Chronik | Aus dem Blog von: Gesellschaft für bedrohte Völker

Auf der Flucht vor den Milizen

Die Gesellschaft für bedrohte Völker hat den mangelnden Schutz von bedrängten Muslimen in der Zentralafrikanischen Republik scharf kritisiert. "Es ist zynische Schönfärberei, wenn französische Militärs behaupten, die Sicherheitslage in dem von Bürgerkrieg gezeichneten Land stabilisiere sich", erklärte der GfbV-Afrikareferent Ulrich Delius in Göttingen. Man hat ganz einfach den Exodus von mehr als 100.000 Muslimen hingenommen. Eine Erfolgsgeschichte beim Schutz der Zivilbevölkerung sieht anders aus. Die im Land lebenden Muslime zahlen mit ihrer Vertreibung einen hohen Preis für die so genannte Stabilisierung des Staates. Trotz des erzwungenen Exodus der religiösen Minderheit strahlt der Kommandeur der französischen Eingreiftruppe "Sangaris", General Francisco Soriano, Zuversicht aus und versichert in Interviews, die Sicherheitslage habe sich deutlich verbessert.
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Sorianos Wahrnehmung widerspricht aber allen Erkenntnissen von Menschenrechts- und Hilfsorganisationen. Laut dem Welternährungsprogramm der Vereinten Nationen und Hilfsorganisationen sind seit Dezember 2013 76.000 Menschen in den Tschad geflohen, 62.000 in die Demokratische Republik Kongo, 35.000 nach Kamerun und 12.000 in die Republik Kongo.

Auch mehrere tausend Bürger anderer west- und nordafrikanischer Staaten sind wegen der anhaltenden Gewalt aus der Zentralafrikanischen Republik geflohen. Ein Großteil der Flüchtlinge sind Muslime. Stellten Angehörige dieser religiösen Minderheit bis vor wenigen Monaten noch 15 Prozent der 4,6 Millionen Einwohner, so dürfte ihr Anteil inzwischen verschwindend klein geworden sein. Denn in der Zentralafrikanischen Republik werden Muslime von Anti-Balaka-Milizionären und Teilen der christlichen Mehrheitsbevölkerung gezielt gejagt werden, um Menschenrechtsverletzungen von muslimischen Seleka-Milizen zu rächen.

In der Stadt Bouar warten 8.000 Muslime auf den Schutz von Soldaten, um zur rettenden Staatsgrenze geleitet zu werden. Mehr als 15.000 Muslime sind an 18 Orten überall im Land von Anti-Balaka-Milizionären eingekreist und können diese Rückzugsgebiete ohne ausländischen Schutz nicht verlassen. In der Hauptstadt Bangui, die früher eine pulsierende muslimische Gemeinschaft hatte, harren noch 3.200 Muslime im Viertel PK 12 aus.

Versuchen Muslime, ihre Rückzugsorte zu verlassen, werden sie zu Tode gejagt, wie Saleh Dido, der muslimische stellvertretende Bürgermeister von Mbaiki. Als am 22. Februar drei Muslime versuchten, mit einem Taxi PK 12 zu verlassen, wurden sie von Milizionären erschossen, der christliche Taxifahrer wurde geschont. Nur wenige Tage zuvor, am19. Februar, eröffneten Milizionäre das Feuer auf einen Konvoi muslimischer Flüchtlinge, die versuchten PK 12 zu verlassen und außer Landes zu fliehen. 21 Menschen wurden dabei getötet.

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Michael Bockhorni Mi., 05.03.2014 - 13:53

haben sie sich diesmal auch zu wort gemeldet, wie in den fällen wo es um die verfolgung von christen gegangen ist?

Mi., 05.03.2014 - 13:53 Permalink
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Gesellschaft f… Mi., 05.03.2014 - 16:38

Antwort auf von Michael Bockhorni

Soweit ich informiert bin, hat der Papst im Februar die christliche Glaubensgemeinschaft dazu aufgerufen, für den Frieden in der Zentralafrikanischen Republik und im Südsudan zu beten. Ob der Vatikan zur Gewalt in der Zentralafrikanischen Republik eine entschiedenere Position eingenommen hat, weiss ich ehrlich gesagt nicht und müsste dies erst recherchieren. Im afrikanischen Land selbst versucht die Kirche eigentlich schon zu helfen. Verschiedene christliche Gemeinden, Kirchen und Missionen haben muslimische Mitbürger vor der Wut der Anti-Balaka Milizen versteckt und verteilen Nahrung, Wasser und Medikamente an die Flüchtenden, der Erzbischof von Bangui Dieudonné Nzapalainga und der Imam Omar Kobine Layama treten immer wieder gemeinsam in der Öffentlichkeit auf und versuchen, der religiösen Instrumentalisierung des Konflikts entgegenzutreten. Laut Radio Vaticana hat der Erzbischof alle Christen im Land dazu aufgerufen, muslimischen Mitbürgern zu helfen und sie daran erinnert, dass "sie sich nicht Christen nennen dürfen, wenn sie ihre Brüder töten". (siehe : http://it.radiovaticana.va/news/2014/02/26/centrafrica:_iniziative_dell…). Hinter der Kürze der GfbV-Mitteilung steckt wie immer die ziemlich banale Wahrheit, dass nicht alle zentralafrikanischen Muslime die Seleka-Milizen unterstützen, genausowenig wie alle Christen die Anti-Balaka Milizen.

Mi., 05.03.2014 - 16:38 Permalink