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„Interkulturelle Bildung zulassen“

Barbara Gross gehört zu den Gewinnern des Forschungspreises der Stiftung Südtiroler Sparkasse, der für die lokale Gesellschaft besonders relevante Studien prämiert.
Hinweis: Dies ist ein Partner-Artikel und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.
Preisträger - Renzi Gross Miroshnychenko
Foto: Privat

Wie wirkt sich der familiäre Hintergrund von Heranwachsenden auf die Erlernung einer Zweitsprache aus? Wie können pädagogische Fachkräfte und Lehrpersonen mit sprachlich-kultureller Vielfalt in der Gruppe umgehen? Solche Fragen stellte die Pädagogin und Dozentin der Freien Universität Bozen Barbara Gross in ihrer Forschung. Drei Publikationen reichte sie ein und erhielt dafür den Forschungspreis 2020 der Stiftung Südtiroler Sparkasse, neben ihren Kollegen Massimiliano Renzi aus der Fakultät für Naturwissenschaften und Technologie sowie Ivan Miroshnychenko, Forscher an der Fakultät für Wirtschaftswissenschaften.

„Ich freue mich besonders über die Auszeichnung, da im Rahmen der Verleihung hervorgehoben wurde, die Gewinner könnten dadurch andere Nachwuchsforscherinnen anregen, ihr Bestes zu geben,“ sagt Gross. Als Dozentin an der Fakultät für Bildungswissenschaften liegt ihr die Motivation junger Pädagogen besonders am Herzen. Doch nicht nur als relevant für den Nachwuchs wird Gross‘ Werk von den Preisverleihern beschrieben: „Die Stiftung Südtiroler Sparkasse hat die Forschungspreise in der Überzeugung zur Verfügung gestellt, dass zum einen junge Forscher für ihre exzellenten Arbeiten ausgezeichnet werden und zum anderen das aus deren Arbeit gewonnene Wissen unserer Gesellschaft zugutekommt“, erklärt Prof. Konrad Bergmeister. Dies sei eine Bestätigung für Gross, dass ihre Forschung nicht nur einen Beitrag für die internationale Wissenschaft leiste, sondern auch eine gesellschaftliche Relevanz für das lokale Territorium habe, freut sich die junge Forscherin.

In ihren Arbeiten zeigt Gross auf, wie Heranwachsende, deren schulischen Leistungen, Identität und Entwicklung von Kindesbeinen an durch Erziehung, aber auch durch die soziolinguistische und soziokulturelle Umgebung beeinflusst werden. Und für dieses Thema biete Südtirol ein perfektes Beispiel, meint Gross: „Das Erlernen einer weiteren Sprache an Südtiroler Schulen bildet den Grundstein mehrsprachiger Erziehung und ist gleichzeitig eine wertvolle Erfahrung mit Interkulturalität.“ Leider werde der interkulturelle Aspekt im Erlernen einer weiteren Sprache allzu oft vernachlässigt. „Doch Kompetenzen in interkultureller Kommunikation gewinnen in einer zunehmend globalisierten Welt an Bedeutung“, so Gross. Die lokalen Bildungsinstitutionen seien daher gefordert.

Das Thema mehrsprachige Bildung ist der Lehrenden und Forschenden besonders wichtig: „Kindergärten und Schulen leisten einen wesentlichen Beitrag in der Entwicklung einer weltoffenen Gesellschaft, schließlich bilden sich Einstellungen sehr früh und sind relativ stabil,“ erklärt Gross. Für die Identitätsentwicklung sei es unabdingbar, den kulturell-sprachlichen Hintergrund aller Kinder in Bildungsinstitutionen wertzuschätzen und allen möglichst gerechte Chancen auf Bildung und später am Arbeitsmarkt zu ermöglichen. Wird die Chance richtig genutzt, könne Südtirol weiterhin als modernes Modell dienen. „Das heißt aber auch, mehrsprachige und interkulturelle Kindergärten und Schulen zuzulassen und den teilweise vorherrschenden monolingualen und monokulturellen Habitus weiter abzubauen“, betont die Pädagogin. Dies betreffe auch die migrationsbedingte Mehrsprachigkeit.

Die Ergebnisse von Gross Studien heben aktuelle Herausforderungen für Bildungsinstitutionen sowie für die Bildungsforschung und künftige Lehrpraxis hervor. „In Bezug auf Bildungsinstitutionen wird beispielsweise aufgezeigt, wie individuelle Mehrsprachigkeit – solange die Landessprache(n) ausreichend beherrscht werden – als positiv wahrgenommen wird, während nach wie vor versucht wird, kulturelle Diversität zu homogenisieren, mit entsprechenden Auswirkungen auf die schulische sowie gesellschaftliche Integration,“ sagt Gross.

Positiv hervorgehoben wurden von den Preisverleihern auch die innovativen Forschungsmethoden der Publikationen: „Durch verschiedene methodische Zugänge – ich habe teilstrukturierte Interviews, Fragebögen und Fokusgruppendiskussionen gewählt – versuchte ich das Phänomen möglichst genau aus verschiedensten Perspektiven zu betrachten,“ erzählt Gross. Dabei war es der Pädagogin wichtig, nicht nur über die Zielgruppe zu forschen, sondern sie auch mit einzubeziehen: „Um auch ihre Sichtweise kennenzulernen, haben nicht nur die Lehrpersonen und Eltern an der Studie teilgenommen, sondern auch Kinder selbst. Dies hat auch dazu geführt, dass ich einen umfangreichen Datensatz erhalten habe, der weitere Analysen ermöglicht hat,“ erklärt Gross.

Was Barbara Gross künftigen Lehrpersonen und Pädagogen mitgeben möchte? „In Kindergärten und Schulen brauchen wir vor allem pädagogische Fachkräfte welche in Gruppen, die durch sprachlich-kulturelle Diversität gekennzeichneten sind, flexibel, schnell und gezielt agieren können.  Wesentliche Voraussetzungen dafür sind kritisches Denken, Offenheit für Neues und Neugierde. Ich versuche dies vorzuleben und in meiner Lehre anhand von Fallbeispielen weiterzugeben,“ so die Pädagogin. Auch möchte sie mit gutem Beispiel vorangehen, erzählt Gross weiter: Ich hoffe, Studierende motivieren zu können, möglichst vielfältige Erfahrungen zu machen, und zwar in verschiedensten Bildungsinstitutionen und Schulmodellen sowie in verschiedenen soziokulturellen Kontexten im In- und Ausland. Dies ist meines Erachtens die beste Investition in die persönlich-professionelle Entwicklung und auch die Basis für ein Mitwirken an der (Weiter)Entwicklung innovativer und weltoffener Kindergärten und Schulen.“

Diese Begeisterung für das Thema und Professionalität in der Forschung weiß auch die Freie Universität Bozen zu schätzen: „Die Exzellenz einer Universität spiegelt sich in deren Forschungsleistung wider, weswegen dieser Forschungspreis einen wichtigen Baustein zur Honorierung zukunftsweisender Themen darstellt“, freut sich Rektor Prof. Paolo Lugli. „Auch die Präsidentin Prof. Ulrike Tappeiner gratuliert den jungen Forschern: „Dass unsere jungen Wissenschaftler auf gesellschafts- und wirtschaftsrelevante Themen setzen, zeigt auf, dass sie die Entwicklung unserer Gesellschaft sehr genau zu identifizieren wissen.“

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Herta Abram Mi., 05.08.2020 - 08:52

„In Kindergärten und Schulen brauchen wir vor allem pädagogische Fachkräfte welche in Gruppen, die durch sprachlich-kulturelle Diversität gekennzeichneten sind, flexibel, schnell und gezielt agieren können.
Wesentliche Voraussetzungen dafür sind kritisches Denken, Offenheit für Neues und Neugierde. Ich versuche dies vorzuleben und in meiner Lehre anhand von Fallbeispielen weiterzugeben,“ so die Pädagogin. Auch möchte sie mit gutem Beispiel vorangehen, erzählt Gross weiter: Ich hoffe, Studierende motivieren zu können, möglichst vielfältige Erfahrungen zu machen, und zwar in verschiedensten Bildungsinstitutionen und Schulmodellen sowie in verschiedenen soziokulturellen Kontexten im In- und Ausland. Dies ist meines Erachtens die beste Investition in die persönlich-professionelle Entwicklung und auch die Basis für ein Mitwirken an der (Weiter)Entwicklung innovativer und weltoffener Kindergärten und Schulen.“
Bravo!
Ich wünsche mir, für die Bildungsbeteiligten, dass Barbara Gross viele, mit ihrem Wissen überzeugen und mit ihrer Begeisterung, anstecken kann!

Mi., 05.08.2020 - 08:52 Permalink