Politik | Ukraine- Konflikt

Krieg oder Klimaschutz?

Wir stellen fest: den meisten verantwortlichen Politiker/Innen und vielen Menschen scheint nicht bewusst zu sein, dass es keine Alternative zur sofortigen Intensivierung von Maßnamen zugunsten des Klimaschutzes gibt.
Hinweis: Dieser Artikel ist ein Beitrag der Community und spiegelt nicht notwendigerweise die Meinung der SALTO-Redaktion wider.

Ein Krieg oder langjährige Konflikte mit Russland (siehe gegenwärtige Ukraine-Krise) oder China (siehe deklarierte langfristige US-Strategie) würde alle bislang (und ohnehin unzureichenden) Beteuerungen, Bemühungen und/oder Maßnahmen für den Klimaschutz ad absurdum führen und mit hoher Wahrscheinlichkeit den Kampf um ein für die Menschheit gerade noch erträgliches Klima im relativ kurzen Zeitfenster der nächsten zwei bis drei Jahrzehnte verlieren lassen. Wir erinnern daran, dass in zahlreichen Studien auf die Gefahr der Überschreitung von klimatischen Kipp-Punkten hingewiesen wurde und wird, jenseits derer das Hinübergleiten des globalen Klimas in eine Heißzeit unumkehrbar wäre. Die kritische Temperaturschwelle, ab der damit zu rechnen ist, dürfte nach Aussagen der Wissenschaft schon demnächst erreicht werden.

Wir stellen weiters fest, dass gerade jetzt, in einer der für die Menschheit vielleicht kritischsten Phasen seit ihrer Existenz, Weltkriegsgeschrei ausgebrochen ist. Russland und die Nato (mit Europa) stehen angeblich vor der kaum mehr abwendbaren Alternative, einen Krieg um die Ukraine vom Zaun brechen zu müssen, dessen Dimension unklar ist und der jederzeit der Kontrolle entgleiten könnte. Zur Klimakrise käme also jetzt noch die reale Gefahr von Zehntausenden oder gar Millionen Kriegs-Toten in Europa, die ein überregionaler Krieg oder ein Weltkrieg verursachen würde und dies mit hoher Zerstörungskraft und gewaltigen CO2- Emissionen.  Und es muss allen klar sein, dass die Kriegshandlungen in einem derartigen Konflikt aller Wahrscheinlichkeit nach hauptsächlich auf europäischem Territorium ausgefochten werden würden. Trotz all dieser realen Bedenken werden die Folgen einer solchen mehrgleisig katastrophalen Entwicklung von Teilen politischer Eliten und Militärstrategen Europas, der USA und Russlands bewusst in Kauf genommen, und die dazu betriebene Eskalations-Politik wird zusätzlich von verantwortungslosen Politiker/Innen, Medien und Think-tank-Kolumnisten befördert.

Wir halten hier explizit fest, dass Präsident Biden und viele andere politische Akteure in „West“ und „Ost“ immer wieder beteuert haben, Klimaschutz als oberste Agenda auf die Tagesordnung setzen zu wollen. Dazu wurde ein globaler „Green Deal“ ausgerufen, dessen Ziel unter anderem eine länderübergreifende Kooperation sein sollte, um überregionale Maßnahmen zugunsten des Klimaschutzes zu ermöglichen. Zitat Biden: Die Klimakrise stelle eine „existenzielle Bedrohung für die Menschheit“ dar. Dieser Erkenntnis haben sich – zumindest verbal - die meisten Regierungen weltweit angeschlossen. Wir sehen jetzt, dass diese Beteuerungen angesichts einer drohenden, willkürlich angefachten militärischen Eskalation in Europa ihre Glaubwürdigkeit weitgehend verloren haben und nicht mehr auf der Tagesordnung stehen. Krieg geht also vor?

Somit stellen wir abschließend fest: Politische, wirtschaftliche und militärische Hegemonie-Bestrebungen torpedieren derzeit die Überlebenschancen der Menschheit in mehrfacher Hinsicht. Um es auf den Punkt zu bringen: Nicht nur Russland, sondern auch die NATO, Europa und vor allem die Ukraine müssen einen wesentlichen Beitrag zur De-Eskalation der gegenwärtigen verfahrenen Situation leisten. Wir erinnern z.B. an das Minsker Abkommen, das von der Ukraine her in wesentlichen Punkten einer Umsetzung bedarf. Nur in einem Umfeld der globalen Ko-Existenz und des Verzichts auf Hegemonialansprüche kann der Kampf um das Klima gewonnen werden. Es sei in diesem Zusammenhang auch erwähnt, dass insbesondere den Arktis-nahen und arktischen Ökosysteme mit Taiga, Tundra und Permafrost-Böden auf russischem Territorium eine funktionale Schlüsselrolle bei der Bewältigung der Klimakrise zukommen wird. Im Kriegszustand mit Russland lassen sich derartige notwendige Schwerpunktsetzungen kaum erfüllen.  Wir fordern daher alle verantwortungsvollen Politiker/Innen in Ost und West dazu auf, sich erstens uneingeschränkt zum Klimaschutz als dem obersten Ziel der Weltgemeinschaft zu bekennen und dies gegenüber ihren Verbündeten, aber auch ihren angeblichen „Feinden“ und der Öffentlichkeit unmissverständlich kund zu tun; und zweitens jegliche weitere verbale oder faktische Form der Aufrüstung zu vermeiden und sich auf dem Weg substantieller Zugeständnisse zu einer Politik der alternativlosen De-Eskalation zu bekennen. Alles andere wäre Verrat an der Menschheit und an unserem Planeten.

Univ.Prof. i.R. Dr. Reinhard Dallinger, Innsbruck (Zoologe und Umweltwissenschaftler)

Dr. Arch.i.R. Klaus Griesser, Bozen                                                                                                          Innsbruck/ Bozen, 13.02.2022

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Peter Gasser Di., 15.02.2022 - 14:08

Zitat: "Russland und die Nato (mit Europa) stehen angeblich vor der kaum mehr abwendbaren Alternative, einen Krieg um die Ukraine vom Zaun brechen zu müssen...":
der Satz beinhaltet 2 Unschärfe-Punkte:
1) Es muss heißen "Russland und die europäischen Staaten", da die Nato selbst keine Souveränität besitzt und das Verteidigungsbündnis der europäischen Staaten ist. Die NATO alleine macht gar nichts, wie auch das amerikanische Herr nicht vom Pentagon, sondern vom Präsidenten in Bewegung gesetzt wird. Die "NATO (mit Europa)" ist sprachlich gleichsam dem Wedeln des Schwanzes mit dem Hund.
2) Nur einer hat sein Heer mit 200.000 Soldaten, Luftwaffe und Marine an die Grenze eines anderen Staates gestellt und droht unverhohlen mit der militärischen Aggression: Russland. Die souveräne Ukraine verteidigt sich gegen einen Aggressor von außen: da führt niemand einen "Krieg um die Ukraine", da will ein verrückter einen Angriffskrieg in Europa starten; meiner Ansicht nach aus (despotischer) Angst vor einer in Zukunft prosperierenden Demokratie an seiner Grenze.

Di., 15.02.2022 - 14:08 Permalink
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Klaus Griesser Mi., 16.02.2022 - 17:02

Antwort auf von Peter Gasser

ad 1) Ihre Anmerkung bezüglich einer Unschärfe in unserer Charakterisierung der am Konflikt beteiligten Seiten: "Russland und die Nato (mit Europa)“ ist richtig. Jedoch denken wir, dass diese „Unschärfe“ weniger einer falschen Darstellung unsererseits, als vielmehr den realen und widersprüchlichen Kräfte-Verhältnissen innerhalb der westlichen Allianz geschuldet ist. Europa findet sich in dieser Allianz mehrfach und mit durchaus divergierenden Schwerpunkten und auseinanderstrebenden Interessen vertreten: Als Kontinent mit Staaten, von denen nicht alle der EU angehören; letztere jedoch mit wesentlichen internen Meinungs-Differenzen, was die sogenannten „europäischen Grundwerte“ betrifft; viele dieser Staaten (aber eben nicht alle) sind zusätzlich – inklusive ihrer politischen Grunddifferenzen – Mitglieder des atlantischen Verteidigungsbündnisses NATO, mit teils problematischen Bündnispartnern, die sich mehr oder weniger auch militärisch feindlich oder zumindest nicht friedfertig gegenüberstehen (siehe z.B. Türkei – Griechenland); und schließlich die Hegemonialmacht USA, die ja einerseits NATO-Verbündeter ist, jedoch aus verständlichen Gründen nicht primär europäische Interessen zu vertreten hat, und das tut sie nicht ausschließlich, jedoch auch über die NATO; schließlich denken wir, dass auch die Rüstungs- und Waffenlobbies in den USA und in Europa mitmischen, wenn es beispielsweise um Fragen der Ausrüstung und Bewaffnung der NATO geht. All diese Faktoren machen die Beziehungen innerhalb des westlichen Allianzbündnisses in all seinen Facetten kompliziert und verleihen dem Auftreten nach außen hin eine gewisse „Unschärfe“, man könnte auch sagen, sie schwächen die Allianz. Das ist einfach so, und das trägt möglicherweise dazu bei, dass sich Russland zeitweilig in einer Position der Stärke wähnt, unabhängig von moralischen oder ideologischen Beurteilungen darüber, wer in diesem Konflikt die „Guten“ oder die „Bösen“ sind.
ad 2) Dass Putin einer überholten Sicht der geopolitischen Lagen anhängt, ist unbestritten. Was seine Ansprüche auf russische Sicherheits-Interessen betrifft, so kann man seine Argumente nicht gänzlich von der Hand weisen. Darum geht es jedoch nicht. Denn unabhängig von der Konfliktsituation zwischen Russland und der westlichen Allianz und ihrer moralischen und politischen Beurteilung gilt in Bezug auf die Klimakrise der Primat der Naturgesetze über Politik und Wirtschaft. Die Zuspitzung der klimatischen Rahmenbedingungen und deren Kopplung an die CO2-Emissionen durch menschliche Aktivität lässt keinen Spielraum offen. Entweder, es gelingt der Menschheit, dieses Problem zu lösen, oder sie geht katastrophalen Zeiten entgegen (bis hin zu ihrer Ausrottung). Die globale Dimension dieser Bedrohung macht länderübergreifende Kooperationen in globalem Maßstab notwendig. Große internationale Konflikte hemmen oder verunmöglichen die Aussichten auf einen erfolgreichen Kampf gegen die Klimakrise. In diesem Sinne hat De-Eskalation potentieller Konflikte wie jener um die Ukraine absoluten Vorrang vor moralischen, politischen und weltanschaulichen Präferenzen, was notgedrungen auch unliebsame Kompromisse zur Folge haben kann.

Mi., 16.02.2022 - 17:02 Permalink
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Peter Gasser Mi., 16.02.2022 - 17:10

Antwort auf von Klaus Griesser

ad 1) volle Zustimmung;
ad 2) volle Zustimmung;
daher auch mein Kompliment an Kanzler Scholz (den ich auch wie vor skeptisch, da unklar, sehe), der genau Ihre Aspekte doch klar benennend in der Pressekonferenz mit Putin (online verfolgt) friedlich und immer wieder friedlich, aber unerschütterlich stur vertreten hat.
Während Putin doch ständig unterschwellig und bisweilen auch offen auf die militärische Keule (Krieg!) und die Gas-Erpressung hingewiesen hat. Kompliment an Kanzler Scholz.

Mi., 16.02.2022 - 17:10 Permalink
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Thomas Benedikter So., 20.02.2022 - 11:44

Dass nicht nur ein Krieg die Priorität des Klimaschutzes verdrängt, sondern die systematischen Kriegsvorbereitungen in Form von militärischer Hochrüstung dem Klima (durch ihre extrem CO2-Intensität) schaden, ist nicht zu bestreiten. Wäre das US-Militär ein eigener Staat - ist geschätzt worden - wäre es ungefähr an 6. Stelle der Staatenliste in der Gesamtemission von Treibhausgasen im Jahr.
Doch Notabene, lieber Klaus: in der Ostukraine ist es Russland mit seinem Obermacker, die militärische Aggression seit 2014 schüren, Kriegshandlungen führen und einen Angriff gegen ein souveränes Land anzetteln. In jedem deiner Sätze, die die Verantwortung für diese Krise und die bevorstehende Invasion der Putin-Armee ansprechen, stellst du beide Seiten als Aggressoren auf dieselbe Ebene. Eine sehr schräge und nicht haltbare Optik.

So., 20.02.2022 - 11:44 Permalink
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Reinhard Dallinger So., 20.02.2022 - 17:09

Antwort auf von Thomas Benedikter

Gestatten sie, dass ich ihnen als Reinhard Dallinger ad hoc antworte, Herr Benedikter, da ich ja den Text unserer Stellungnahme maßgeblich mit verfasst habe. Ich tue dies auch im Namen von Klaus und werde versuchen, auch ihm dabei gerecht zu werden. Ich bin mit den Ausführungen in ihren ersten Absatz einverstanden.
Was den zweiten Absatz betrifft, so sehe ich diesbezüglich einigen Klärungsbedarf. Wenn unsere Stellungnahme so interpretiert wird, dass wir im laufenden Ukraine-Konflikt beide Seiten (Russland und die westliche Allianz) als Aggressoren auf dieselbe Ebene stellen, dann sind wir diesbezüglich missverstanden worden, vielleicht auch, weil wir unsere Meinung diesbezüglich nicht klar genug auf den Punkt gebracht haben. Wir sehen die Dinge folgendermaßen. Versuche, den Konflikt friedlich (oder zumindest mit wenig Blutvergießen) zu lösen, sind nur über wahrscheinlich mehrere Schritte der Deeskalation möglich. Das kann aber nur gelingen, wenn beide Streit-Parteien einander zugestehen, legitime Interessen zu vertreten (das gilt auch dann, wenn eine der beiden Seiten nach Meinung der anderen dies offenbar nicht oder nicht ausschließlich tut). Putin mag also ein Despot sein. Jedoch vertritt er ungeachtet dessen eben auch die Interessen eines riesigen Staates (mit 17 Millionen Quadratkilometern ist Russland flächenmäßig der größte Staat der Erde). Eine Doppelstrategie (Deeskalations-Ankündigungen bei gleichzeitig aufrechten Drohungen) wird, so befürchten wir, Putin nicht zum Einlenken bewegen, zumal bekannt ist, dass er den Großteil der russischen Bevölkerung auf seiner Seite hat, wenn es um Schuldzuweisungen an die NATO geht. Bliebe dann also nur noch die Kriegs-Option offen (egal, ob sie dem Westen von Putin aufgezwungen wird). In einem derartigen Fall müsste sich der Westen jedoch innerhalb kurzer Zeit durchsetzen können und in der Lage sein, ein rasches Ende des Krieges herbeizuführen, ohne dabei das Risiko einer nuklearen Katastrophe in Kauf nehmen zu müssen. Alles andere als eine Taktik der Deeskalation wäre angesichts einer derartigen Alternative widersinnig. Ich hoffe, sie können uns zustimmen. In jedem Fall gilt es aber auch, gleichzeitig den Kampf gegen die Klimakrise als prioritäres Ziel im Auge zu behalten, um zu vermeiden, dass die Weltgemeinschaft sozusagen vom Regen in die Traufe torkelt. Es geht also in jedem Fall um eine Güterabwägung. Das ist es, was wir vermitteln wollten.
Übrigens gibt es zur Frage der Legitimität der Interessen Russlands auch zahlreiche Stellungnahmen und Interviews von Journalist/Innen, Politiker/Innen und Politikwissenschaftler/Innen, die nicht als „Putin-Freunde“ abgetan werden können. Ich erwähne hier beispielsweise ein Interview mit dem Politologen Christian Hacke (siehe: https://www.deutschlandfunk.de/interview-hacke-ukraine-konflikt-100.html); oder ein Interview mit Herrn von Dohnanyi, dem ehemaligen Bürgermeister von Hamburg (siehe: https://www.ndr.de/kultur/Ukraine-Russland-Konflikt-Das-sollte-Europa-s…); schließlich ein Interview mit dem Chefredakteur der NRW, Herrn Ulrich Schönborn (siehe: https://www.ndr.de/nachrichten/info/sendungen/kommentare/Kommentar-Schl…).

So., 20.02.2022 - 17:09 Permalink
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Peter Gasser So., 20.02.2022 - 17:26

Antwort auf von Reinhard Dallinger

Welches Anrecht wer auch immer hat:
Wer dem anderen das Messer an die Brust setzt, und gleichsam sagt: du machst, wie ich möchte - der sucht nicht den Dialog, sondern den Sieg;
der wird das Messer erst wegnehmen, wenn er seinen "Sieg" hat, andernfalls wird er zustechen.
Geben wir uns also keiner Illusion hin: wie Hitler sucht Putin als Asphaltier den Sieg: auch Hitler fand immer wieder "legitime Interessen" für den Krieg.
Ich aber bin der Ansicht: es gibt KEINE legitimen Interessen für Krieg.
.
Zur Sicherheitsarchitektur wird stets eingebracht, ea habe mündliche Zustimmung für den Verzicht auf die Osterweiterung der Nato gegeben; mag sein, mag nicht sein.
Doch waren diese stets im Kontext und mit der Entwicklung Russlands Richtung Europa, Demokratie, Freiheit der Bürger im Dialog verbunden.
Diesen Weg hat Putin gebrochen und jetzt unwiederbringlich verbunden mit seiner Person umgekehrt.
Wenn Putin sich also selbst NICHT an die damaligen beiderseitigen "mündlichen Aussagen" hält: wie kann er dies dann vom anderen erwarten oder: gar mit Krieg einfordern?
Nein, das ist nicht erklärbar.
Erklärbar aber ist der innenpolitische Aspekt der Aktion: so eint Putin die russische Gesellschaft im Kampf gegen außen im Inneren und schließt hinter sich die Reihen.
Eben DAS, was alle Diktatoren tun, wenn es im Inneren für sie gefährlich wird.
Die Geschichte ist randvoll von Beispielen dessen, was wir gerade zeitgeschichtlich erleben.
Ein Einzelner führt Bevölkerungen in die Gegnerschaft und Krieg.
Diese eiomanischen (und gekränkten) Personen sind wohl das Gift der Menschheit.

So., 20.02.2022 - 17:26 Permalink
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Klaus Griesser So., 20.02.2022 - 22:05

Antwort auf von Thomas Benedikter

Den Ausführungen Reinhard Dallingers möchte ich nur hinzufügen, dass Deeskalation (sprich Diplomatische Verhandlungen) nicht heißt, dem vermeintlich Stärkeren oder vermuteten "Böseren" Recht zu geben. Das wäre falsch. Frau Baerbok hat das richtig gemacht, indem sie zuerst Moskau Einhalt gebot und die Fortführung der Normandie-Gespräche anbot, und zweitens Kiew die Einhaltung des Minsker Abkommens anmahnte; folgerichtig bot sie dort Helme statt Agressionswaffen an. Statt deinen Zeigefinger zu erheben, lieber Thomas, solltest du lieber der Entstehungsgeschichte und dem Inhalt des Minsker Abkommens auf den Grund gehen.

So., 20.02.2022 - 22:05 Permalink
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Peter Gasser So., 20.02.2022 - 23:22

Antwort auf von Klaus Griesser

Zitat: “... folgerichtig bot sie dort Helme statt Aggressionswaffen an”:
.
... es gibt auch Verteidigungswaffen.
.
Frau Baerbock hat VERSUCHT, Putin Einhalt zu gebieten, absolut richtig und gut, und auch Kanzler Scholz hat klar Kante gezeigt, EINHALT GEBOTEN hat Putin bisher aber (leider) niemand.
.
Putin zeigt gestern und heute, das ihn “Worte” nicht beeindrucken.
.
Also müssen auf die Worte Taten folgen: andernfalls gibt es Krieg: das Ziel von Putin ist Krieg, das zeigt er klar.
Er hat sich wohl in krasser Fehleinschätzung selbst in eine ausweglose Situation manövriert, aus der sein Ego nur noch mit Krieg herauskommt: im Donbass beginnt er schon.
.
(ist wohl jedem klar, dass dieser Aufmarsch von Truppen von langer Hand, wahrscheinlich mehr als ein Jahr vorbereitet worden ist, und da zur Zeit von russischer Seite nichts zufällig oder adhoc, oder “auf Sicht” geschieht; das folgt einem Plan, und Putin kann diesen Plan nicht mehr stoppen: point of return für einen Diktator, der im Inneren nur als starker Mann überleben kann, leider überschritten.
.
Es geschieht wohl wieder...

So., 20.02.2022 - 23:22 Permalink
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Peter Gasser Mo., 21.02.2022 - 19:53

Antwort auf von Peter Gasser

Man wird Putin gleichsam mit Hitler sprechen hören, wie dieser den Einmarsch in Polen begründet hat...

... es geschieht wieder, mitten in Europa.
Und wieder geht es von einem einzelnen, machtbesessenen und eitlen Menschen aus, der glaubt, sich damit ein ewiges Denkmal zu setzen: gleichsam das “4. Russische Reich”.

Mo., 21.02.2022 - 19:53 Permalink
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Profil für Benutzer Gianguido Piani
Gianguido Piani Mo., 21.02.2022 - 22:16

Seit 1988 habe ich mich mit dem Thema des Aufsatzes, der Kooperation zwischen der EU bzw einzelnen Ländern und der UdSSR, später Russland, über Umwelt- und Energieeffizienzprojekte beschäftigt. Immer gescheitert, und fast immer aufgrund von Desinteresse aus westlicher Seite. Ich könnte Bände über die Dummheit der EU-Bürokratie (sprich: Tacis-Projekte) und der kurzfristigen Selbstbedienungsmentalität der hiesigen Industrie schreiben. Echtes, selbstloses Interesse habe ich nur beim Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschlands in den Jahren 1988-1991 gespürt. Ein Beispiel von vielen. Als die EU Hilfe für Gorbatschows UdSSR und später für Russland bereiten sollte, griff sie an die Methodik und Herangehensweise für Entwicklungsländer zurück. Es war unmöglich den EU-Bürokraten klar zu machen, dass Russland ein ganz anderes wirtschaftliches Potential und Bildungsstand hat, als beispielsweise Malawi oder Uganda. Ein anderes Klima, und ein ganz anderes Selbstbewusstsein. Vergeudete Zeit. Wenn etwas in einer Projektbeschreibung steht, kann es nicht mehr geändert werden. Der Tonfall der EU-Vertreter den Russen gegenüber, den ich miterlebt habe, war auch oft dementsprechend abartig. Einmal fragte mich ein Russe, der in einem Projekt involviert war, wo die Ringe seien, die sie sich an der Nase hängen sollten.

Ich habe mir gerade die Ansprache V.V. Putins im Fernsehen angeschaut. Eine so klare und bedrohliche Sprache hatte ich nie von ihm gehört. Unter anderem hat er alle Kooperationsangebote aufgelistet, die Russland seit 1992 dem Westen unterbreitet hat. Kein einziges dieser Angebote wurde akzeptiert. So hatte Putin bereits 2001 der EU vorgeschlagen, Touristen- und Businessvisen gegenseitig ganz abzuschaffen. Das hat die EU nie verwirklicht. Wie kann man auf einer solchen Basis von Kooperation reden? Unsere Arroganz, und nicht nur Russland gegenüber, wird uns teuer stehen.

Mo., 21.02.2022 - 22:16 Permalink
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Peter Gasser Mo., 21.02.2022 - 23:24

Antwort auf von Gianguido Piani

“Wir” verdienen also die Strafe und den Krieg Putins - als Mittel zum Zweck dienen die Ukrainer???
Die Welt: schwarz - weiß;
Putin weiß, der Westen schlecht.
.
Nicht wer Krieg beginnt, ist der Täter?
.
Nachhilfe: dasselbe sagte Hitler als Begründung für seinen Krieg: das mißhandelte und gedemütigte Deutschland.
Ich sagte schon, es wiederholt sich, wieder. Der Donbass ist Polen.
.
Sie erkennen die Parallelen bei Putin (und in Ihrem Beitrag) wirklich nicht?
Es geht um das Ego des Diktators und dessen Groß-Ruhm-Sucht: Großdeutschland, Großrussland für 2 kleine Männer...
.
(es gibt Krieg, und Sie rechtfertigen diesen hier)

Mo., 21.02.2022 - 23:24 Permalink
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Gianguido Piani Di., 22.02.2022 - 00:03

Antwort auf von Peter Gasser

Am historischen Vergleich anlehnend, stellt mein Beitrag keine Rechtfertigung von Hitler, sondern eine Kritik des Versailler Vertrages dar. Der Westen wollte das Kaiserreich bestrafen, an dessen Stelle stand aber die Weimarer Republik. Zu leiden hatten letztendlich die deutsche und die österreichische Bevölkerung. Hitler kam an die Macht als Folge einer Weltwirtschaftskrise, die ihren Ursprung 1929 in den USA hatte. Wären die Verträge anders formuliert gewesen, und hätte man mit der Weimarer Republik ernsthaft kooperiert, wäre Hitler wahrscheinlich nie an die Macht gelangt.

Persönlich finde ich die Anerkennung der s.g. Donbassrepubliken als Fehler, in mehreren Hinsichten. Trotzdem bleibe ich der Meinung, dass die EU und die USA in der Beziehung zu Russland eine Unmenge falsche Schritte gemacht haben. Oder, im Gegenteil, sind sie einer Strategie gefolgt, die keine echte Kooperation vorsah. Nur Lippenbekenntnisse. Alle konkreten Vorschläge für eine Zusammenarbeit wurden entweder abgelehnt oder nicht ernsthaft verfolgt. Spätestens 2009 wurde dies für Putin endgültig klar, dann hat er sich für einen anderen Kurs entschieden. Klar und deutlich definiert, ohne Überraschungen.

Gorbatschow hatte 1988-89 von einem Europa frei von Waffen geträumt. Leider wurde daraus nichts. Die Schuld liegt nicht allein bei Putin.

Di., 22.02.2022 - 00:03 Permalink
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Peter Gasser Di., 22.02.2022 - 00:22

Antwort auf von Gianguido Piani

... soeben rollen russische Panzer auf Ukrainisches Staatsgebiet - im Herzen von Europa.
.
Putin hat wieder gelogen, wie er schon bei der Krim gelogen hat; und wie Hitler bei Polen gelogen hat.
Es ist dasselbe Muster. Derselbe Charakter.
Der kleine Mann und sein Weltreich.
Kriegsverbrecher.

Di., 22.02.2022 - 00:22 Permalink
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Stefan S Fr., 25.02.2022 - 09:49

Antwort auf von Peter Gasser

"Trotzdem bleibe ich der Meinung, dass die EU und die USA in der Beziehung zu Russland eine Unmenge falsche Schritte gemacht haben."
So ein Blödsinn und das dann auch noch in einem Bezug zum Versailler Vertrag zu bringen ist dann völlig abstrus. Keiner hat Russland nach 1989/90 geknebelt.
Bei solchen Aussagen muss einen fasst schon frieren sieht man doch wie Putins Propaganda Ihre Wirkung zeigt.
Das einzige was man bemängeln könnte ist das man nach Einnahme der Krim und dem Donbass nicht angemessen reagiert hat. Aber selbst diese Erkenntnis scheint m. E. im Nachhinein betrachtet und nach der unverhohlenen Drohung Putins mit dem "roten Knopf" wohl auch nicht zielführend und hätte das derzeitige Geschehen "nur" vorgezogen.

Fr., 25.02.2022 - 09:49 Permalink
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Gianguido Piani Sa., 26.02.2022 - 18:36

Antwort auf von Stefan S

"So ein Blödsinn und das dann auch noch in einem Bezug zum Versailler Vertrag zu bringen ist dann völlig abstrus. Keiner hat Russland nach 1989/90 geknebelt."

Sie waren offenbar nicht vor Ort, kennen die Lage nicht. Eine Person, dessen Meinung ich zum großen Teil teile, ist Jeffrey Sachs. Er war der Hauptgestalter der Reformen nach 1990 zuerst in Polen dann in Russland. Er ist zurückgetreten sobald es klar wurde, wie viel Korruption im Spiel war. Eine Korruption, die von der Weltbank und dem Intl. Währungsfond NICHT gekämpft wurde. Eigentlich hätten diese Institutionen die Instrumente zur Bekämpfung der Korruption gehabt, wollten sie aber nicht verwenden. Kurzfristige Gewinne, wie immer auch, sind besser als langfristige Investitionen.

Das war der Hintergrund, aus dem Putin Ende 1999 entstanden ist. Wäre damals Russland demokratischer gewesen, hätte Putin wahrscheinlich keine Chance gehabt "sein" System zu entwickeln.

https://www.jeffsachs.org/newspaper-articles "The US should compromiye on NATO to save Ukraine", 21.02.2022

Sehr lesenswert ist auch Peter Scholl-Latours "Russland im Zangengriff"

Sa., 26.02.2022 - 18:36 Permalink
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Stefan S So., 27.02.2022 - 09:30

Antwort auf von Gianguido Piani

"Das war der Hintergrund, aus dem Putin Ende 1999 entstanden ist. Wäre damals Russland demokratischer gewesen, hätte Putin wahrscheinlich keine Chance gehabt "sein" System zu entwickeln."
Herr Piani, ich will nicht Ihre persönliche Erfahrung widersprechen oder in Abrede stellen aber dies sind alles keine Gründe solch einen Wahnsinn vom Zaun zu brechen. Putin ist ein "Irrer" im Schafspelz, schauen Sie sich seine Rede von 2001 im deutschen Bundestag an.
Es ist wie es ist, Russland und China haben riesige Angst vor einer Demokratisierung und unterdrücken jegliche öffentliche Meinung.
Dies ist ein weiterer schwerwiegender Versuch die Demokratie aus den Angeln zu heben, den ersten hatte Trump gestartet.
Es wird Zeit das wir als Zivilgesellschaft aufwachen.

So., 27.02.2022 - 09:30 Permalink
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Klaus Griesser Do., 24.02.2022 - 20:54

Die jüngsten Ereignisse in der Ukraine sind in ihrer ungeheuren Dimension noch nicht endgültig fassbar. Putin hat als Kriegsverbrecher historische Schuld auf sich geladen. Er wird, so ist zu befürchten, Russland weiter ins Abseits führen. Leider kann uns das nicht wirklich froh machen. Und es bleibt fraglich, was dies für die Zukunft des weltweiten Klimaschutzes und für das Überleben von Homo sapiens bedeuten wird.
Reinhard Dallinger und Klaus Griesser

Do., 24.02.2022 - 20:54 Permalink
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Albert Mairhofer Sa., 26.02.2022 - 18:03

Anlässlich der Sicherheitskonferenz in München habe ich dem Leiter, Herrn Botschafter Wolfgang Ischinger gewittert: „Schlagen Sie Putin vor, gleichviel Nato-Panzer wie Russland um die Ukraine zusammenzieht, in Bagger umzurüsten und damit gemeinsam den SibAralKasp-Kanal zu realisieren, um dem Klimawandel entgegenzutreten!“

Sa., 26.02.2022 - 18:03 Permalink