Politik | Terrorangst als Propagandatreiber

PEGIDA, AFD, Identitäre - Lana

Im Windschatten der Terrorangst und der damit einhergehenden autoritären Welle wandelt der Rechtsradikalismus in Europa sein Gesicht. Auch in Südtirol.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Seit Jahren beobachten wir vor allem aus Deutschland kommend, eine recht raffiniert eingefädelte Unterwanderung progressiver gesellschaftlicher Entwicklungsfelder wie Natur- und Umweltschutz, Ernährung und Lebensmittelproduktion oder des Sozialwesens und der Solidarität durch konservative bis rechtsradikale Kräfte.

PEGIDA und all die IDAS und die politische Partei AFD greifen unverhohlen und in ihrem Sinne recht erfolgreich tief in den Topf dumpf-bürgerlich-konservativer Befindlichkeiten und nutzen die Ratlosigkeit der im Netz neoliberaler Günstlingspolitik gefangenen Regierungen für ihre - aus progressiver Sicht - fragwürdigen Zwecke.

Das ideologische Sammelbecken dieser konservativen und zum Rechtsradikalismus neigenden Kräfte wird mit dem Begriff der "Identitären Bewegung" umschrieben, den man aus meiner Sicht mit dem bisher häufig genutzten und abgeschmackten Begriff des "Völkischen" gleichsetzen kann.

Die Identitären sind auch in Südtirol aktiv. Eine Hochburg dieser Bewegung bildet dabei Lana, wo es traditionell einen hohen Anteil rechten und rechtsradikalen Gedankengutes gibt. In den letzten Monaten ist es dort sehr häufig zu rassistischen und rechtsradikalen Schmiereien gekommen.

Vor kurzem hat die identitäre Propaganda in Lana einen neuen Höhepunkt erreicht. Im Umfeld der in Lana traditionell überbetonten Erinnerungsstätte für die "Freiheitskämpfer" von 1809 sind in einer Wasserfläche Täfelchen aufgetaucht, die die Namen von europäischen Terror-Schauplätzen tragen. In Zusammenhang damit ein Holzschild, auf dem zu lesen war: "Defend Europe - Multikulti tötet".

Es ist als Symptom zu sehen, wenn solche Bekundungen im öffentlichen Raum auftauchen und das muss nicht gleich ein Problem und eine Gefahr für ganze Gesellschaften sein. Im Prinzip halte ich es sogar für wünschenswert, dass diese Botschaften an die Oberfläche der Gesellschaft gelangen. Wichtig ist aber, wie die Gesellschaften damit umgehen.

So gesehen sollte Lana nun ein Zeichen setzen und einen öffentlichen Diskussionsprozess zu den Zielen und Werten der örtlichen Gesellschaft einleiten, in den alle gesellschaftlichen Kräfte auf offene Weise eingebunden werden.

Wehret den Anfängen!


ANMERKUNGEN VOM 1.8.2016
Im Text hat sich ein Fehler eingeschlichen. Die Aktion fand nicht an der "Erinnerungsstätte für die 'Freiheitskämpfer'" statt, sondern am Denkmal, das anlässlich des 50. Geburtstages von Kaiser Franz Josef errichtet wurde.

Mehrere Rückmeldungen auf Facebook kritisieren die Bezeichnung Lanas als "Hochburg" der identitären Bewegung, wo es" traditionell einen hohen Anteil rechten und rechtsradikalen Gedankenguts gibt".  

Ich weiß, dass es in Lana auch eine starke Gegenbewegung gibt und dass die Antifa Meran wesentlich von Lana aus entstanden ist und vorangebracht wird. Trotzdem ist es für mich ein zentraler Ort der Attentäter der Sechziger, der beim Umgang mit Sprengstoff zerfetzten Schützen, der jüngst massiv auftauchenden rassistischen und rechtsradikalen Schmierereien und der letzthin erfolgten Prügelei im Umfeld des Exclusiv-Clubs. Ich bleibe daher bei dieser Darstellung.
 

Bild
Profil für Benutzer pérvasion
pérvasion So., 31.07.2016 - 22:19

»Seit Jahren beobachten wir vor allem aus Deutschland kommend, eine recht raffiniert eingefädelte Unterwanderung progressiver gesellschaftlicher Entwicklungsfelder wie Natur- und Umweltschutz, Ernährung und Lebensmittelproduktion oder des Sozialwesens und der Solidarität durch konservative bis rechtsradikale Kräfte.«
Ist das nicht ursprünglich eine Spezialität von CasaPound, die sich dann andere abgeschaut haben?

So., 31.07.2016 - 22:19 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Markus Lobis
Markus Lobis Mo., 01.08.2016 - 14:17

Antwort auf von pérvasion

CasaPound macht das ähnlich, von Rom ausgehend, und ist in Bozen bei italienischsprachigen SüdtirolerInnen auf recht viel Aufmerksamkeit und Echo gestoßen, wie man erleben musste. Aber die deutschsprachige Szene hat kaum Berührungspunkte mit CasaPound, da kommt die Inspiration aus den eigenen Reihen und aus dem deutschsprachigen Ausland.

Mo., 01.08.2016 - 14:17 Permalink
Bild
Profil für Benutzer pérvasion
pérvasion Mo., 01.08.2016 - 15:45

Antwort auf von Markus Lobis

Meine Frage war nicht, ob CPI für die Identitären in Südtirol ein *unmitteblares* Vorbild sind. Das kann ich auch nicht beurteilen. CasaPound wird aber von mehreren Rechtsextremismusexperten als Vorbild und Inspiration der Neuen Rechten in ganz Europa betrachtet. Es ist also eher unerheblich ob die Beeinflussung direkt erfolgt oder über den Umweg BRD… nachdem wir aber den Schmied (CPI) quasi "im Haus" haben, der hierzulande mit seinem "pseudosozialen" Engagement beängstigend großen Erfolg hat, wollte ich eben auch darauf hinweisen. Ich finde nämlich, dass dieses brandgefährliche Phänomen und seine Duldung durch Gesellschaft, Medien und Politik sträflich unterschätzt werden.

Mo., 01.08.2016 - 15:45 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Harald Stauder
Harald Stauder Di., 02.08.2016 - 22:29

Bitte um einen Hinweis, wie man darauf kommt, dass Lana "...die Hochburg der Identitären Bewegung in Südtirol" ist!

Die vielen Anmerkungen des Autors unter dem Artikel sprechen für sich aber vielleicht wäre eine weitere Anmerkung angebracht - auch auf die Gefahr hin,dass die Anmerkungen länger sind, als der Artikel selbst

Di., 02.08.2016 - 22:29 Permalink
Bild
Profil für Benutzer Markus Lobis
Markus Lobis Mi., 03.08.2016 - 11:59

Antwort auf von Harald Stauder

Ich denke, die Gründe für diese Einschätzung sind ausreichend dargestellt. Vielleicht sollte man das begrifflich etwas ausweiten und nicht so sehr von der "identitären Bewegung" sprechen, sondern eher von "rechtem und rechtsradikalem Gedankengut". Die identitäre Bewegung ist als solche bisher in Südtirol noch kaum in Erscheinung getreten, in Lana sind gerade die ersten konkreten Spuren davon zu erkennen. Es liegt aber in der Natur der Sache, dass dies dort geschieht, wo der Nährboden vorhanden ist.

Aber darum geht es nicht wirklich. Es war und ist nicht meine Absicht, den attraktiven Ort Lana zu verunglimpfen. Es ist aber sehr wohl klar, dass aktuell in Lana Handlungsbedarf besteht, vor allem nach den mittlerweile recht hartnäckig zu Tage tretenden Schmierereien.

Ich bitte zu würdigen, dass im Text auch diese Passage stehe, die mir zentraler vorkommt: "Es ist als Symptom zu sehen, wenn solche Bekundungen im öffentlichen Raum auftauchen und das muss nicht gleich ein Problem und eine Gefahr für ganze Gesellschaften sein. Im Prinzip halte ich es sogar für wünschenswert, dass diese Botschaften an die Oberfläche der Gesellschaft gelangen. Wichtig ist aber, wie die Gesellschaften damit umgehen."

Mi., 03.08.2016 - 11:59 Permalink
Bild
Profil für Benutzer gorgias
gorgias So., 07.08.2016 - 13:40

»Seit Jahren beobachten wir vor allem aus Deutschland kommend, eine recht raffiniert eingefädelte Unterwanderung progressiver gesellschaftlicher Entwicklungsfelder wie Natur- und Umweltschutz, Ernährung und Lebensmittelproduktion oder des Sozialwesens und der Solidarität durch konservative bis rechtsradikale Kräfte.«

Wenn man das historisch betrachtet, dann muss man differenzieren:

Was "Sozialwesen und Solidarität" angeht war das historisch auch ein Thema der Rechten, man siehe Faschisten und Nationalsozialisten. Natürlich war das angepasst in seiner rassistischen, nationalistischen Prägung. Diese Ideen wurden von der Linken abgeschaut, aber nicht erst seit kurzem, wie die oberen Zeilen vermuten lassen.

Hinweise zur Entwicklung der Ideengeschichte des Faschismus/Nationalsozialimsu geben das Wort Nationalsozialismus selbst in dem auch Sozialismus steckt. Mussolini kam aus einem sozialistischen Elternhaus und war eine Zeit lang selbst Sozialist.

Was "Natur- und Umweltschutz, Ernährung und Lebensmittelproduktion" angeht wurde das historisch von der Rechten als erstes aufgenommen. Für die Linke war das Thema Umwelt und Gesundheit bis zum Aufkommen der Grünen nicht relevant. Die Linke hat ideologisch den Produktionsfaktor "Arbeit" zu Ungunsten von "Boden" immer stärker hervorgehoben. Für Linke war Natur und der eigene Körper nur Mittel zum Zweck.
Der Naturschutz liegt ideologisch näher an NS-Topoi wie Natur, Heimat und Deutscher Wald. Die Landschaftspflege wurde im Naturschutz einbezogen und mit Begriffen wie artgemäße germanisch-deutsche Kulturlandschaft mit Blut-und-Boden-Gedankengut verknüpft.
Im dritten Reich war die Forschung der Gefährdungen durch Rauchen sehr fortgeschritten und durch Kampagnen versucht Rauchen als "schutzig" und "jüdisch" zu brandmarken. Man machte sich Gedanken wie Vegetarimsus, Verzicht auf Alkohol und körperliche Ertüchtigung zu einem "gesunden Volkskörper" führen kann.

Dass Umweltschutz zum linken und progressiven Thema wurde, ist erst durch das Zusammenführen der Hippy-, Umwelt- und Friedensbewegung mit Esoterik und braunen Denken entstanden. Ein Interessantes Dokument dazu ist das Buch einer Gründerin der Grünen in Deutschland Jutta Ditthfurt: "Entspannt in die Barbarei: Esoterik, (Öko-)Faschismus und Biozentrismus"

Damit möchte ich die Warnung vor der Identitären Bewegung und Casa Pound und die Gefahr diese zu unterschätzen nochmals unterstreichen. Die Vorläufer sind mit dem Sex-Apeal dieser Themenbereiche schon äußerst weit gekommen.

So., 07.08.2016 - 13:40 Permalink