Chronik | Justiz

Die Schnalstal-Ermittlung

Die Staatsanwaltschaft erhebt schwere Vorwürfe gegen vier Vertreter der Schnalstaler Gletscherbahnen. Ermittelt wird auch gegen Michl Ebner - wegen fahrlässiger Tötung.
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Foto: Funivie Val Senales
Es gilt die Unschuldsvermutung.
Das ist ein Satz, den man meist mehr aus formalen Gründen als aus Überzeugung hinschreibt. Doch in diesem Fall ist diese Präzisierung nicht eine Formalie, sondern notwendig.
Zum einen sind die Vorwürfe, die die Staatsanwaltschaft Bozen erhebt, so schwerwiegend, dass Vorsicht in diesem Stadium des Verfahrens noch mehr als sonst geboten erscheint. Zum anderen muss die Ermittlung von Amts wegen durchgeführt werden, und es wird erst in einem Hauptverfahren zu beweisen sein, ob es wirklich einen kausalen Zusammenhang zwischen dem Tod von drei Menschen und einem möglichen fahrlässigen Verhalten der Betroffen gibt.
Die beiden Staatsanwälte Günther Morandell und Andrea Sacchetti ermitteln gegen vier Personen der Schnalstaler Gletscherbahnen AG wegen fahrlässiger Tötung (omicidio colposo - Art. 589 StgB). Seit über einem Jahr sind dazu der Vorsitzende des Verwaltungsrates und gesetzliche Vertreter der Schnalstaler Gletscherbahnen AG, Michl Ebner, der geschäftsführende Direktor Thomas Stecher, der Betriebsleiter Lukas Tumler sowie dessen Stellvertreter Christoph Raffeiner ins Ermittlungsregister eingetragen. Bereits vor Wochen wurde den vier Genannten die offizielle Benachrichtigung über den Abschluss der Ermittlungen (Art. 415bis StPO) zugestellt. Sie haben jetzt die Möglichkeit, angehört zu werden und Verteidigungsschriftsätze vorzulegen.
 

Das tragische Unglück

 
Im Mittelpunkt der Ermittlung steht ein tragisches Unglück.
Gegen Mittag des 28. Dezember 2019 geht unterhalb der Teufelsegg-Piste auf der Höhe der Teufelsegg-Hütte im Gletscherskigebiet Schnalstal ein riesiges Schneebrett ab. Die Lawine donnert direkt auf die Talabfahrt. Dabei werden mehrere Skifahrer verschüttet.
Die 35-jährige Offizierin beim deutschen Bundesheer Annika Kaps und die 7-jährige Lilia Van Kann sterben unter den Schneemassen. Die ebenfalls 7-jährige Mareike Möller kann zwar noch lebend geborgen werden, verstirbt aber an ihren schweren Verletzungen wenig später im Krankenhaus Santa Chiara in Trient. Zudem werden mehrere Skifahrer und Skifahrerinnen verletzt.
 
 
Unmittelbar nach dem tragischen Unglück nimmt die Staatsanwaltschaft Bozen die Ermittlungen auf. Chefstaatsanwalt Giancarlo Bramante lässt die Unglückspiste im Schnalstal für die Beweisaufnahme sperren. Zudem wird per Hubschrauber ein Lokalaugenschein am Unglückshang gemacht. Außerdem beauftragt die Staatsanwaltschaft einen Lawinenexperten, der untersuchen soll, wie es zu dem Unglück kam und was die Lawine ausgelöst hat.
Die zentrale Frage dabei ist von Anfangab, ob die Skipistenbetreiber das Risiko falsch eingeschätzt haben und die Piste eigentlich gesperrt hätte werden müssen.
 

Verdacht erhärtet

 
Nach Informationen von Salto.bz hat sich diese Hypothese fahrlässiger Handlungen und möglicher Versäumnisse im Laufe der Ermittlungen jetzt erhärtet.
Am besagten Dezembertag herrschte Lawinenwarnstufe 3, also „erhebliche Gefahr“ auf der insgesamt 5-stufigen Warnskala. Zudem verzeichnete man im Skigebiet Schnalstal einen starken Wind und Nordföhn, der zu einem zusätzlichen Temperaturanstieg führte.
 
 
 
Der Sachverständige der Staatsanwaltschaft soll in seinem Gutachten zum Schluss gekommen sein, dass die Verantwortlichen es verabsäumt haben, an diesem Tag das künstliche Lawinenauslösesystem zu aktivieren, mit dem man per Hubschrauber und Gasbomben Lawinen kontrolliert auslöst.
Es wird jetzt zu klären sein, wie weit die Verantwortlichkeiten reichen. Ob Michl Ebner als gesetzlicher Vertreter der Schnalstaler Gletscherbahnen nur auf dem Papier die Verantwortung trägt oder sich in operative Entscheidungen rund um die Pistensicherheit eingemischt hat.
Man kann davon ausgehen, dass diese Fragen in den nächsten Wochen geklärt werden können. Ebner wird dabei vom renommierten Bozner Strafverteidiger Nicola Nettis verteidigt.
Nach dieser Phase wird sich zeigen, ob die Staatsanwaltschaft die Einleitung des Hauptverfahrens beantragt oder ob der Fall archiviert wird.
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Sebastian Felderer Di., 08.02.2022 - 07:39

Ebner wird dabei vom renommierten Bozner Strafverteidiger Nicola Nettis verteidigt.
Nach dieser Phase wird sich zeigen, ob die Staatsanwaltschaft die Einleitung des Hauptverfahrens beantragt oder ob der Fall archiviert wird.
Christoph Franceschini hat in den letzten beiden Sätzen alles gesagt. Warum ist Nettis renommiert? Weil er es kann. Und wenn er es kann, dann wird archiviert.

Di., 08.02.2022 - 07:39 Permalink