Gesellschaft | kalašnikov&valeriana

Kaffee-Mäuschen

Von Chancengleichheit und Gleichberechtigung bei einem lausigen Kaffee in einem anonymen Hotel.
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Foto: Louis Hansel / Unsplash

Vor kurzem war ich aus beruflichen Gründen unterwegs. Nach einer kurzen Nacht galt mein einziger Gedanke dem Kaffee im Frühstücksraum. Er war dann eine wässrige lauwarme Brühe, wie meistens im Ausland üblich, aber immerhin bestand Hoffnung auf einen Koffeinkick. Während ich mich im Zombiemodus vor der abgestellten Kaffeethermos bewegte, rief ein Kollege vom Nebentisch: „Guten Morgen Christine! Wo du schon da stehst, bringst du mir auch einen Kaffee?“ Nun kann es schon mal vorkommen, dass ich ganz aus freien Stücken meinen Mitarbeiterinnen Kaffee ins Büro oder meinem Mann Kaffee ans Bett serviere. In diesem Kontext und an diesem Morgen aber hat diese Forderung (noch vor der Koffeinwirkung) eine ganze Reihe von Gedankengängen angeregt und mich schlagartig aus meinem komatösen Zustand geholt.

Kennt ihr den Begriff „office housework“? Es geht wieder einmal um die gute alte (unsichtbare und unbezahlte) Care-Arbeit, die selbst im Arbeitsumfeld mir nichts dir nichts Frauen zugeschoben wird. Eigentlich sollte das Bild der kaffeekochenden Sekretärin mittlerweile überholt und das Kaffeekochen jedermanns Sache sein. Und doch sind es die Frauen, die in einer männerdominierten Berufswelt Kaffee holen, Fotokopien machen, Protokolle schreiben, Blumen besorgen, Abschiedsfeiern für Kolleg:innen organisieren und für die Ehefrau des Chefs Geschenke kaufen. Bei gleichgestellten Positionen wird dieses „office housework“ den Frauen im Team zugeschoben. Moral der Geschichte: Frau übernimmt all die kleinen nebensächlichen Zusatzaufgaben, um dieselbe Einstufung wie ein Mann (der diese Aufgaben nicht übernimmt) zu haben. Übrig bleibt dann kaum Zeit und Energie, um sich ihrer eigenen Karriere zu widmen, dafür steigt ihr Risiko eines Burnouts.

Und das alles, weil er ein ergebnisorientierter Leader und sie eine empathische Teamplayerin ist. Weil es in ihrer Natur liegt, anderen zu helfen. Und wenn sie es nicht tut, dann ist sie eine Egoistin (im Gegensatz zum Kollegen, der einfach nur so beschäftigt ist). Stereotypen, die sich nach wie vor auch im beruflichen Umfeld wacker halten, doppelte Standards wie überall in der Care-Arbeit: Kümmert er sich um den Haushalt, wird er für seine „Hilfe“ gelobt. Kümmert sie sich darum, ist es ihre Pflicht. Geht er seiner Karriere nach, ist er ach so aufopferungsbereit. Tut sie es, ist sie eine Rabenmutter (-tochter oder was auch immer). Doppelte Standards, die auf dasselbe hinauslaufen: „Einer Frau gefällt es, anderen zu helfen“. Was man(n) sich von ihr erwartet, wird zu ihrer Pflicht. Und die wiederum ist mit Grund dafür, dass sie im Berufsleben, in der Altersfürsorge, in der finanziellen Unabhängigkeit den Kürzeren zieht. Und zwar systematisch.

Also Männer: Lasst es sein! Hört auf, Kaffee-Mäuschen zu fordern. Bemüht euch lieber darum, Chancengleichheit und Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen zu fördern und euch aktiv gegen Sexismus und Diskriminierung jeglicher Art einzusetzen. Damit könnt ihr auch schon bei einem lausigen Kaffee in einem anonymen Hotel beginnen, ganz einfach, indem ihr ihn euch selbst aus der Kanne holt.
 

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veronika dapra Di., 04.04.2023 - 07:33

Vielleicht sollte man nicht aus allem eine Grundsatzfrage machen oder sich als Opfer darstellen. Wenn man etwas nicht tun will, dann tu man es halt nicht. Mich stört, dass manche Frauen sich gerne bei allem als Opfer darstellen.

Di., 04.04.2023 - 07:33 Permalink
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Michael Bockhorni Di., 04.04.2023 - 09:20

Vorneweg, so ein Verhalten finde ich auch vorgestrig (und unhöflich, weil ja nicht einmal ein Bitte dabei war). Mache ich auch nicht, daher finde ich die verallgemeinernde Aufforderung "Also Männer" ebenso unpassend wie wenn die Vielfalt von Frauenleben mit "die Frauen" in einen Topf geworfen werden (z.B. dass sie Männer bei der Kinderbetreuung nicht selbständig tun lassen). Diskriminierung wäre es wohl erst dann, wenn Frauen die keinen Kaffee bringen daraus berufliche oder andere Nachteile erfahren.

Di., 04.04.2023 - 09:20 Permalink
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Christine Clignon Di., 04.04.2023 - 10:24

In dieser Kolumne geht es darum, Gender Bias aufzuzeigen und in diesem Fall das Phänomen des "Office-Houseworking" zu thematisieren. Dazu wurde auch schon einiges veröffentlicht und ist anhand weniger Klicks im Internet zu finden.
So z.B. https://hbr.org/2018/07/why-women-volunteer-for-tasks-that-dont-lead-to…

"The solution is not for women to decline more work requests — which would present problems for organizations and hold repercussions for women — ..."

Di., 04.04.2023 - 10:24 Permalink
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Salto User
Manfred Gasser Di., 04.04.2023 - 13:55

*Und wenn das ein Kollegin fragt, ist es in Ordnung?
*Und wenn das der Kollege einen Kollegen fragt, ist es auch in Ordnung?
*Und wenn das die Christine eine Kollegin fragt, auch?
*Und wenn das die Christine einen Kollegen fragt?

*Immer das Wörtchen "bitte" vorausgesetzt

Di., 04.04.2023 - 13:55 Permalink
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Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Di., 04.04.2023 - 15:15

"Er war dann eine wässrige lauwarme Brühe, wie meistens im Ausland üblich..." Diese Formulierung, die ich als extrem ausländerfeindlich empfinde, hat mich sehr gestört. Wer so mit vollkommen unbegründeten Vorurteilen um sich schmeißt, den kann man nicht Ernst nehmen.

Di., 04.04.2023 - 15:15 Permalink