oder zuhause auf dem Fernseher. Man nimmt viel mehr mit, wenn man den Film im Kino sieht.
 
Geiser: Auch das Gesamtergebnis dieses Haufen Arbeit zu sehen. Ich persönlich arbeite ja nicht im VFX-Bereich, aber das ist für Florian und seine Kollegen sicher eine große Genugtuung, wenn ein Film erscheint und gesehen wird, welche Arbeit hinein gesteckt wurde. Das ist ein großer Motivationsschub.
 
Margesin: Absolut, das war sehr toll. Vor allem wenn man bedenkt, dass man zum Teil wochenlang an einer einzelnen Szene gearbeitet hat und die dauert im Film Sekunden. Sie flitzt vorbei als ob man nichts gemacht hätte. Das ist Wahnsinn.
 
 

 
Auf dem Linked-In Kanal der Cine Cromatix Italy habt Ihr einen Visual Showcase geteilt, in welchem man sieht, welche Elemente hinzu und was auch wieder weg kommt. Ist das alles Arbeit auf Ziel, weil Ihr genaue Vorgaben habt oder ist das zum Teil auch Trial and Error, Ausprobieren?
 
Margesin: Das kommt darauf. Wenn man von Retuschen spricht - etwa Kabel, die noch im Bild sind, oder ein Mikrofon, das man sieht - ist das von vorne herein bestimmt. Danach beginnt das Look Development für die verschiedenen Effekte. Wie Sie sehen, wir haben für dieses Projekt viel Schnee gemacht. Da mussten wir uns auch erstmal Gedanken machen, wie wir das angehen. Wir haben Research und Development betrieben, also verschiedene Methoden probiert. Nur weil etwas funktioniert ist es nicht notwendigerweise die optimale Methode, weil es vielleicht für eine lange Sequenz zu aufwändig ist. Dann sucht man einen Weg zwischen Einfachheit in der Umsetzung und benötigter Render-Leistung. Wenn das in keinem Verhältnis steht, dann bringt das nichts, dann bin ich mit Anpassungswünschen nicht mehr in der Lage rechtzeitig abzugeben. In dieser Hinsicht haben wir im „wie“ wir die Sachen machen eine große Freiheit und Kreativität, was ich toll finde. Was raus und was rein muss, ist aber klar bestimmt.
 
Geiser: …und am Ende muss es dem Kunden gefallen.
 
Wenn man sich die Version aus den 70ern ansieht, dann ist die für ein heutiges Publikum zu langsam, würde ich mich getrauen zu sagen. (Margesin)
 
„Im Westen nichts Neues“ gibt es nun in drei Fassungen, eine von 1930, eine von 1979 und nun eine von 2022. Müssen bestimmte Stoffe wie dieser, gerade aus Sicht der Effekte, immer wieder angepasst werden, damit sie für ein modernes Publikum zugänglich bleiben?
 
Margesin: Ich bin überzeugt, dass es notwendig ist. Wenn man sich die Version aus den 70ern ansieht, dann ist die für ein heutiges Publikum zu langsam, würde ich mich getrauen zu sagen.
 
Geiser: Auch die Bildsprache ändert sich mit der Zeit und den Generationen. Deswegen müssen solche Geschichten visuell neu adaptiert werden.
 
Margesin: Das ist auch zu statisch. Wenn man sich einen Film der letzten Jahre, wie „1917“ (Sam Mendes) ansieht, der sich gut vergleichen lässt, weil er auch im ersten Weltkrieg spielt, dann haben beide große Parallelen, etwa bei der Kameraführung (beide Filme wurden für einen Kamera-Oscar nominiert, „1917“ gewann 2020 in dieser Kategorie, Anm. d. Red.). Das ist sehr dynamisch, es wird mit der Handkamera viel Bewegung ins Bild gebracht. Das steht ganz im Gegensatz zu den vorherigen Versionen des Films. Das ist eine Kamerasprache, die den Betrachter viel stärker abholt.
 
Geiser: Dramaturgisch ist das anspruchsvoller und auch das Klientel ist mit der Zeit anspruchsvoller geworden, da in der jetzigen Zeit Massen an guten Produkten konsumiert werden. Um da hervorzustechen muss man etwas anderes liefern.
 
Was gibt es - von Bozen aus gesehen - auch wieder im Westen, in Meran, Neues? Woran wird gearbeitet, dürft Ihr etwas verraten?
 
Geiser: Das ist schwierig, da dürften wir eigentlich nichts verraten.
 
Margesin: Also keine Details, wir dürfen sagen, wir haben etwa im Herbst an Serien für Disney gearbeitet und arbeiten zur Zeit darauf hin bald mit weiteren Projekten für Netflix starten zu dürfen. Aber durch die NDAs (non-disclosure agreement; Verschwiegenheitsvereinbarung, Anm. d. Red.) dürfen wir nichts weiteres verraten.
 
Also arbeitet man weiterhin sowohl fürs Kino, als auch fürs Heimkino?
 
Margesin: Richtig. Wir haben auch in den letzten Jahren, was hier in Südtirol etwas unterging, auch im Deutschen Raum schon an recht große Erfolgen mitgewirkt mit den beiden Projekten „Die Schule der magischen Tiere“ 1 und 2, der Adaption eines Kinderbuches. Das ist so etwas wie Harry Potter für eine jüngere Klientel. In Deutschland waren beide Teile besucherstärkster Deutscher Film. Wir haben uns von daher bereits einen guten Namen gemacht.
 
Geiser: Vor allem bringen uns solche Projekte nach Außen hin Visibilität. Was wir jetzt stark spüren uns was uns freut. Wir hoffen jetzt auch in der Region auf mehr Visibilität, da uns das Thema Ausbildung auch sehr wichtig ist.
 
Inwiefern?
 
Geiser: Wir würden gerne junge Leute gewinnen in diese Richtung und vielleicht gibt das einen Schub, in diese Richtung.
 
Margesin: Bei uns im Land ist das mit der Visibilität schwierig, weil insgesamt der Bereich in dem wir arbeiten nicht leicht zugänglich ist. Wenn sich eine Person sich nicht bereits dafür interessiert, dann ist es schwierig Fuß zu fassen, weil man viel Eigeninitiative mitbringen muss. Dementsprechend fände ich es wichtig in diesem Bereich Initiativen im Land zu starten. Wir wären sehr interessiert daran, Praktikums-Stellen oder auch Ausbildungen, die in diesen Bereich einführen zu schaffen, da es einem einerseits den Einstieg erleichtert und andererseits den Filmstandort Südtirol auf andere Weise festigt. Wir wären dann nicht mehr nur Drehort, sondern auch für Postproduktionen interessanter.
 
Geiser: Es gibt schon Gespräche in diese Richtung, wo wir mit Bildungsinstitutionen wie Oberschulen oder Universitäten reden. Wir suchen die Gespräche.
 
Wir sind auf einem guten Weg, aber natürlich fehlt noch viel. Wir können uns in jeglichem Bereich stärken. (Geiser)
 
Fehlen auch noch bestimmte andere Sektoren im Filmland Südtirol? Etwa, wenn man sagt jeder andere größere Standort verfügt über Lager für Requisiten?
 
Geiser: Da hat sich in den letzten Jahren einiges getan. Es gibt etwa bereits ein Studio, das man in Bozen anmieten könnte und auch Hallen, die man mieten kann. Albolinafilm hat seit kurzem etwa eine kleine Werkstätte für Szenenbild. Es tut sich was. Natürlich immer in kleinen Schritten, da wir mit den Aufträgen gehen und sehen müssen, wie sicher die Filmförderung ist. Schade ist, dass das für die restliche Region wenig sichtbar ist. Wir sind auf einem guten Weg, aber natürlich fehlt noch viel. Wir können uns in jeglichem Bereich stärken.
 
Wie werten Sie die Filmförderung in Südtirol und den Film-Standort?
 
Margesin: Ich würde anmerken, dass die Filmförderung an sich eine tolle Sache ist, für kleine bis mittlere Produktionen. Große Produktionen wie „Star Wars“ für Disney und ähnliche drehen viel mehr in Südtirol als man meinen würde. Nur greifen sie nicht auf diese Ressourcen zu, weil die Budgets so groß sind, dass sie sich sagen, sie sind an 30.000 Euro mehr oder weniger nicht interessiert. In der Hinsicht ist der Standort schon recht interessant. Es gibt relativ große Produktionen, die im Land schon gedreht wurden und noch gedreht werden. Was bei uns, über die Förderungen ankommt sind tendenziell eher kleine bis mittlere Produktionen.
 
Geiser: Es gibt aber eine Tendenz zu den größeren hin. Der IDM ist immer mehr klar geworden, wie wichtig Projekte für die Postproduktion sind. Eine Firma wie unsere braucht natürlich laufend, auch größere Aufträge, damit alle Mitarbeiter gehalten werden können. Für uns als Firma war die IDM eigentlich der Initiativ-Startpunkt, bei welchem wir uns gesagt haben, wir starten mit dem Abenteuer. Ohne Filmförderung gäbe es uns sicher nicht. Aktuell sind die geförderten Projekte sehr wichtig für uns, weil sie uns Aufträge verschaffen, aber, was Florian vielleicht sagen wollte, nebenher freut uns auch die Wahrnehmung darüber hinaus.
 
 
Will man an einen Punkt kommen an dem man die IDM nicht mehr braucht? Da ja auch von politischer Seite her unklar ist, wie sich der Bereich Filmförderung innerhalb der IDM entwickeln soll.
 
Geiser: Eigentlich nicht. Als Firma würde ich natürlich sagen, es wäre schön unabhängig von externen Geldern zu sein, aber das wäre für den Europäischen Filmmarkt Unrealistisch. Europa ist ein Ort der Film- und Kulturförderung, was auch richtig ist. Es werden auch kulturell wertvolle und nicht nur wirtschaftlich attraktive Filme gefördert. Deswegen gibt es, wenn man den Europäischen Filmmarkt betrachtet sehr viel Verschiedenheit. Das ist in jedem Land so und richtig so.
 
Margesin: Das kann man auch beobachten wenn man, was die wenigsten machen, den Abspann eines Filmes ansieht, dann sieht man sehr oft „gefördert von…“. Das gibt es auch in den USA, wo einzelne Bundesstaaten ihre Förderung haben, oder etwa in Kanada. Weltweit ist das gang und gäbe. Es wird einem auch immer wieder bewusst, wieviele Personen an der Schaffung eines Kunstwerks beteiligt waren. Das Urteil, ob es gut oder schlecht war, sei jedem selbst überlassen. Es ist jedenfalls ein großer Arbeitgeber insgesamt.