Wirtschaft | Sparkasse

Präsident im Fokus

Der neue Inspektionsbericht der Banca d'Italia prangert zwei konkrete Interessenskonflikte von Präsident Gerhard Brandstätter an. Und ein merkwürdiges Beraterhonorar.
Banca d Italia
Foto: Suedtirolfoto.com / Othmar Seehauser
Gerhard Brandstätter sprach an diesem Nachmittag 45 Minuten lang. Es war eine Verteidigungsrede. Nicht im Gerichtssaal und nicht für einen Mandanten: Der Präsident der Sparkasse sprach in eigener Sache.
Vom 3. Oktober 2016 bis zum 23. Februar 2017 unterzog die Banca d'Italia die Südtiroler Sparkasse einer neuen ausgedehnten Inspektion. Am Nachmittag des 18. Mai 2017 stellten der Leiter der Abteilung Bankenaufsicht 2 aus Rom, Lanfranco Suardo, Chefinspektor Sandro Del Giovane und der Direktor der Bozner Niederlassung, Luigi Parisotto, in der Sparkasse den offiziellen Abschlussbericht vor.
Dabei wird der Bericht - wie es die Bestimmungen vorschreiben - zuerst dem versammelten Verwaltungs- und Aufsichtsrat vorgelesen und dann offiziell übergeben.
Seitdem werden die beiden übergebenen Kopien dieses Inspektionsberichtes in der Sparkasse gehütet wie ein Staatsgeheimnis. Selbst die Abteilungsleiter, die den Bericht einsehen müssen, bekommen nur eine Version, in der große Teile des Berichts geschwärzt sind. Auch diese Vorgangsweise hat durchaus Tradition und wird nicht nur in der Südtiroler Sparkasse so praktiziert.
Die offizielle Losung in der Sparkasse lautet: Der Bericht sei überaus positiv. Was teilweise auch stimmt. So hat die Bankenaufsicht nicht nur die Bewertung der Sparkasse wieder angehoben, sondern durchaus auch die Bemühungen der amtierenden Sparkassenführung zur Sanierung der Bank anerkannt.
Dass der schmale Bericht dennoch einigen Zündstoff enthält, zeigt die Reaktion des Sparkassenpräsidenten. Denn für Gerhard Brandstätter kommt es in diesem Bericht knüppeldick.
 

Der Fall Seeste

 
Im Juni 2015 hatte die Bankenaufsicht den bis dahin letzten Inspektionsbericht über die Sparkasse abgeliefert. In dem Bericht heißt es:
 
„Zudem erwartet sich die Bankenaufsicht, dass angemessene organisatorische und verwaltungstechnische Schutzmaßnahmen angewandt werden, die ausschließen, dass es zu Interessenskonflikten – auch potenziellen – kommen kann, die mit den privaten beruflichen Tätigkeiten der Mitglieder der Kollegialorgane der Bank zusammenhängen.“
 
Der Hintergrund dieser harten Aussage ist auch ein Fall, den die Inspektoren bereits damals detailliert dargestellt haben.
Es geht um die beiden Unternehmen „Seeste Bau Veneto Srl“ und „Seeste Bau GmbH“. Die beiden Gesellschaften, die zur Gruppe um Leitner-Chef Michl Seeber gehören, haben Außenstände von rund 25 Millionen Euro bei der Sparkasse. Juniorchef Anton Seeber, der heute die Leitner-Holding führt, saß bis 2014 im Verwaltungsrat der Sparkasse.
 
Seit langem ist Gerhard Brandstätter als Rechtsberater für das Sterzinger Unternehmen tätig. Brandstätter war es dann auch, der 2014 offiziell mit der Sparkasse und anderen Banken verhandelt hat. Die Verhandlungen zogen sich gut ein dreiviertel Jahr hin. Anfänglich war Brandstätter noch Präsident der Stiftung Sparkasse, ab April 2014 dann Präsident der Bank.
Dass hier ein potenzieller Interessenkonflikt vorliegt, erkannten die Inspektoren bereits damals. Im Banca-d’Italia-Bericht vom Juni 2015 wird wörtlich darauf hingewiesen, dass die Kanzlei Brandstätter für die Gruppe Seeber die Beratung beim Umschuldungsprojekt gegenüber UniCredit und Banco Popolare übernommen hat.
 

Das Moratorium

 
Gerhard Brandstätter und seine Kanzlei handelten 2015 für die Seeste-Gruppe aber auch ein Moratorium mit der Sparkasse aus, der er als Präsident vorstand. Das Abkommen fror die Kredite und deren Rückzahlung für zwei Jahre ein.
Die Inspektoren der Bankenaufsicht hatten bereits im Frühjahr 2015 verlangt, die Seeste-Kredite als notleidende Positionen zu klassifizieren und die entsprechenden Rückstellungen zu bilden. Nur auf Letzteres ging die Sparkasse ein. Man stellte - bis heute - einen zweistelligen Millionenbetrag als Absicherung zurück. Als notleidend wurden die Forderungen an die Seeste Bau Veneto Srl und die Seeste Bau GmbH aber bis heute nicht eingestuft.
 
Die finanzielle Situation der beiden Unternehmen hat sich in den vergangenen zwei Jahren kaum gebessert. Deshalb hat der Verwaltungsrat der Sparkasse am 20. Dezember 2016 eine Verlängerung des Moratoriums beschlossen. Bei dieser Abstimmung hat Gerhard Brandstätter zwar auf seinen Interessenkonflikt hingewiesen, doch nicht so, wie von der Bankenaufsicht vorgesehen. Laut den Bestimmungen hätte der Sparkassenpräsident detailliert „Grund, Ursprung, Dauer und Umfang“ des Interessenkonflikts darlegen müssen. Zum Bespiel ob der Beratungsauftrag für das Unternehmen noch aufrecht ist. Das hat Brandstätter aber - laut Banca d'Italia - nicht getan.
Doch das ist nicht der einzige Interessenkonflikt von Gerhard Brandstätter, der im neuen Banca-d’Italia-Bericht angeprangert wird.
 

Der Fall Rotolongo

 
Detailliert dargestellt wird im Bericht auch der vor Monaten von salto.bz enthüllte Fall Rotolongo.
Die Rotolongo GmbH, die Brandstätters Schwager Peter Longo und dessen Ehefrau Verena Brandstätter gehört, war über die Jahre hinweg in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Die Ausstände bei der Sparkasse wurden immer größer. Bereits 2008 schlug die Kreditabteilung Alarm. Doch die Sparkasse gewährte jahrelang weitere Finanzierungen.
Auch hier hatte Gerhard Brandstätter, damals noch Stiftungspräsident, die Rechtsvertretung des Unternehmens inne. Als Brandstätter dann im April 2014 als Präsident in die Bank wechselt, wird die Situation noch brisanter. Denn im Juli 2014 werden die Kredite der Rotolongo GmbH in der Sparkasse offiziell erstmals als „festgefahren“ eingestuft (incaglio).
2015 will Peter Longo die Longo Immobilien GmbH erwerben. Der Unternehmer braucht einen neuen Kredit. Im Jänner 2015 erhält er bei der Raiffeisen Landesbank einen Hypothekarkredit von 3,4 Millionen Euro. Die Bank verlangt als Sicherheit eine Hypothek auf die Immobilien.
 
Das Problem: Die Longo Immobilien GmbH hat zu diesem Zeitpunkt bei der Sparkasse Schulden in der Höhe von 3,2 Millionen Euro. Und die Sparkasse hat dafür bereits eine Hypothek ersten Grades auf die Immobilien eintragen lassen.
Jetzt geschieht etwas für die Bankenwelt fast Unglaubliches: Die Sparkasse beschließt, auf die Hypothek ersten Grades zu verzichten und sich freiwillig auf den 2. Grad zurückstufen zu lassen.
Im Bericht der Banca d’Italia wird jetzt angeführt, dass diese Entscheidungen in der Sparkasse gegen die Gutachten der zuständigen Abteilungen getroffen wurden.
 

Keine Verluste?

 
Die Ausstände der Peter-Longo-Unternehmen sind zu diesem Zeitpunkt längst auf 5,3 Millionen Euro angewachsen. Als die Inspektoren der Banca d'Italia den Kreditakt Rotolongo im Herbst 2016 akribisch prüfen, wird es eng. Die Aufseher stellen ein Ultimatum: Entweder der Kreditfall wird bis Ende des Jahres gelöst oder der Longo-Kredit muss als „Sofferenz“ (notleidend) ausgewiesen werden. Es wäre für Sparkassenpräsident Gerhard Brandstätter mehr als nur ein Imageproblem.
Kurz vor Weihnachten naht plötzlich unerwartet Rettung. Der Klausner Multiunternehmer und amtierende Sparkassen-Verwaltungsrat Hans Krapf gründet am 16. Dezember 2016 die „IGB GmbH“. Das Unternehmen kauft am 30. Dezember 2016 die Longo Immobiliare GmbH um 8,6 Millionen Euro. Peter Longo und Verena Brandstätter können wenig später ihre Kredite bei der Sparkasse löschen. „Die Sparkasse hat keinen Verlust gemacht“, heißt es seitdem aus der Bank.
Im neuen Banca-d’Italia-Bericht wird der Fall genau nachgezeichnet. Aber mit einem anderen Schluss. Laut Bankenaufsicht hat die Rotolongo GmbH bei der Sparkasse noch einen festgefahrenen Kredit von 729.000 Euro - von dem die Bank bereits 498.000 Euro als „möglichen Verlust“ ausgewiesen hat.
 

Die 1,8-Millionen-Zahlung

 
Im Bericht der Bankenaufsicht, der vor zwei Wochen der Sparkassenführung übergeben wurde, wird aber auch eine andere, kaum bekannte Geschichte nachgezeichnet.
Die Sparkasse hat im vergangenen Jahr ein Paket an notleidenden Krediten (sogenannte NPL) veräußert. Es handelt sich um 503 Schuldnerpositionen im Wert von rund 320 Millionen Euro. Käufer war die „Nemo SPV S.r.l“, die das Paket um 73,8 Millionen Euro erworben hat. Nemo hat den Kauf durch Titel des Fonds „Algebris NPL Parternship“ finanziert.
Ursprünglich hatte die Sparkasse aber mit einem anderen Käufer verhandelt: dem römischen „Credito Fondiario (Fonspa)“. Die Fonspa hatte das NPL-Paket geprüft und katalogisiert. Als das Paket längst verkauft war, verlangte die Fonspa 2,4 Millionen Euro plus Mehrwertsteuer von der Sparkasse. Der Verwaltungsrat beschloss am 27. April 2016 1,8 Millionen an die Fonspa zu zahlen.
Für die Bankenaufsicht ist kein Grund für diese Zahlung ersichtlich. Denn vertraglich war das nicht festgelegt. Nach dem Banca-d’Italia-Bericht ist diese 1,8-Millionen-Zahlung so absolut nicht koscher.
Außer man will Geld verschenken.
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Volker Rabanser Do., 01.06.2017 - 16:20

So langsam bin ich dieser Thematik überdrüssig. Franceschini soll seine Missgunst Brandstätter gegenüber privat austragen, nicht aber über die Medien. Das hat doch mit seriösem Journalismus nichts mehr zu tun. Das Anheben der Bewertung der Sparkasse zeigt doch unmissverständlich, dass die Arbeit Brandstätters Früchte trägt und in erster Linie Anerkennung und Respekt verdient.

Do., 01.06.2017 - 16:20 Permalink