Politik | Meran

David gegen Luigi

Der Gemeinderat der Ökosozialen Linken, David Augscheller, setzt sich für eine Umbenennung der Luigi-Cadorna-Straße in Meran ein. Rösch: “Machen uns sicher Gedanken.”
David Augscheller
Foto: Facebook

Zwischen einer kleinen Handwerkerzone durch, an Obstwiesen und Wohnsiedlungen und dem Kasernenarenal “Battisti” vorbei schlängelt sich im Süden Merans, nahe des Pferderennplatzes, die Cadornastraße Richtung Zentrum. Eine Straße, deren Namen eine grausame historische Last birgt. Geht es nach dem Gemeinderat der Ökosozialen Linken, David Augscheller, soll die Straße umbenannt werden: “Nicht, weil die Vergangenheit gelöscht werden soll – im Gegenteil, sie muss aufgearbeitet werden –, sondern weil der Name Luigi Cadorna nicht weiterhin Gegenstand einer offizielle Ehrung sein kann.” “Grundsätzlich hat Augscheller hundertrpozentig recht”, pflichtet Bürgermeister Paul Rösch bei.

 

Die Grauen des Generals

Der Name von Luigi Cadorna tauchte zuletzt anlässlich der Schlacht von Caporetto wieder auf, die sich am vergangenen 24. Oktober zum 100. Mal jährte. General Cadorna war einer der Oberbefehlshaber des italienischen Heeres im 1. Weltkrieg und ist vor allem für seine schonungslose und blutige Kriegsführung bekannt. Ohne Rücksicht nahm er den Tod abertausender Soldaten, auch in den eigenen Reihen in Kauf und verfuhr auf grausame Weise mit angeblichen Deserteuren. Das hält auch David Augscheller, Historiker und Gemeinderat in Meran in einem Beschlussantrag fest, den er eingereicht hat: “Luigi Cadorna ist für tausende Gerichtsverfahren verantwortlich (350.000 allein an den Kriegsgerichten), in denen 4.000 Todesurteile gegen einfache Soldaten und Unteroffiziere verhängt wurden, denen man Desertion unterstellte. 750 Urteile wurden tatsächlich vollstreckt. Italien wies somit einen traurigen Rekord auf, was die Vollstreckung von Todesurteilen an Militärangehörigen anging. Weitere hunderte von Soldaten wurden ohne jeglichen Prozess hingerichtet. Außerdem verhinderte Cadorna mit Unterstützung der damaligen italienischen Regierung die Versorgung der italienischen Kriegsgefangenen in Österreich-Ungarn mit Nahrungsmittel und Kleidung. Dadurch hat er die Bemühungen des Roten Kreuzes und der Familienangehörigen gezielt sabotiert. Dies sollte dazu beitragen, die italienischen Soldaten angesichts aussichtsloser Kampfhandlungen sich in österreichische Gefangenschaft zu begeben. Diese Strategie Cadornas hatte grauenvolle Folgen: 100.000 Tote, ein Sechstel aller italienischen Kriegsgefangenen.”

 

Von der Straße streichen

Den Namen von Luigi Cadorna nicht aus den Köpfen, sehr wohl aber von öffentlichen Räumen wie einer Straße zu streichen, das fordert Augscheller. “Cadorna ist eine historische Figur, die in den Geschichtsbüchern thematisiert werden muss, aber sein Namen kann nicht weiterhin Gegenstand einer offiziellen Ehrung sein”, sagt der Gemeinderat der Ökosozialen Linken. Für ihn steht fest: “Wir können historische Ungerechtigkeiten nicht rückgängig machen, aber wir können aufhören, diese zu verherrlichen.” Bestrebungen, Plätze und Straßen, die nach Luigi Cadorna benannt sind, umzubenennen, gibt es mehrerorts in Italien. Auch in Bozen wird immer wieder – kontrovers und bisher erfolglos – darüber diskutiert, den Namen Cadorna-Straße zu ändern. Gibt der Meraner Gemeinderat grünes Licht, wird es an Bürgermeister Paul Rösch und der zuständigen Ratskommission liegen, einen Vorschlag für eine Umbenennung der Luigi-Cadorna-Straße in Meran zu formulieren und ihm dem Gemeinderat zur Abstimmung vorzulegen – innerhalb des kommenden Jahres, wenn sich das Ende des Ersten Weltkrieges mit all seinen Gräueln zum 100. Male jährt.

Der neue Name “soll die demokratischen und pazifistischen Werte sowie das friedliche Zusammenleben aller Menschen in unserem Land widerspiegeln”, betont Augscheller. Würde man ihn fragen, er würde sich wünschen, die Straße den Kriegsdienstverweigerern zu widmen, verrät Augscheller. Zunächst muss aber der Gemeinderat abstimmen, ob er eine Namensänderung überhaupt will. “Ich sehe realistische Chancen, dass der Antrag eine Mehrheit bekommt”, so der Einbringer. Und gibt zu bedenken, dass in Meran auch die Umbenennung der ehemaligen Mittelschule “Josef Wenter” geglückt ist. Daran erinnert auch Bürgermeister Paul Rösch, der auf Nachfrage von salto.bz Augscheller zustimmt: “Grundsätzlich hat er was die Figur Cadornas angeht, hundertprozentig recht.” Zwar spricht Merans Erster Bürger von einem “heißen Eisen” und gibt die bürokratischen Aufwand (Adressenänderung auf Personalausweis und Führerschein), den eine Umbenennung mit sich bringen würde – dieser dürfte sich bei einer schwach bewohnten Straße wie der Cadornastraße allerdings in Grenzen halten –, beteuert aber: : “Wir werden uns über den Vorschlag sicher Gedanken machen.

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Hartmuth Staffler Do., 02.11.2017 - 15:42

Das mit dem Umbenennen nationalistisch belasteter Straßen- und Ortsnamen ist eine gute Sache. Aus diesem Grund möchte ich auch anregen, den slowenischen Ort Kobarid nicht in Caporetto umzubenennen, sondern ihm seinen slowenischen Namen zu lassen.

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Albert Hofer Do., 02.11.2017 - 18:03

"Dies sollte dazu beitragen, die italienischen Soldaten angesichts aussichtsloser Kampfhandlungen sich in österreichische Gefangenschaft zu begeben. " In dem Satz fehlt etwas. Ich nehme an, es sollte heißen: "Dies sollte dazu beitragen, die italienischen Soldaten davon abzuhalten, angesichts aussichtsloser..." Oder?

Do., 02.11.2017 - 18:03 Permalink
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Ludwig Thoma Do., 02.11.2017 - 20:08

Ich finde die Aktion lobenswert. Ich würde die Straße nach Carlo Donegani benennen, dem Ingenieur der Stilfserjochstraße. Den Italienern würde man damit keinen italienischen Straßennamen wegnehmen, die Bindestrichtiroler könnten auch "stolz" sein, auf den Ing., den der Kaiser geholt hat, politisch ist der Name völlig unbelastet und in die Industriezone würde er auch passen.

Do., 02.11.2017 - 20:08 Permalink