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Politik | Medienmacht

Das Schweigen der Lämmer

Südtirols Oppositionsparteien schweigen so wie die SVP zum Athesia-Medienmonopol. Es ist ein Trauerspiel, das zeigt, wie blockiert Südtirols Demokratie immer noch ist.
Eigentlich war alles so angerichtet, dass alle zufrieden sind.
Und dann das.
Da kommt dieser undankbare PD-Senator Gianclaudio Bressa daher und bringt alles durcheinander.
 
Der 66-jährige Bressa, ehemaliger Unterstaatsekretär für regionale Angelegenheiten, der einmal DC-Bürgermeister von Belluno war, inzwischen aber seit fast zwei Jahrzehnten in Welschnofen ansässig ist und bereits vier Mal in Südtirol - auch mit den Stimmen der SVP - ins Parlament gewählt wurde, hat in seiner politischen Karriere so viel für Südtirol und seine Autonomie getan wie wenige andere. Nicht von ungefähr wurde er deshalb 2013 mit dem großen Verdienstorden des Landes Südtirol ausgezeichnet.
 
 
Jetzt aber hat sich Gianclaudio Bressa etwas getraut, was noch keiner vor ihm gewagt hatte. Er hat im Senat einen Beschlussantrag eingebracht, der einen der größten Machtblöcke in diesem Lande angreift: Den Medienkoloss Athesia.
Bressas Vorschlag: Das Parlament soll in Sachen Medienkonzentration in der Region Trentino-Südtirol tätig werden. Sein Vorschlag: Es soll eine Begrenzung auf regionaler Ebene eingeführt werden, die verhindern soll, dass ein Verleger eine marktbeherrschende Stellung einnehmen kann. Zudem sollten für Monopolisten die staatlichen Förderbeiträge des Ministerratspräsidiums gestrichen werden. Der Hintergrund: Die Tageszeitung Dolomiten ist mit einem jährlichen Zuschuss von 6,15 Millionen Euro die am höchsten geförderte Zeitung Italiens.
 
Der Vorschlag ist sinnvoll, gerecht und politisch mehr als nur korrekt.
Das Multi-Unternehmen Athesia ist eine Erfolgsgeschichte. Der Koloss gibt nicht nur Tausenden Menschen in und auch außerhalb der Region Arbeit, er ist auch ein wichtiger ökonomischer Player für Südtirol. Die Familie Ebner hat aus einem verstaubten christlichen Verlag im Laufe von zwei Generationen eine moderne Holding gemacht, die in vielen verschiedenen Bereichen wirtschaftlich erfolgreich ist. Die Tageszeitung Dolomiten ist eine gut gemachte Regionalzeitung, die sich weit über die Landegrenzen hinaus sehen lassen kann.
Doch der Medienkoloss Athesia ist gleichzeitig eine Gefahr für die Demokratie.
 
 

Dass ein Unternehmen 80 Prozent des Medien- und Werbemarktes in einer Region kontrolliert, ist demokratiepolitisch nicht hinnehmbar. Das sind Zustände wie sie in Europa wirklich nur mehr im Weißrussland herrschen. Die Verquickung dieser Medienmacht mit gewichtigem institutionellem Einfluss (Handelskammer/Verwaltungsgericht) führt zu einem Ungleichgewicht, das seit Jahrzehnten Südtirols Politik nachhaltig beeinflusst.
Es ist einer der Hauptgründe dafür, dass wir auch im dritten Jahrtausend in diesem Land immer noch eine blockierte Demokratie haben.

 
Und wie blockiert Südtirols Demokratie wirklich ist, wird ausgerechnet an den Reaktionen auf den Bressa-Vorstoß deutlich.
Selbstverständlich kein Wort davon in den großen Medien des betroffenen Verlagshauses.
Es ist die „alternative“ Presse, die Tageszeitung, Salto.bz und das Wochenmagazin ff, die das Thema aufgreifen. Und RAI Südtirol. Sowie der Verbraucherschützer Walter Andreaus und der römische Anwalt Massimo Cerniglia, die mit einer eigenen Initative dem Bressa-Vorschlag jetzt den Rücken stärken.
Die Politik aber schweigt. Von ganz rechts bis ganz links herrscht plötzlich die große Verlegenheit. Das Schweigen der Lämmer.
Die Politik aber schweigt. Von ganz rechts bis ganz links herrscht plötzlich die große Verlegenheit.
Die Regierungspartei SVP steht wie der berühmte Ochs vor dem Berg da. Einige wenige versuchen, den Bressa-Vorschlag mit einem Allheilmittel abzuschmettern, das man immer dann bemüht, wenn man weiß, dass man im Unrecht ist. Es sei ein Angriff auf die Südtirol-Autonomie, doziert etwa der SVP-EU-Parlamentarier Herbert Dorfmann. So als würde es nicht um ein Privatunternehmen gehen, das Millionen scheffelt.
Weil die SVP-Spitze dem Ebner-Verlag verpflichtet ist, weicht man jeder sachlichen und inhaltlichen Diskussion kurzerhand aus. Man tut so, als würde das Thema die Politik nichts angehen.
 
 
 
Sehr wohl aber beteiligt man sich in der SVP an der Suche nach den Hintermännern. Man traut Gianclaudio Bressa zwar zu, dass er mehrere Dutzend Durchführungsbestimmungen verfasst habe, doch bei diesem Anti-Athesia-Vorschlag muss es Südtiroler Hintermänner geben. Die üblichen Verdächtigen sind längst ausgemacht. Es sind jene wenigen, die sich offen zum Bressa-Vorschlag äußern.
Weil die SVP-Spitze dem Ebner-Verlag verpflichtet ist, weicht man jeder sachlichen und inhaltlichen Diskussion kurzerhand aus.
Weil sich die Parteispitze nicht getraut, direkt auf Landeshauptmann Arno Kompatscher zu schießen, fokussiert sich das friendly fire unterm Edelweiß inzwischen auf den stellvertretenden SVP-Obmann Karl Zeller.
 
Doch das Traurigste an diesem Lehrstück Südtiroler Gegenwart ist die Tatsache, dass es auf der anderen politischen Seite, keineswegs besser ausschaut.
Eigentlich wäre das Thema doch das gefundene Fressen für die Opposition. Doch auch hier herrscht nur Schweigen im Walde. Oder haben Sie eine Stellungnahme einer Südtiroler Oppositionspartei, eines Südtiroler Oppositionspolitikers oder einer -politikerin zum Bressa-Vorschlag gehört, gelesen oder gesehen?
Die Freiheitlichen, die Süd Tiroler Freiheit oder die Grünen und das Team K, sie alle scheinen sich auf die Lippen zu beißen, wenn es um den Machtblock Athesia geht. Anstatt Kante zu zeigen, klar Stellung beziehen und den Bressa-Antrag wo möglich mit lokalen, politischen Initiativen zu unterstützen, steht man wie die Maus vor der Schlange.
Haben Sie eine Stellungnahme einer Südtiroler Oppositionspartei, oder eines Südtiroler Oppositionspolitikers oder einer -politikerin zum Bressa-Vorschlag gehört, gelesen oder gesehen?
Der Einzige, der eine lange kritische Analyse der Athesia-Medienmacht verfasst hat, ist der grüne Landtagsabgeordnet Riccardo Dello Sbarba. Doch er tat es als Privatmann, als Journalist und - mit Verlaub - als einer, der bei den Landtagswahlen 2023 sicher nicht mehr antreten wird.
Aber seine Partei? Den Südtiroler Grünen, die sonst zur Rettung jedes Regenwurmes eine geharnischte Pressemitteilung verschicken, ist hier anscheinend jede Kritikfähigkeit abhandengekommen. Dasselbe gilt für das Team K und alle anderen Oppositionsparteien.
 
 
 
Dabei ist das Ganze aber noch schlimmer. Denn während die Südtiroler Oppositionspolitiker auf der einen Seite schweigen, biedern sie sich auf der anderen Seite dem großen Monopolisten an.
Der Athesia-Verlag gibt mehrere Gratiszeitung heraus. So erscheint zweiwöchentlich dasselbe Blatt unter dem Titel „Plus“ in Bozen und unter dem Titel „Wir“ im Überetsch-Unterland. Dort gibt es eine Rubrik mit dem Titel „Brief aus dem Landtag“, in der sich Brigitte Foppa (Grüne), Sven Knoll (Südtiroler Freiheit), Ulli Mair (Freiheitliche) und Paul Köllensperger (Team k) als Autoren abwechseln.
Anscheinend getraut sich auch hier niemand, Nein zu sagen. 

Während die Südtiroler Oppositionspolitiker auf der einen Seite schweigen, fungieren sie auf der anderen Seite als Gastautoren für den großen Monopolisten.

Der Gleichschritt zwischen politischer Mehrheit und politischer Minderheit in Sachen Athesia ist erschreckend. Denn die Angst der Politiker und Politikerinnen von den Athesiamedien abgestraft oder gar nicht mehr genannt zu werden, ist augenscheinlich größer als ihre Zivilcourage.
Das macht deutlich, wo die Gefahr für die Demokratie in diesem Land wirklich liegt.
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MartinC Ma Fr., 04.02.2022 - 19:06

Da hast Du recht Christoph. Es ist eine Tragõdie. Vor allem die Grūnen (und TK) enttäuschen einmal mehr. In diesen Pandemiezeiten zeigen Sie sich am liebsten als Impf-Talibane, keine klare kritische Haltung zum skandalösen Green pass und den 2G Zwangsregeln, bis hin zur Impfpflicht. Und da ist man ja dann auch nicht verwundert wenn man in Sachen Athesia Monopol von den Grünen nichts oder bestenfalls angepasstes Mainstream Medien Gebrabbel hōrt. Die Medienmacht der Athesia ist wahrlich beängstigend.

Fr., 04.02.2022 - 19:06 Permalink
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Franz gasser Fr., 04.02.2022 - 19:41

Liebe Oppositionparteien, hier sieht man mal wieder, wie Ihr, wenn es um euren " goldenen Stuhl" geht, den Mund nicht mehr aufzum achen getraut.
Aber mal ehrlich, es gibt jetzt Gott sei Dank, die Trauerhilfe, deswegen müsstet ihr nicht Angst haben, dass keine Todesanzeige abgedruckt wird, wenn ihr euch getraut, mit Claudio Bressa, gegen den Medienkollos zu stimmen.
Bei der SVP bin ich nicht verwundert, denn dort werden ja schon die Messer gewetzt, um den Kompatscher einen Dolchstoß zu versetzen, um dann wie Phönix aus der Asche , als LH aufzusteigen.
Wer die Königsmörder sein werden, kann sich ja eigentlich jeder selber ausmalen.

Fr., 04.02.2022 - 19:41 Permalink
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Manuel Gatterer Sa., 05.02.2022 - 06:05

Herzlichen Dank,
Herr Franceschini,
für diesen hervorragenden weil nüchternen Artikel.

Monopole verhindern Pluralismus. Verhinderter Pluralismus beeinträchtigt die Partizipation der Bürger in der res pubblica, was demokratiepolitisch gefährlich ist.

Die Mächtigen müssten ihre Macht selbst beschneiden. Was sie nicht freiwillig tun werden.

Wegen des Einsatzes für die Teilhabe aller an der politischen Entscheidungsfindung in Südtirol, ist dem Senator Carlo Bressa ist höchster Dank geschuldet.

Sa., 05.02.2022 - 06:05 Permalink
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Paolo Ghezzi Sa., 05.02.2022 - 06:38

Magistrale Franceschini. Grossartige Kolumne. Genau geschrieben: "Der (Bressa) Vorschlag ist sinnvoll, gerecht und politisch mehr als nur korrekt". Malinconico, se non drammatico, il silenzio degli agnelli.

Sa., 05.02.2022 - 06:38 Permalink
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alfred frei Sa., 05.02.2022 - 08:52

Bei uns schweigen auch die Hähne > "Johannes 13:38 - Jesus antwortete ihm: Solltest du dein Leben für mich lassen? Wahrlich, wahrlich ich sage dir: Der Hahn wird nicht krähen, bis du mich dreimal habest verleugnet.

Sa., 05.02.2022 - 08:52 Permalink
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Domenica Sputo Sa., 05.02.2022 - 09:22

Il silenzio degli innocenti, ma anche il silenzio degli Agnelli, quelli con la A maiuscola, che insieme alle quote hanno venduto il pluralismo dell’informazione in questa Regione.
Più evidente il silenzio degli agnelli con la a minuscola, quelli che forse più che agnelli stanno dimostrando di essere pecore con la bocca cucita, per interessi “particolari”.

Sa., 05.02.2022 - 09:22 Permalink
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S. Bernhard Sa., 05.02.2022 - 11:38

Hannibal (Bressa) hat sich getraut. Ein großes Lob dafür. Die Lämmer kann man getrost den Wölfen überlassen, dann gibt es auch wieder eine Sonderbeilage im Bauernblattl.

Sa., 05.02.2022 - 11:38 Permalink
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Stereo Typ Sa., 05.02.2022 - 19:35

Das Gleiche gilt für die berufsgruppenbezogene Impfpflicht und jene über 50. Auch hier das Schweigen im Walde. Ausgenommen Vertreter von Ein-Mann-Parteien, die nichts mehr zu verlieren haben.

Sa., 05.02.2022 - 19:35 Permalink
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Hartmuth Staffler Sa., 05.02.2022 - 21:58

Den Dorfmann hätte man, wegen seiner absoluten Bedeutungslosigkeit, eigentlich gar nicht erwähnen müssen. Vom Einsatz der Grünen für die Regenwürmer ist mir bisher noch nichts bekannt, es würde mich aber freuen, wenn es so wäre, da ich Regenwürmer liebe. Mit dem Monopol der Athesia ist es wohl so wie mit dem Monopol der SVP. So lange es nichts Besseres gibt, bleiben sie obenauf.

Sa., 05.02.2022 - 21:58 Permalink
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Meister Haus Mo., 07.02.2022 - 14:34

Sehr gut, Franceschini! Persönlich betrachte ich fassungslos das Trauerspiel der Grünen in den Sesseln der Macht jenseits des Brenners und hier inszeniert sich buchstabengetreu das Gleiche für Herbst 2023. Wahrlich die Lämmer.

Mo., 07.02.2022 - 14:34 Permalink
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Hans Bibera Sa., 12.02.2022 - 12:12

Das Schweigen ist die Bestätigung dafür, dass die Angst vor dem Koloss groß ist.
Zeigt die Mächtigkeit seiner Macht.

Sa., 12.02.2022 - 12:12 Permalink