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„Eine Gefahr für die Demokratie“

Zwei Verbraucherschutzvereine machen gegen das Medienmonopol der Athesia mobil. Sie unterstützen den Bressa-Vorstoß, planen eine Eingabe bei der EU und eine Sammelklage.
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Foto: Salto.bz
Ohne den freien Austausch der Meinungen und ohne Pluralismus kann eine Demokratie nicht funktionieren“, sagt Walter Andreaus, Geschäftsführer des Verbraucherschutzvereins Robin. Ins selbe Horn bläst der Präsident des Centro Consumatori Italia (CCI) Rosario Trefiletti: „Solche Medienmonopole sind eine Gefahr für die Demokratie“.
Die beiden Verbraucherschutzvereine aus Südtirol und Trentino klagen das Medienmonopol des Verlagshauses Athesia in der Region Trentino Südtirol an. Mit einem offenen Brief an die zuständigen Behörden setzen sie sich für den Schutz des Informationspluralismus in Südtirol und im Trentino ein. Dabei unterstützen die Verbraucherschützer nicht nur den Vorstoß des PD-Senator Gianclaudio Bressa im Parlament, sie wollen das Thema auch auf eine andere Ebene heben. Neben einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien wird auch eine „Class Action“ sowie ein Aufhebungsverfahren des „Gasparri-Gesetzes“ ins Auge gefasst.
 

Angriff auf EU-Ebene

 
Der offene Brief geht an die Präsidentin der Europäischen Kommission, an den italienischen Staats- und Ministerpräsidenten, den Wirtschaftsminister, den Präsidenten der „Autorità Garante della Concorrenza e del Mercato“ (AGCM), dem Präsidenten der „Autorità per le Garanzie nelle Comunicazioni“ (AGCOM), die Landeshauptleute von Südtirol und dem Trentino, sowie an den Unterstaatssekretär im „Dipartimento per l'informazione e l'editoria“.
Bekanntlich sind Pluralismus, Objektivität, Vollständigkeit und Unparteilichkeit der Information sowie Offenheit für unterschiedliche Meinungen von politischen, sozialen, kulturellen und religiösen Strömungen Werte, die durch die italienische Verfassung garantiert sind“, heißt es in der Einleitung.
 
 
Dann beschreiben die Unterzeichner ausführlich die rechtlichen und politischen Grundlagen, die in der EU und in Italien den Medienpluralismus ermöglichen, fördern und schützen sollen. Am Ende steht eine Reihe von Maßnahmen, die man konkret anwenden will.
Sowie eine klare Forderung: „Wir ersuchen Sie Maßnahmen zu ergreifen, um die verfassungsmäßigen und unionsrechtlichen Werte des Informationspluralismus in der Region Trentino-Südtirol zu gewährleisten“.
 

Die Untersuchung

 
Im offenen Brief wird ausführlich das Athesia-Medienmonopol in der Region Trentino-Südtirol beschrieben. Die amtliche Quelle dafür ist ein Untersuchungsbericht der staatlichen Rundfunk- und Kommunikationsbehörde AGCOM zur Lokalinformation aus dem Jahr 2018.
In dem Bericht heißt es unmissverständlich:
 
„Relevanter und in einigen Fällen problematischer erscheint die Tatsache, dass sich in einigen Regionen (insbesondere Trentino-Südtirol, Sardinien, Apulien, Molise und Sizilien) Positionen mit einer hohen Informationskraft einiger privater Subjekte herausbilden.“
 
Die staatliche Aufsichtsbehörde geht auch auf Südtirol und das Monopolstellung der Athesia ein. Laut AGCOM kontrolliert der Medienkonzern Athesia 78,1 Prozent des lokalen Nachrichtenmarktes.
 
 
Im Bericht heißt es:
 
„Eine Analyse der Marktanteile (gemessen an der Auflage) sowohl in der Region als auch in den Provinzen Trient und Bozen zeigt eine erhebliche redaktionelle Konzentration. Die Gruppe, zu der, wie bereits erwähnt, Dolomiten (12,7 Mio. Exemplare), L'Adige (7 Mio.) und Trentino-Alto Adige (fast 6 Mio.) gehören, hat einen Anteil von mehr als zwei Dritteln (68 %) an der Auflage aller in der Region verkauften Zeitungen (national und lokal). Darüber hinaus ermöglicht die Bandbreite der Titel sowohl eine territoriale als auch eine sprachliche Diversifizierung (, wobei L'Adige in Trient (43 %) und in der italienischen Gemeinschaft führend ist und Dolomiten in Bozen (58 %) und in der deutschsprachigen Gemeinschaft (während die beiden anderen Titel in den beiden Provinzen ähnliche Positionen einnehmen, nämlich etwa 15 %). (...)
Auch im Rundfunk nimmt die Gruppe eine wichtige Stellung ein. Insbesondere hält Athesia eine 50%ige Beteiligung am führenden Radiosender der Region (Südtirol 1), der 13% der Bevölkerung erreicht und damit alle anderen nationalen und lokalen Sender übertrifft. Darüber hinaus wird das Angebot durch andere Radiomarken ergänzt, darunter Radio Dolomiti, das eine Reichweite von etwa 5 % der Bevölkerung erreicht.“
 
 
 
Das Resümee der staatlichen Aufsichtsbehörde:

„Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich in Trentino-Südtirol in den Händen einer privaten lokalen Gruppe, Athesia, eine Position von beträchtlicher Informationsstärke abzeichnet, die durch ein komplettes und diversifiziertes Spektrum von Aktivitäten im Mediensektor (einschließlich des Werbebereichs) und auf der Grundlage einer soliden wirtschaftlichen und finanziellen Position einen bedeutenden Einfluss auf das gesamte territoriale System ausübt.“
 

Bressas Vorstoß

 
Im offenen Brief wird auch auf die Gesetzesinitiative des Südtiroler PD Senators Gianclaudio Bressa eingegangen. Bressa habe mit seiner Anti-Monopol-Initiative für das Medienwesen die Aufnahme eines Änderungsantrags in das Haushaltsgesetz 2022 gefordert, der den Rechtsrahmen in Frage stellt, der die Bildung von Medienkonzentrationen auf regionaler Ebene zulässt. Während bis 2004 das geltende Gesetz eine Grenze von 50 Prozent vorgesehen hat.
 
 
Zudem forderte Bressa, dass ein Verleger in einer marktbeherrschenden Stellung keinen Zugang zu finanziellen Beiträgen für die Veröffentlichung von Minderheiten hat.
Die Verlagsanstalt Athesia AG besitzt, wie gesagt, fast 80 Prozent des Medienmarktes in Südtirol und im Trentino und erhält jährlich 6,2 Millionen Euro an öffentlichen Beiträgen für das Verlagswesen“, schreiben die Verbraucherschützer.
Gleichzeitig prangern sie den Ausgang dieses politischen Vorstoßes an:

„Leider wurde der Änderungsantrag von Senator Bressa von der Präsidentin des Senats für unzulässig erklärt, und obwohl auch die Antitrustbehörde über diese Situation informiert wurde, scheint die AGCM keine Maßnahmen zum Schutz des Pluralismus ergriffen zu haben“.
 

Der Anwalt

 
Die Initiative der beiden regionalen Verbraucherschutzvereine wird vom römischen Rechtsanwalt und Uniprofessor Massimo Cerniglia begleitet. Cerniglia ist seit Jahrzehnten Rechtsberater der römischen Pressevereinigung und er ist ein Experte in Fragen des Medienrechts und des Informationspluralismus.
1999 hat Cerniglia in einem Verfahren zu den Fernsehfrequenzen die Verfassungsfrage des damaligen Rundfunkgesetzes (das so genannte Maccanico-Gesetz) aufgeworfen. Das Verfassungsgericht gab mit Urteil Nr. 466 vom 8. Oktober 2002 den Einwänden Cerniglias Recht und erklärte den Artikel 3 des Maccanico-Gesetzes für verfassungswidrig, der es Silvio Berlusconi erlaubt hatte, mit seinen drei Fernsehsendern Rete 4, Canale 5 und Italia 1 jahrelang die Beschränkungen zu umschiffen, die diese marktbeherrschende Situation verboten haben.
 
 
Unmittelbar danach wurde Silvio Berlusconi Regierungschef und drückte mit der sogenannten Legge Gasparri ein neues Gesetz durch, das seinen Bedürfnissen als Unternehmer entgegenkam.
Genau mit dieser Legge Gasparri wurde auch die Bestimmung abgeschafft, dass kein Unternehmen mehr als 40 Prozent des Medienmarktes in einer Region besitzen darf.
Damit kehrt Massimo Cerniglia über zwei Jahrzehnte später zu seinem Rechtsthema zurück.
Mir scheint, dass es in Südtirol eine Art groviglio armonioso (harmonischen Wirrwarr) gibt“, sagt Massimo Cerniglia. Der römische Verbraucherschutzanwalt spricht dabei die Verzahnung von Medienmacht, Politik und Institutionen an. Cerniglia: „Man braucht nur zu bedenken, dass der Verleger Michl Ebner gleichzeitig Präsident der Südtiroler Handelskammer ist.
 

Die Forderungen

 
Am Ende des offenen Briefes stellen die Unterzeichner eine Art Katalog möglicher Maßnahmen und Initiativen auf, die man ergreifen kann.
 
  • Eine Sammelklage von Seiten der Nutzer und Nutzerinnen von Medien- und Informationsdiensten (sowie durch Medienunternehmen) zum Schutz des Pluralismus, verstanden als subjektives Recht mit verfassungsrechtlichem und unionsrechtlichem Schutz;
  • Die Einleitung eines Vertragsverletzungsverfahren der Europäische Kommission gegen Italien wegen Verstoßes gegen die europäischen Rechtsvorschriften zum Schutz des Pluralismus in den Medien;
  • Ein Verfahren der Antitrustbehörde AGCM ein Verfahren zum Schutz des Pluralismus;
  • Der Gang vor das Verfassungsgericht, um über die Verfassungswidrigkeit des Gasparri-Gesetzes zu entscheiden (wegen Verstoßes gegen Artikel 21 der Verfassung und die europäischen Rechtsvorschriften), nachdem ihm in einem ordentlichen Verfahren, diese Grundsatzfrage aufgeworfen wird;
  • Der Antrag vor einem italienischen Gericht, das Gasparri-Gesetz nicht anwenden, da es gegen das Recht der Europäischen Union verstößt.
 
Sollten der offene Brief und der Bressa Vorstoß keinerlei Wirkung zeigen“, sagt Walter Andreaus, „werden wir diese Initiativen in die Wege leiten“.
 

Der offene Brief

 

 

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Profil für Benutzer Peter Paul Pedevilla alias Verwunderlich
Peter Paul Ped… Mi., 26.01.2022 - 07:21

naja.. guten morgen.. südtirol ist italien heißt es immer.. die millionen kommen vom staat italien.. und der wird schon weiterhin schauen.. dass dies drinnen steht.. was er bezahlt.. ich glaube man versteht was ich meine..

Mi., 26.01.2022 - 07:21 Permalink
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Profil für Benutzer Hartmuth Staffler
Hartmuth Staffler Mi., 26.01.2022 - 15:14

Athesia wird vom Staat mehr als großzügig finanziert und schreibt das, was sich die Geldgeber in Rom erwarten. Die RAI wird vom Land Südtirol großzügig finanziert und verkündet das, was sich die Kontrolleure in Rom erwarten. Das alles ist längst bekannt und es wird sich auch in Zukunft nicht ändern.

Mi., 26.01.2022 - 15:14 Permalink
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Profil für Benutzer Klemens Riegler
Klemens Riegler Mi., 26.01.2022 - 19:50

Die Kommentare hier, und auch der Beitrag von C.F. selbst, haben ihre Berechtigung ebenso wie die Initiativen von VZS, Bressa & Co.
Aber es muss schon klar sein, dass jedes relevante Presse-Medium irgendwie öffentlich mitfinanziert wird. Dass Athesia speziell in der Provinz BZ (und Region TN-BZ) eine Marktführerschaft hat ist auch klar und, na ja, vielleicht durchaus bedenklich.
Aber wo ist es viel anders? Es dürfte viele Regionen, Provinzen, Bezirke, Städte oder Bundesländer geben in denen gewisse Medien jeweils vorherrschend sind. Das Rittner Bötl hat als Monatsblattl am Ritten auch eine Monopol-Stellung.
Bedenklich finde ich eine "Sammelklage"! Dieses Instrument hat doch einen anderen Sinn. Was soll denn das? Wie wäre es diesbezüglich mit einer "Sammelklage" gegen Google oder Amazon? Letzterer Mogul richtet Schäden in Milliardenhöhe an ... weltweit ebenso wie regional.
p.s.1. Es ist leider so dass, größere Konzerne vermehrt kleinere aufkaufen oder übernehmen ... in allen Branchen.
p.s.2. Wenn wir ehrlich sind, dann ist zumindest die Dolomiten seit gut 10 Jahren eh etwas "liberaler" geworden. Auch wenn sie ziemlich klar die eine SVP-Front der anderen vorzieht oder persönliche Anliegen entsprechend platziert. Zum Glück sind wir soweit "gebildet", dass wir das eh wissen.
... Diskutieren kann man das Thema freilich allemal.

Mi., 26.01.2022 - 19:50 Permalink
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Salto User
Günther Alois … Do., 27.01.2022 - 07:56

Kompliment an Herrn Andreaus,Bressa und Co. Ich finde ihre Initiative sehr gut,hoffentlich bringt es was ! Das Medienmonopol der Athesia ist nicht mehr zeitgemäss,zudem ekelhaft!!!

Do., 27.01.2022 - 07:56 Permalink
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Emil George Ciuffo Sa., 29.01.2022 - 13:08

Vielleicht tut sich ja doch noch irgendwann was in dieser Provinz.
Sonst bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit "Los von Trient" schreien, aber wenn es darum geht, ihre Macht auszubauen, haben die Ebners und Athesia keine Berührungsängste mit den Nachbarprovinzen ...

Sa., 29.01.2022 - 13:08 Permalink