Chronik | Affäre Kuhn

Krisensitzung in Wien

Zwei Musikerinnen treten offen gegen Gustav Kuhn auf. Die Tiroler Grünen fordern eine Suspendierung. Die Zukunft des Festspielleiters entscheidet sich heute in Wien.
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Foto: www.gustavkuhn.at
Am Sonntag Nachmittag gab es zum Abschluss der Tiroler Festspiele für Gustav Kuhn in Erl noch stehende Ovationen. 
Darüber berichtet die „Kronenzeitung“. Gleichzeitig verweist die Tiroler Redaktion des österreichischen Boulevardblattes, dass trotz der Negativ-Schlagzeilen über den ehemaligen Leiter des Bozner Haydnorchesters, heuer sowohl die Besucherzahlen in Erl, wie auch die Mitglieder des Freundeskreises der Festspiele deutlich zugenommen hätten. Die Krone berichte auch über einen Solidaritäts-Brief für den Maestro von 150 Musikerinnen und Musikern an den Tiroler Landeshauptmann Günther Platter.
Es dürfte das letzte Aufgebot sein. Denn Gustav Kuhns Karriere scheint al fine zuzugehen.
Am Dienstnachmittag findet in Wien eine Krisensitzung der "Tiroler Festspiele Erl Gemeinnützige Privatstiftung" statt. Die Tiroler Kulturlandesrätin Beate Palfrader (ÖVP) bestätigte das gegenüber der APA. Dem Stiftungsvorstand gehören neben Palfrader, Festspielpräsident und Kuhn-Mäzen Hans Peter Haselsteiner und der Leiter der Kunst- und Kultursektion im Bundeskanzleramt, Jürgen Meindl, an.
Man geht davon aus, dass auf dieser Sitzung die Reißleine gezogen wird. Denn in den vergangenen Tagen haben sich die Vorwürfe gegen Gustav Kuhn noch einmal zugespitzt. Die Tiroler Grünen, Koalitionspartner der Volkspartei in Tirol, fordern jetzt eine sofortige Suspendierung des Festspielintendanten.
 

Die Vorwürfe

 
Der Stein in Rollen brachte Markus Wilhelm, der auf seiner Internetplattform „dietiwag.org“ die Affäre enthüllt hat. Inzwischen sind mehrere Künstlerinnen offen gegen Gustav Kuhn aufgetreten, in dem sie ihre Erfahrungen mit dem Maestro schonungslos schildern.
Fünf ehemalige Künstlerinnen klagen in einem offenen Brief sexuelle Übergriffe und den Missbrauch durch den künstlerischen Leiter, Gustav Kuhn, an. Sie sprechen von „anhaltendem Machtmissbrauch und sexuellen Übergriffen“ durch den Orchesterleiter. Die Betroffenen berichten von „unerwünschtem Küssen auf den Mund oder auf die Brust, Begrapschen unter dem Pullover oder Griffen zwischen die Beine“.
 
Die beiden Sängerinnen Julia Oesch und Mona Somm bestätigten am Montag in Interviews mit dem ORF und der deutschen ARD ihre Anschuldigungen. Oesch erklärte ihr seien Rollen versprochen worden, für die sie sexuelle Dienste als Gegenleistung hätte erbringen hätte sollen. Auch die Schweizer Sängerin Mona Somm redet in den Interviews von körperlichen Übergriffen. Sie sei von Gustav Kuhn vor einer Vorstellung auf die Brust geküsst worden. „Es hat fast kein Ausweichen gegeben“, sagte Somm im Ö1-Interview. Die Sängerin erzählte auch von Scham, die sie und ihre Kolleginnen empfunden hätten, weil man so angreifbar gewesen sei.
 

Suspendierung Kuhns

 
Am Montag forderten auch die Tiroler Grünen endlich klare personellen Konsequenzen für Kuhn. Die Tiroler Regierungspartei verlangt von ihrem Koalitionspartner die sofortige Suspendierung des Erler Festspieleiters.
Der Vorstand muss jetzt handeln", verlangte der grüne Landtagsabgeordnete und Kultursprecher Georg Kaltschmid in einer Aussendung.
Mann müsse Kuhn - so Kaltschmid zur APA - bis zur "rechtlichen Klärung der massiven Vorwürfe durch die Staatsanwaltschaft und gegebenenfalls Gerichte" suspendieren. „Das gebietet alleine der Opferschutz, der dem Land Tirol ein zentrales Anliegen ist. Land und Bund haben hier eine Vorbildwirkung", meint der Tiroler Grüne.
Eine vorläufige Suspendierung heble weder die Unschuldsvermutung aus, noch käme sie einer Vorverurteilung gleich. Georg Kaltschmid: „Es geht lediglich darum, dass alle involvierten Personen einen Schritt aus dem Rampenlicht treten, um der Aufklärung Platz zu machen. Das sollte eigentlich bei derartigen Vorwürfen heutzutage ein ganz normaler Vorgang sein. Wenn dieser Schritt nicht freiwillig vonseiten des vermeintlichen Täters folgt, dann muss er vom Vorstand erfolgen".
 
Damit nimmt der öffentliche Druck auf die Tiroler ÖVP und den Stiftungsvorstand deutlich zu.
 

Die Gerichtsfront

 
Noch am Montagabend hat Kuhn Anwalt, der ehemalige FPÖ Justizminister Michael Krüger in der ZIB2 darauf hingewiesen, dass es gegen seinen Mandaten keine formellen Ermittlungen gebe. Die Staatsanwaltschaft Innsbruck hätte bisher nicht einmal einen Anfangsverdacht gegen Gustav Kuhn geäußert. „Mein Mandant hat mir sehr überzeugend dargestellt, dass er sich keinerlei Versäumnisse oder Verschulden zurechnen lassen müsse“, sagte Krüger im ORF.
Die Tiroler Staatsanwaltschaft prüft die Vorwürfe, die gegenüber dem Dirigenten und Tiroler Festspielleiter Gustav Kuhn, erhoben werden. Es wurden auch mehrere betroffene Musikerinnen bereits angehört.
So oder so wird die Affäre Kuhn aber am Tiroler Landesgericht ein längeres Nachspiel haben. Denn Gustav Kuhn und der in Bozen wohnhafte österreichische Bautycoon Hans Peter Haselsteiner haben den Tiroler Blogger Markus Wilhelm mit Klagen eingedeckt.
Markus Wilhelm schriebt:
 
„Aufgrund meiner Berichte und Dokumentationen über die Zustände bei den Tiroler Festspielen in Erl haben Kuhn & Co. zwölf Klagen gegen mich eingebracht. Acht davon, alle zivilrechtlich, sind noch anhängig, drei von Hans Peter Haselsteiner, drei von Gustav Kuhn und je eine von der Tiroler Festspiele Erl Betriebsges.m.b.H. und von Michael Krüger, der zugleich alle Genannten anwaltlich vertritt.“
 
Es ist der klare Versuch Tirols unbequemste Stimme mundtot zu machen.